RückblickWorum es bei der „Gaardenhaischen“-Affäre um Roberto Traversini ging

Rückblick / Worum es bei der „Gaardenhaischen“-Affäre um Roberto Traversini ging
 Foto: Editpress/Julien Garroy

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Carole Dieschbourg („déi gréng“) hat am Freitag überraschend ihr Amt als Luxemburgs Umweltministerin niedergelegt. Grund soll die „Gaardenhaischen“-Affäre um Roberto Traversini sein, in die sie mutmaßlich verwickelt ist. Deshalb aus unserem Archiv: die Hintergrund-Story zur „Gaardenhaischen“-Debatte.

Die Pressekonferenz sollte sich damals eigentlich um die Gemeinderatssitzung vom 18. September 2019 drehen. Mehr stand nicht auf der Einladung, die die Tageblatt-Redaktion am 20. September erreichte und von Roberto Traversini unterschrieben worden war. Schnell machten erste Gerüchte die Runde: Der zu dem Zeitpunkt Noch-Bürgermeister von Differdingen könnte sein Amt niederlegen. Und so kam es denn auch: Er würde am Montag, dem 23. September 2019, mit sofortiger Wirkung als Bürgermeister zurücktreten, teilte Traversini den versammelten Pressevertretern im „Aalt Stadhaus“ mit. Immer wieder versagte die Stimme des Politikers, der während seines kurzen Statements stets mit den Tränen zu kämpfen hatte.

Stolz blickte er auf die fünf vergangenen Jahre zurück, in denen er die Geschicke der „Cité du Fer“ als Stadtoberhaupt lenkte. Besonders hob er die vielen neuen Arbeitsplätze im kreativen Bereich, die im 1535°C entstanden sind, hervor. Er lobte auch die Bemühungen der Gemeinde, sich um sozialen Wohnraum zu kümmern, und bezeichnete die Stadt als Meister des Sozialen. Politiker hätten eine Vorbildfunktion und deshalb müsse er diesen Schritt jetzt machen, so Traversini weiter. „Ich brauche nun ein paar Tage Ruhe für mich und meine Kinder“, sagte Traversini zum Abschluss seines Statements, bevor er sich blitzschnell umdrehte und mit festen Schritten und versteinerter Miene den Saal verließ. Zeit für mögliche Fragen blieb den Journalisten nicht.

Ermittlungen wegen Amtsmissbrauch und Veruntreuung

Die Bezirksstaatsanwaltschaft teilte am 20. September 2019 in einem Schreiben mit, dass die Ermittlungen in diesem Fall laufen würden. Es bestand nämlich der Verdacht auf Veruntreuung von öffentlichen Geldern, illegale Vorteilsnahme, Verschleierung und Verstoß gegen das Gesetz von kommunalen Einrichtungen. Zur Sicherung von Beweisen wurden die Räumlichkeiten der Differdinger Gemeinde, aber auch die Büros des CIGL („Centre d’initiative et de gestion local“) durchsucht.

Roberto Traversini hatte wenige Monate davor ein Grundstück in der Nähe der route de Pétange in Niederkorn geerbt. Das besagte Haus und ein dazugehörender Schuppen grenzen direkt an den Wald. Der Schuppen befand sich bereits seit einigen Jahren in einem Natura-2000-Gebiet und in dem Naturschutzgebiet „Prënzebierg“. Als der allgemeine Bebauungsplan (PAG) im Jahr 1981 geändert worden war, fanden sich eine Handvoll Häuser nicht mehr in diesem Bauperimeter wieder. Im PAG werden sie seitdem als „Kleingarten- und Gärtnereigebiet“ geführt. Ziel war es, das Haus von einer Kleingartenzone in ein Wohngebiet „überzusiedeln“.

An dem Haus, aber auch an dem Schuppen wurden mehrere Renovierungsarbeiten durchgeführt. Allerdings ohne die nötigen Genehmigungen des Umweltministeriums. Diese wurden rückwirkend von Ministerin Carole Dieschbourg („déi gréng“) ausgestellt. Einige der Umbauarbeiten wurden vom örtlichen CIGL durchgeführt. Das CIGL, dessen Dienste eigentlich nur von Personen über 60 Jahre oder hilfsbedürftigen Menschen in Anspruch genommen werden dürfen, ist eine soziale Initiative der Gemeinde zur beruflichen Wiedereingliederung. Damals an seiner Spitze: Roberto Traversini als Präsident.

François Meisch (DP) beschuldigte folglich den Differdinger Bürgermeister in der Gemeinderatssitzung am 18. September, die Dienste des CIGL unrechtmäßig in Anspruch genommen und den Einsatz nicht bezahlt zu haben. Traversini bestritt das nicht. „Mannschaften des CIGL Differdingen haben Ende Juli auf dem Gelände eine Fortbildung in Sachen Holzbearbeitung absolviert. Der technische Koordinator des CIGL hatte mich diesbezüglich kontaktiert und gefragt, ob diese Fortbildung auf meinem Grundstück stattfinden könnte, da sich das Gartenhäuschen besonders gut für diese Art von Arbeiten eignen würde. Während dieser Fortbildung wurde auch ein Geländer fixiert und neu angestrichen“, so Traversini. Die vier Stunden Arbeit an dem Geländer waren zu dem Zeitpunkt auch nicht bezahlt, das sei richtig.

Die DP konnte zudem anhand von mehreren E-Mails und Fotos belegen, dass die Pläne für die beiden Häuser von einem Lehrling aus dem Differdinger Baudienst ausgemessen und gezeichnet wurden. Die privaten Pläne waren mit dem offiziellen Logo der Stadt Differdingen versehen. Meisch sprach in diesem Fall von Amtsmissbrauch. Aus diesem Grund hatte der DP-Politiker die Staatsanwaltschaft von diesen Vorkommnissen in Kenntnis gesetzt.

Politiker reagieren auf Rücktritt

Die Demokratische Partei und „déi Lénk“ hatten den Differdinger Bürgermeister in diesem Zusammenhang zum sofortigen Rücktritt aufgefordert, da politische Amtsträger, die sich nicht an die Gesetze halten, nicht tragbar seien und bei der Bevölkerung nur das Misstrauen gegenüber der Politik verstärken würden. Dementsprechend waren ihre Reaktionen nach dem angekündigten Rücktritt von Traversini auch positiv.

Die Differdinger Sektion der Partei „déi Lénk“ drückte ihre Anerkennung für die Entscheidung des Differdinger Bürgermeisters aus, seine Verantwortung in der Angelegenheit zu übernehmen. Laut Parteimitteilung bestand die einzige Motivation von „déi Lénk“ in dieser Affäre darin, die Grundprinzipien der Demokratie zu gewährleisten. Die Linkspartei schlug zudem vor, diese Gelegenheit zu nutzen, um eine Debatte über Transparenz und potenzielle Interessenkonflikte im Zusammenhang mit einem politischen Mandat zu führen.

„Dem Bürgermeister blieb keine andere Wahl, als sein Amt niederzulegen. Roberto hat sich der Salami-Taktik bedient und immer nur das zugegeben, was wir ihm auch wirklich nachweisen konnten. Gestern [am 20. September 2019] wurde uns noch vom Umweltministerium bestätigt, dass auch eine Genehmigung für die Umbauten am Haus nötig war. Bislang hat Roberto Traversini dies immer bestritten“, erklärte François Meisch auf Tageblatt-Nachfrage. „Ich befürchte, es handelt sich nur um die Spitze des Eisberges, was die Verfehlungen angeht. Die Frage, wer noch davon gewusst hat, ist auch noch unbeantwortet. Nun ist die Justiz am Zug“, so Meisch weiter. Wie es nun im Gemeinderat weitergehen sollte, erklärte der DP-Politiker so: „Wir müssen uns nun alle zusammen an einen Tisch setzen.“


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