Toter in Givenich„Moralisch und menschlich unter aller Sau“: Mitgefangener gibt sich nicht mit Antworten zufrieden

Toter in Givenich / „Moralisch und menschlich unter aller Sau“: Mitgefangener gibt sich nicht mit Antworten zufrieden
Blick ins Innere der Haftanstalt in Givenich Archivbild: Editpress

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Nachdem am 2. Juli ein Häftling tot in seiner Zelle im Givenicher Gefängnis gefunden wurde, erhob ein Mitgefangener Vorwürfe gegenüber der Haftanstalt, denen Justizministerin Sam Tanson („déi gréng“)  in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage in mehreren Punkten widersprach. Der Mitgefangene aber bekräftigt gegenüber dem Tageblatt seine Version der Dinge. 

Justizministerin Sam Tanson sieht sich momentan mit einigen Fragen zum Strafvollzug konfrontiert. Eine RTL-Serie ließ das „Centre socio-éducatif de l’Etat“ (CSEE) in Dreiborn in einem schlechten Licht dastehen, was die CSV-Abgeordneten Léon Gloden und Laurent Mosar vergangene Woche zu einer parlamentarischen Anfrage veranlasste. In den Reportagen auf RTL, die auf Aussagen früherer CSEE-Mitarbeitern basieren, ist die Rede von Drogen, Geschlechtsverkehr und Gewalt hinter den Mauern, auch zwischen den Jugendlichen und dem Personal. 

Justizministerin Sam Tanson 
Justizministerin Sam Tanson  Foto: Editpress/Alain Rischard

Eine weitere parlamentarische Frage von Léon Gloden hatte Ministerin Tanson vergangene Woche beantwortet. Dabei ging es um den Tod eines Häftlings im Gefängnis von Givenich. Ein seit dem 3. Mai 2023 dort Inhaftierter war leblos in seiner Zelle aufgefunden worden. Mithäftling K., der aus Sorge vor Repressalien anonym bleiben will, erklärte damals, der Verstorbene sei in schlechtem körperlichem Allgemeinzustand gewesen und zweifelte an dessen Haftfähigkeit, was er nun gegenüber dem Tageblatt wiederholte.

Mit Tansons Antwort will sich K. jedenfalls nicht zufriedengeben: „Der Mann war ein kleiner Delinquent. Er hätte es verdient gehabt, im Krankenhaus umgeben von seiner Familie zu sterben, anstelle in seiner Zelle zu krepieren. Ich hätte ihnen ein Monat zuvor sagen können, dass er es nicht mehr lange mitmacht, jeder hat das gesehen.“ Die zuständigen Instanzen hätten versagt, meint K. Diese Instanzen sind der SCAS  („Service central d’assistance sociale“), der SPSE („Service psycho-socio-éducatif“) und somit auch Staatsanwaltschaft und Justiz. „Es geht um Empathie für Menschen im Endstadium. Unter dem Strich bleibt, dass das, was geschehen ist, moralisch und menschlich unter aller Sau war“, bekräftigt K.  

Frage nach der Haftfähigkeit

In Tansons Antwort auf die parlamentarische Frage hatte es geheißen: „Der Verstorbene, der am Vorabend seines Todes keine Anzeichen von Unwohlsein gezeigt hatte, wurde am Morgen bei der Öffnung der Zellen von einem Gefängnisbeamten in seinem Bett liegend aufgefunden.“ Man habe sofort die Nummer 112 angerufen und die Polizei verständigt. Die diensthabende Krankenschwester habe den Tod des Häftlings festgestellt. Der Arzt vor Ort habe schließlich „einen natürlichen Tod“ festgestellt. Und: „Der Verstorbene verfügte über eine aktuelle ärztliche Bescheinigung über die Haftfähigkeit“.

Die Haftfähigkeitsbescheinigung wurde jedenfalls am Tag seiner Ankunft im Gefängnis von einem Arzt ausgestellt. Das stellt K. nicht infrage. Jedoch macht er darauf aufmerksam, dass die Eignung für den Freiheitsentzug im Verlauf der Zeit ändern kann. K. berichtet von sichtbar schlecht durchbluteten Extremitäten und großen Wunden bei dem etwa Ende-30-Jährigen, der zudem drogenabhängig und übergewichtig gewesen sein soll. Er meint damit, dass der Verstorbene eben nicht haftfähig gewesen sei.

Zu dieser Version passt, dass der Betroffene dreimal als Notfall ins Krankenhaus eingeliefert wurde (am 18., 25. und 29. Juni). „Er sei jedes Mal nach einigen Stunden wieder aus dem Bereitschaftsdienst entlassen worden“, heißt es in der Antwort auf die parlamentarische Frage. Und: „Er hatte auch andere medizinische Konsultationen, sowohl beim Gefängnisarzt als auch bei externen Fachärzten.“ Warum der Mann als Notfall ins Krankenhaus oder mehrfach zu anderen Ärzten musste, erklärt Sam Tanson nicht. Dass der Mann, wie kolportiert wurde, am Vorabend seines Todes mehrfach den Alarmknopf gedrückt hätte, wurde in der Antwort dementiert: „Zwei Vollzugsbeamte überprüften das Medilog-Alarmsystem in Zelle 0-15, die vom verstorbenen Häftling bewohnt wurde, und bestätigten, dass am 1. oder 2. Juli kein Alarm ausgelöst wurde“.

Das CPG Givenich bei Rosport ist eine halb-offene Haftanstalt. Das bedeutet, dass sich die Häftlinge tagsüber innerhalb des Gefängnisses frei bewegen können. Sie arbeiten entweder innerhalb oder außerhalb der Anstalt und sollen so für die Wiedereingliederung in die Gesellschaft vorbereitet werden. Pro Woche gibt es einen Tag Ausgang. 113 Betten gibt es in Givenich, wo also hauptsächlich Gefangene mit geringen Haftstrafen untergebracht werden. 

LINK Mann stirbt im Gefängnis von Givenich – Mitgefangener erhebt schwere Vorwürfe
LINK „Dreimal als Notfall eingeliefert“: Tanson äußert sich zu totem Häftling in Givenicher Gefängnis

Robert Hottua
17. August 2023 - 5.22

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