EditorialZu Chinas Verärgerung über Pelosis Symbolpolitik

Editorial / Zu Chinas Verärgerung über Pelosis Symbolpolitik
Chinesische Militärhubschrauber nehmen an einem Manöver teil, das China als Reaktion auf den Besuch der US-Politikerin Nancy Pelosi in Taiwan abhält Foto: Hector Retamal/AFP

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Vielfach wurde im Zusammenhang mit dem Taiwan-Besuch der Vorsitzenden des US-Repäsentantenhauses, Nancy Pelosi, von Symbolpolitik geredet. Es ist wohl die trefflichste Umschreibung dessen, was die US-Politikerin mit ihrem Abstecher auf der Insel getan hat. Mehr konnte sie aufgrund ihres Amtes ohnehin nicht tun. Sie ist weder Staats- noch Regierungschefin, kann daher keine weittragende, ihr Land bindende Entscheidung treffen oder Ankündigungen machen. Und in ihrem Gepäck führte die kleine Parlamentsdelegation aus den USA, im übertragenen Sinn, auch nichts mit sich, was sonderlich spektakulär hätte sein können. So bleibt es dabei, dass hier nichts weiter geschehen ist, als dass eine demokratisch gewählte Volksvertreterin mit der obersten Vertreterin eines anderen Landes zusammenkam.

Nun weiß man in Peking längst, wie Nancy Pelosi tickt, wie sie zu Taiwan und China steht, vor allem aber, wie die USA zur sogenannten Taiwan-Frage stehen. Beide wollen am bestehenden Status quo nichts ändern und halten demnach weiterhin an der Ein-China-Politik fest. Daran sollte auch der Besuch Pelosis nichts ändern, daran wird nicht gerüttelt. Es hat sich also absolut nichts geändert im Verhältnis der betroffenen Akteure zueinander. Hätte Peking routiniert eine Protestnote verfasst und die Sache nicht so hochgeschaukelt, Pelosis Show in Taipeh wäre im Ansatz verpufft. Stattdessen legt die chinesische Führung nach, fährt große Geschütze rund um die Insel auf, schießt wild um sich, droht, verhängt Sanktionen gegen Pelosi und legt auch für China sinnvolle Felder der Zusammenarbeit mit den USA still. Reagiert so ein Land, das in den vergangenen Jahrzehnten zu einer wirtschaftlichen Großmacht aufgestiegen ist und sich anschickt, das auch in militärischer Hinsicht zu werden? Zu sehr hatten sich jedoch die Machthaber in Peking vor Entrüstung gegen den Taiwan-Besuch der US-Politikerin in die Brust geworfen, als dass sie jetzt klein beigeben könnten. Und manche in den USA und in anderen Ländern, die der westlichen Hemisphäre zugerechnet werden, haben sich von den Vorwürfen aus China, die Visite sei eine maßlose Provokation, beeindrucken lassen. Die war von Nancy Pelosi wohl auch beabsichtigt. Doch beschränkte sie sich darauf, dass die US-Politikerin ihrer Gastgeberin ihre Unterstützung aussprach und der taiwanischen Demokratie ihre Solidarität versicherte.

Das aber dürfte das eigentliche Vergehen sein. Für die chinesische Führung muss sich der gelungene Wandel der Insel von einer nationalistischen Diktatur in eine prosperierende Demokratie wie ein Stachel im eigenen Fleisch anfühlen. Und je mehr Aufmerksamkeit dieser Umstand erhält, desto mehr verärgert dies die kommunistischen Machthaber, die so gar nichts vom Prinzip „Ein Land, zwei Systeme“ halten. Denn weit vor der mit Großbritannien vertraglich vereinbarten Zeit bei der Rückgabe der einstigen Kronkolonie wurde mit dem sogenannten Sicherheitsgesetz in Hongkong das liberal-demokratische System faktisch abgeschafft. Chinas Präsident Xi Jinping, der dies in die Wege geleitet hat und eine Vereinigung der Insel mit dem Festland anstrebt, wird sicherlich gleiches für Taiwan im Sinn haben. Solchen Vorhaben reine Symbolpolitik entgegenzusetzen, ist immer noch besser als jenes aggressive Gebaren, das China derzeit in der Taiwanstraße veranstaltet. Es gibt Provokationen, die gefährlicher sind, und verurteilungswerter.

Jill
6. August 2022 - 12.50

Für Symbolpolitik hat dieser Besuch aber eine ziemliche faktische Wirkung. China‘s risikoreiches Mannöver auch ausserhalb der chinesischen Gewässern, die Spannungen mit Japan nehmen zu und Taiwan‘s Militär wird kampfbereit gemacht.