14. November 2025 - 6.58 Uhr
„Lëtzebuerger Buchpräis 2025“Das sind die diesjährigen Gewinner

Die Nominierten lächeln das Publikum an: Ihre Porträts in Schwarzweiß zieren die Wände des Festsaals in Walferdingen. Ein Who’s who der Luxemburger Literatur- und Verlagsbranche nahm Platz, den Blick auf die Bühne gerichtet. Nach Reden des Walferdinger Bürgermeisters François Sauber (CSV), des Kulturministers Eric Thill (DP), der Ehrengästin Germaine Goetzinger und des Präsidenten der „Lëtzebuerger Bicherediteuren“ Roland Kayser folgte der Höhepunkt: die Vergabe des „Lëtzebuerger Buchpräis“, der jährlich den Auftakt der „Walfer Bicherdeeg“ markiert.
Von „G“ wie Ganschow …
Das Urteil fällte die Jury im Auftrag des Luxemburger Verlagsverbandes. Sie bestand aus Jérôme Jaminet, Claudine Muno, Claudine Butterworth, Rachel Hoffmann und Solange Häusler. Die Zeremonie begann mit der Kategorie „Sachbuch“ – und die entschied Inna Ganschow mit „Keiner weinte, es gab keine Tränen mehr“ (Capybarabooks) für sich. Die Autorin und Wissenschaftlerin, aufgewachsen in Kasachstan, befasst sich in dem Siegerbuch mit dem Alltag und den Arbeitsumständen sowjetischer Zwangsarbeiter*innen in Luxemburg während des Zweiten Weltkrieges.

„Ich bin froh, dass wir mit dieser Recherche eine vergessene Opfergruppe des Nationalsozialismus sichtbar machen konnten“, so die Gewinnerin in ihrer Dankesrede. „4.000 junge Menschen, vor allem Mädchen, wurden nicht ohne Grund nach Luxemburg verschleppt. Ich danke Luxemburg für das Vertrauen, die Auszeichnung und dafür, dass ich heute hier stehen darf.“
Jérôme Jaminet, der den Preis überreichte, hob in seiner Laudatio die Wichtigkeit der transnationalen Perspektive auf das Thema hervor: „Die hat die Jury besonders überzeugt und fasziniert. Die Arbeit beleuchtet ein Kapitel des Zweiten Weltkrieges, das in Luxemburg nicht so präsent ist. Es macht Stimmen hörbar, die sonst verloren gehen.“ Ganschow veröffentlichte bereits mehrere Bücher in Luxemburg, darunter „100 Jahre Russen in Luxemburg. Geschichte einer atomisierten Diaspora“ (Fondation Lydie Schmit). Das spiegelt die Forschungsthemen, die sie unter anderem an der Universität Luxemburg verfolgt: die Geschichte Luxemburgs und der UdSSR.

Weiter ging es mit der Kategorie „Kinder- und Jugendbuch“: Dort freute sich das Duo Marc Weydert (Autor) und Patty Thielen (Illustratorin) über den Hauptpreis für „KrixKrax“ (Perspektiv Editions). Es ist Weyderts viertes Kinderbuch und sein zweiter Preis: 2021 gewann er mit „Verdruddelt Geschichten“ den „Concours littéraire national“. Der ausgebildete Diplompädagoge komponiert außerdem Kinderlieder. Patty Thielen illustriert hingegen seit den 1990-er Jahren Bücher und Cartoons. Darüber hinaus übernimmt sie die Gestaltung von Flyers und Logos.
„Patty meinte ‚Du bist der Mann fürs Wort, ich die Frau fürs Zeichnen‘, deswegen übernehme ich die Dankesrede“, sagte Weydert in Walferdingen. Der Autor dankte Thielen und dem Verlagsteam für die Zusammenarbeit; seinen Angehörigen versprach er mit einem Lächeln, „ich schreibe weiter“. Stoff für das nächste Kinderbuch bot sich sogleich: Die Moderatorin wies ihn auf seinen offenen Schnürsenkel hin und warnte vor einem möglichen Sturz. Gelächter aus dem Publikum. „So könnte mein nächstes Kinderbuch beginnen“, scherzte Weydert, bevor er mit Thielen die Bühne verließ.
… über „H“ wie Helminger …
Die beiden machten Platz für Nico Helminger, der mit dem luxemburgischen Gedichtband „Geckegen Hunneg“ (Editions Guy Binsfeld) in der Kategorie „Literatur“ triumphierte – ein Platz, den seine Lektorin Myriam Reisdorfer stellvertretend einnahm. Ohne Helmingers ikonischen Hut, dafür aber mit einer kurzen Rede aus seiner Feder: Dort begrüßte der Autor unter anderem, dass die Jury dieses Jahr mit „Hraun“ (Michikusa Publishing) von Florent Toniello und mit „Geckegen Hunneg“ gleich zwei Lyrikbücher auf die Shortlist setzte. Ein wichtiges Zeichen für ein Genre, das oft zu kurz käme.

Solange Häusler begründete die Wahl der Jury: „Nico Helminger macht in diesem Gedichtband etwas mit unserer Sprache, das man nicht richtig verstehen kann.“ Ähnlich drückte es der Tageblatt-Korrespondent Franck Colotte in seiner Rezension aus: „Ce[t] opus est (…) un recueil qui exige du lecteur une disponibilité, une écoute fine: il ne propose pas une lecture linéaire, mais une expérience. Expérience d’un monde où le langage vacille, mais où, dans ce vacillement, surgit encore une beauté singulière.“ Mit diesem Buch bestätige Helminger seine Rolle als wichtiger Dichter, der die Möglichkeiten und Grenzen des poetischen Sprechens unerbittlich hinterfrage.
Helminger dürfte die Abwesenheit bei der Preisvergabe verschmerzen – immerhin wurde er schon mehrfach für sein jahrzehntelanges, literarisches Schaffen ausgezeichnet. Zwischen 1978 und 1985 hatte er sogar eine wahre Glückssträhne: In dem Zeitraum gewann der Autor fast jährlich – mit Ausnahme von 1982 – den „Concours littéraire national“. Zu den wichtigsten Preisen, die Helminger bisher erhielt, zählen der „Prix Batty Weber“ (2008) für sein Lebenswerk, aber auch der „Prix Servais“ für „Abrasch“ (2014, Editions Phi) und „Kuerz Chronik vum Menn Malkowitsch sengen Deeg an der Loge“ (2018, Editions Guy Binsfeld). Für Letzteres heimste er zudem erstmals den „Lëtzebuerger Buchpräis“ (2018) ein.
… bis „V“ wie Valentiny
Der Designpreis, für den es keine Shortlist gab, ging zum zweiten Jahr in Folge an den Verlag „Point Nemo Publishing“ – und dieses Mal sogar an die Verlagsleiterin Anna Valentiny („Hortus Alienum – Scenographies of Nobody’s Voyage“) selbst. „Die Protagonistin der Erzählung, Nobody, kann ihrer Erzählung in keinem Affekt entfliehen und muss die artifizielle Parklandschaft (…) Szene um Szene durchwandern. Begleitet wird sie dabei vom Chor“, beschreibt Valentiny den Buchinhalt auf ihrer Website. Genau diese Geschichte – und selbstredend das Design – begeisterte die Jury, wie Rachel Hoffmann in ihrer Laudatio offenbarte.

Das Buch erschien in einer Auflage von 300 Stück im Digitaldruck, wobei eine Version vierfarbig und eine in Schwarzweiß produziert wurde. Die Produktionskosten der Objekte fielen unterschiedlich aus, beide werden für 45 Euro verkauft. Die Idee dahinter: Mit einem begrenzten Budget hochwertige Bücher herstellen. „Eine Herausforderung, der wir uns in unserem Berufsfeld immer wieder stellen müssen“, meinte Valentiny. Sie erklärte, warum ihr das Projekt besonders am Herzen liegt: „Der Ursprung dieser Veröffentlichung ist meine Diplomarbeit. Es könnte nicht pathetischer sein: Sie markiert den Abschluss eines Lebensabschnitts. Die Texte sind dieselben, wie vor zehn Jahren. Ich habe nichts daran geändert, weil ich mich nicht selbst zensieren wollte.“
Und auch das Publikum durfte – traditionsgemäß – Preise vergeben. Es entschied sich ebenfalls für Marc Weydert und Patty Thielen (Kinder- und Jugendbuch, „KrixKrax“), Keong-A. Song, Marie Mathieu und Sabrina Notka (Sachbuch, „Départ Lass!!!“, Editions Guy Binsfeld) sowie für Tullio Forgiarini (Literatur, „Vandalium“, Editions Guy Binsfeld).
Noch ein Wort zur Juryarbeit
Genießt das Publikum Narrenfreiheit, sind Jurys meist Kritik für ihre Entscheidungen ausgesetzt. Beim „Lëtzebuerger Buchpräis 2025“ rumorte es ebenfalls, wenn auch nur leise: Nur eine Frau auf der Shortlist in der Kategorie „Literatur“? Und keine Jungautor*innen? Jérôme Jaminet, Lehrer, Literaturkritiker und diesjähriges Jurymitglied, kontert im Gespräch mit dem Tageblatt. „Das wichtigste Kriterium bleibt die Qualität. Nur im Zweifelsfall ist die Wahrung der Diversität – im weitesten Sinne – entscheidend“, sagt er. Er spielt auf Gender, Sprachenvielfalt, Alter und die Repräsentation von Verlagshäusern an.

„Wir wandten ein Punktesystem an, das klare Ergebnisse lieferte. Ich bin ein Förderer junger Literaturschaffender“, so Jaminet, der unter anderem die Plattform „New Literary Voices“ für junge Literaturkritiker*innen initiierte. „Nur konnten ihre Werke im direkten Vergleich mit – zum Beispiel – Nico Helminger nicht mithalten.“ Die Jury entschied in einer rund dreistündigen Sitzung über die Shortlist, in einer kurzen Nachbesprechung machte sie Nägel mit Köpfen. Jaminet begrüßt die Hinterfragung der Jury-Entscheidungen, gibt aber zu bedenken: „Es ist immer eine Herausforderung, ein Gleichgewicht herzustellen.“
Nach der Preisverleihung schnitten die illustren Gäste den Geburtstagskuchen zum 30. Jubiläum der „Walfer Bicherdeeg“ an, die Gläser klirrten, eine Band untermalte die Gespräche an den Stehtischen mit Jazz. Das nächste Wiedersehen lässt für die meisten nicht lange auf sich warten: Am Samstag startet die Buchmesse unter dem Motto „Erinnern trifft Erneuern“.
De Maart

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