Dienstag9. Dezember 2025

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PopkulturWas ist ein „Yassified Meme“ – und was hat es mit Luxemburgs Außenminister Xavier Bettel zu tun?

Popkultur / Was ist ein „Yassified Meme“ – und was hat es mit Luxemburgs Außenminister Xavier Bettel zu tun?
Solidarität mit Aktivistin: Nahe dem Hamilius Tram Stop in Luxemburg-Stadt wurden Poster aufgehängt, die das Meme über Xavier Bettel reproduzieren, und mit dem Slogan „Verteidigt die Freiheit des künstlerischen Ausdrucks“ versehen  Foto: Editpress

Außenminister Xavier Bettel will eine pro-palästinensische Aktivistin anzeigen. Der Grund: ein yassified Meme. Doch was bedeutet „yassified Meme“ genau? Ein Gespräch mit Kontra7000, einer Person, die solche Kunst kreiert.

Vor rund einem Monat berichtete das Luxemburger Wort, dass Luxemburgs Außenminister Xavier Bettel (DP) eine Aktivistin wegen einer Karikatur anzeigen wollte. Das Bild, das online auf Instagram und der Website deianer.com hochgeladen wurde, zeigte ein digital bearbeitetes Foto des Ministers, der bereits zuvor für seine Haltung im Israel-Palästina-Krieg kritisiert worden war.

Neben langen Fingernägeln, dicken Lippen und falschen Wimpern, wurden ihm ein Keffiyeh auf den Kopf und die palästinensische Flagge auf die Krawatte gedruckt. Bettel, offen homosexuell, und Medien sprachen von Homofeindlichkeit: Der Minister würde mit gemeinhin als weiblich geltenden Attributen dargestellt.

Kontra7000 schafft vergleichbare Memes, auch wenn die Person nicht für das Bettel-Bild verantwortlich zeichnet. Bis heute ist unbekannt, wer es erstellte. Für Kontra7000 ist aber klar: Es handelt sich dabei nicht um Homofeindlichkeit, sondern lediglich um ein Meme in der „yassified“-Ästhetik.

Sozialkritik und Memes von Kontra7000

Bei einem Meme handelt es sich in der Regel um einen Inhalt (Bild, Video oder Text), der Umstände mit Humor kommentiert und im Internet geteilt wird. Ähnlich wie bei einem Comic oder in der Satire können die Themen eines Memes von banalen Situationen bis hin zu sozialpolitischer Kritik reichen. Das Besondere ist, dass Memes meist von anderen Internetnutzer*innen kopiert, schnell verbreitet und modifiziert werden – angepasst an den Humor oder die Kritik der Person, die sich das Meme aneignet und weiterverbreitet. Das ist es, was Kontra7000 so spannend an Memes findet – dass sie außerhalb elitärer Machtverhältnisse existieren.

Kontra7000 veröffentlicht seine satirischen Memes auf Instagram
Kontra7000 veröffentlicht seine satirischen Memes auf Instagram  Foto: Jang Kapgen

Kontra7000 initiierte 2023 eine eigene, gleichnamige Instagram-Seite, auf der regelmäßig Memes – meist über Luxemburg – veröffentlicht werden. Die ersten Memes handelten von „Kachkéis“, fiktiven Gedanken der Gëlle Fra und der luxemburgischen Sprache, doch Kontra7000 begann rasch auch sozialkritische Memes zu teilen. Von Kritik an luxemburgischen Parteien wie der ADR und der DP bis hin zum Einsatz für die Rechte von transgeschlechtlichen Menschen und – seit Kurzem – auch für eine klarere luxemburgische Position gegenüber der israelischen Regierung und des Völkermordes in Palästina (der unter anderem von der Untersuchungskommission der Vereinten Nationen befunden wurde): Kontra7000 spricht viele Themen explizit durch Satire an.

„Manchmal wird es vulgär, aber es geht trotzdem um komplexe Themen. Das ist ein effizienter Weg, damit auch was hängen bleibt“, erklärt Kontra7000 im Austausch mit dem Tageblatt. „Mein Maßstab ist immer: Könnte ich dieses Meme meinen Eltern erklären, ohne viel Kontext zu geben? Ich könnte auch akademische Wörter benutzen, aber das kann abschrecken, wenn man aus einem gewissen sozialen Kontext kommt.“ Kontra7000 geht es darum, Menschen mit verschiedenen Hintergründen in die gesellschaftlichen Debatten mit einzubeziehen.

Yas! Die Herkunft von Yassifikation

Das Meme über Bettel bezeichnet Kontra7000 wie gesagt als „yassified“. Doch was bedeutet das genau? Die Yassifikation hat seine Wurzeln in der queeren, schwarzen und Latinx Ballroom-Culture im New York der 1980er- und 1990er-Jahre. In diesen Gemeinschaften wurde „Yas“ als positiver, unterstützender Zuruf genutzt. Wenn jemand ein schönes Outfit oder coole Tanzmoves vorzeigte, war „Yas“ ein Ausdruck, um Begeisterung und Bestärkung auszudrücken. Obwohl „Yas“ ursprünglich nur in den genannten Gemeinschaften verwendet wurde, fand der Zuruf im Laufe der Jahre durch verschiedene Serien, Memes und Persönlichkeiten Eingang in die englischsprachige und dann in die globale Popkultur – oft jedoch, ohne dass queere, schwarze und Latinx-Personen für die Schaffung des Wortes gewertschätzt wurden.

Yassifikation bringt diesen Begriff in die Welt der Memes: Dort beschreibt die Yassifikation nämlich den Vorgang, das Aussehen einer Person durch eine Bearbeitung „glamouröser“ oder „attraktiver“ zu machen, damit das Bild einen digitalen „Yas“-Zuruf bekommen könnte. Dies wird manchmal so auf die Spitze getrieben – oft mit Humor –, dass die „yassified“ Person nicht mehr erkennbar ist. Retuschierte Gesichtszüge, starkes Make-up, neue Frisur – es wird ein neuer Mensch erschaffen. In diesem Fall der Yassifikation ist der sozialkritische Gedanke oft stark deutlich, da Schönheitsideale in den sozialen Medien beanstandet werden.

Homofeindliches Bettel-Meme?

„Den Vorwurf der Homofeindlichkeit habe ich nicht ganz verstanden“, kommentiert Kontra7000 das eingangs erwähnte Bettel-Meme. In der Yassifikation von Bettel erkennt Kontra7000 etwas anderes: In dem Meme kämen die Symbole glamouröser Weiblichkeit und von Palästina zusammen, da dies oft als islamfeindlicher Gegensatz gedacht würde.

Kontra7000 positioniert sich auf Instagram klar
Kontra7000 positioniert sich auf Instagram klar Foto: Jang Kapgen

„In Luxemburg wird immer darüber diskutiert, was der richtige Weg ist, um Dinge anzusprechen“, bedauert Kontra7000. Über den eigentlichen Inhalt der Kritik werde hingegen unzureichend debattiert. „Ich kann mir vorstllen, dass Bettel ungern mit langen Fingernägeln dargestellt wird, aber das ist seine subjektive Meinung. Entweder man mag lange Fingernägel oder eben nicht“, so Kontra7000, „aber es ist keine Hassrede, nur weil jemand Dich mit langen Fingernägeln abbildet.“

Nachdem die Nachricht über Bettels Anzeigen-Drohung herauskam, hat Kontra7000 selbst noch mehr Memes kreiert. Kontra7000 war auch erfreut, dass andere Meme-Veröffentlicher*innen in Luxemburg vermehrt Memes, auch über Bettel, schafften.„Ich bin nicht eingeschüchtert“, bewertet Kontra7000 die aktuelle Situation. Obwohl sich die Person bewusst ist: Auch ihr könnten Konsequenzen für ihre Beiträge blühen. Statt Angst zu haben, ist Kontra7000 stolz über den Zusammenhalt zwischen den Kunstschaffenden und insbesondere zwischen Meme-Veröffentlicher*innen in Luxemburg.

Altwies Yves
9. Dezember 2025 - 12.15

HeWhoCannotBeNamed/

Dem ist nichts hinzuzufuegen !!

HeWhoCannotBeNamed
9. Dezember 2025 - 11.24

Ich sehe ein Problem in der selbst zugesprochenen Deutungshoheit dieser Aktivisten : Kommunikation ist keine Einwegbahn und der "Absender" sollte sich sehr wohl Gedanken machen, wie seine Message beim Empfänger ankommt. Provokation schön und gut, von Dadaismus über Aktionismus hin zu Punk, etc. Wenn die Bildsprache aber Stilmittel benutzt die von Rechtsextremen stammen könnte, dann sollten wir uns die Frage stellen, ob artistic expression wirklich so weit gehen darf?! Oder anders ausgedrückt : die politische Absicht (der Zweck) heiligt nicht die Ausdrucksweise (die Mittel). "Yassification" hin oder her...