RadsportTom Wirtgen über seine lange Teamsuche, Global 6 Cycling und die kommende Saison

Radsport / Tom Wirtgen über seine lange Teamsuche, Global 6 Cycling und die kommende Saison
Nach drei Jahren bei Bingoal wird Tom Wirtgen in der kommenden Saison für Global 6 Cycling fahren Archivbild: Editpress/Anouk Flesch

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Tom Wirtgen wird in der kommenden Saison das Trikot von Global 6 Cycling anziehen. Der 26-Jährige hat sich dem Kontinental-Team angeschlossen und soll der neuseeländischen Mannschaft Resultate einfahren. Doch bevor der Radsportler überhaupt bei dem neuen Team unterschrieb, musste er sich lange gedulden – dabei sah es sogar zeitweilig danach aus, als müsste er seine Karriere beenden. 

Nicht leicht waren die vergangenen Wochen für Tom Wirtgen. Weil er keine Mannschaft hatte, war die Zukunft des 26-Jährigen ungewiss. Im Sommer entschied er sich bereits selbst dazu, nicht mehr bei Bingoal Pauwels Sauces WB zu unterschreiben. „Ich habe etwa Mitte der Saison gesehen, dass es mich nicht weiterbringt, mit dem Team weiterzumachen. Es gab einige interne Probleme. Meine Arbeit wurde außerdem nicht richtig anerkannt. Mental war es nicht mehr möglich, weiterzumachen. Ich wollte nicht mehr unterschreiben und entschied mich dazu, einen anderen Weg zu gehen“, sagt der ältere Bruder von Luc Wirtgen, der Bingoal ebenfalls verlassen hat und sich dem Schweizer ProTeam Tudor angeschlossen hat.

Tom Wirtgen wusste jedoch, dass die Suche nach einem neuen Team keine einfache wird. 2022 stellte er sich voll in den Dienst seiner Mannschaft, fuhr also keine Resultate heraus und konnte somit auch nicht auf sich aufmerksam machen. „Ich wollte aber nicht den sicheren Weg mit Bingoal gehen, das konnte ich nicht. Mir war bewusst, dass ich in Probleme geraten würde.“ Lange hat der Luxemburger zusammen mit seinem Manager gesucht. Beim französischen Online-Portal cyclismactu.fr suchte Wirtgen mit einem Aufruf nach Hilfe – doch alles schien nichts zu nützen. „Es sah so aus, als müsste ich aufhören“, erklärt er. Immer wieder habe es gute Gespräche gegeben, doch am Ende entschieden sich die Teams für andere Fahrer. 

„Mental sehr schwierig“

„Es war mental sehr schwierig. Ich wollte aber nicht aufhören, deswegen habe ich auch ernsthaft weitertrainiert. Ich habe also trainiert, als würde es bald losgehen, aber ich hatte nichts unterschrieben. Ich glaube, das ist das Schlimmste, was du einem Sportler antun kannst. Man muss mental über seinen Schatten springen. So was wünsche ich nicht mal meinem ärgsten Feind“, sagt Wirtgen. „Es sah nach Karriereende aus, auch wenn ich nicht daran gedacht habe. Die Karten waren schlecht. Aber aufhören war für mich keine Option.“

In der schwierigen Zeit konnte sich der Radsportler auf den Rückhalt seiner Familie verlassen. „Ich hatte viele Gespräche zu Hause. Ich war nie alleine, wir waren alle ein Team. Wenn meine Familie nicht mitgemacht hätte, wäre das nichts mehr geworden. Wenn meine Frau nicht an mich geglaubt hätte, dann hätte ich vielleicht aufgegeben“, erklärt Wirtgen. Der beständige Glaube hat sich am Ende gelohnt. Durch Kontakte kam Wirtgen mit dem Kontinental-Team Global 6 Cycling in Berührung. „Das Telefonat war sehr positiv“, erinnert er sich. Schnell waren sich beide Parteien einig. 

Das Team, mit Sitz in Neuseeland, fuhr 2021 seine erste Saison in der 3. Liga. „Das Team ist jung und motiviert, das Material stimmt. Das Projekt reizt mich. Wir haben zehn Fahrer im Team aus ganz verschiedenen Nationen. Die letzten Jahre war ich hauptsächlich von Belgiern umgeben. Global 6 erinnert mich ein wenig an meine Zeit bei Leopard, da waren auch einige internationale Fahrer dabei. Das bringt eine ganz andere Stimmung ins Team.“ 

Fahrer für Ergebnisse

Auch der Kalender bringt viel Internationales mit. Die Türkei-Rundfahrt (2. Pro), das Arctic Race of Norway (2. Pro) oder die Tour de Langkawi in Malaysia (2. Pro) stehen auf dem Kalender des Teams. „Das ist um einiges besser, als wenn ich in einem holländischen Team unterschrieben hätte und jeden Sonntag in Holland Windkante fahren müsste“, schmunzelt der Radsportler. Dass er dabei von einem ProTeam zu einem Kontinental-Team wechselt, stört ihn keineswegs. „Das Management ist gut und das Budget passt auch“, sagt Wirtgen. „Wir haben besseres Material als manche ProTeams. Ich glaube an das Projekt.“

Aktuell bereitet sich der ehemalige Leopard-Fahrer in Luxemburg vor. Nach Weihnachten fährt er für zehn Tage an die französisch-spanische Grenze ins private Trainingslager. Anfang Februar geht es dann mit der Mannschaft nach Calpe, bevor er seine Saison bei der Tour of Antalya (9.-12.2./2.1) startet. Im kommenden Jahr wird er zu den Fahrern gehören, die Ergebnisse für das Team einfahren sollen. „Ich habe am meisten Erfahrung im Team. Die Verantwortlichen schenken mir viel Vertrauen und wollen, dass ich mehr als nur ein Helfer bin.“ 

Wirtgen hatte sich in den vergangenen Jahren bei Bingoal vom Helfer zum „Capitaine de route“ entwickelt. Dass er nun auf Ergebnisse fahren soll, ist für ihn eine Umstellung. „Es ist etwas völlig anderes“, sagt er. „Aber ich kann das. Früher musste ich meine Kapitäne platzieren, damit sie ein gutes Ergebnis herausfahren. Ich weiß also, wo ich mich aufhalten muss. Auf Resultate zu fahren, ist für mich wie ein Sprungbrett. Ich kann wieder zeigen, was ich drauf habe.“ 2018 gelang ihm im Dress von AGO-Aqua Service bei der Tour du Jura sein bislang einziger Profisieg. Das soll sich in diesem Jahr ändern.