Europawahlen 2024Wie feministisch sind die Luxemburger Kandidat*innen?

Europawahlen 2024 / Wie feministisch sind die Luxemburger Kandidat*innen?
Symbolbild Grafik: Freepik

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Das „CID Fraen a Gender“ hakte bei den Kandidat*innen für die Europawahlen am 9. Juni nach: Wie stehen sie zu feministischen Forderungen? Über ein „Nein“, Widersprüche und den Rechtsruck.

Die Europawahl-Kandidat*innen erhielten Post vom feministischen Zentrum „Fraen a Gender“: Im Rahmen des Projekts „EU-Wahlen 2024: Wie feministisch ist das politische Engagement auf europäischer Ebene?“ wurden sie gebeten, sechs Fragen zu feministischer Politik mit Ja oder Nein zu beantworten. Bis auf die ADR, Déi Konservativ und Fokus – später mehr dazu – beteiligten sich alle Parteien an der Befragung.

„Allgemein sind wir von den Ergebnissen positiv überrascht“, kommentiert Claire Schadeck, Projektleiterin beim „CID Fraen a Gender“, die Antworten der Kandidat*innen im Gespräch mit dem Tageblatt. Die meisten Kandidat*innen unterstützen alle abgefragten feministischen Forderungen, etwa die Umsetzung der Istanbul-Konvention oder den Kampf gegen anti-feministische und anti-demokratische Bewegungen in der EU sowie weltweit. 

Ein klares „Nein“ gibt es nur von den DP-Kandidat*innen (Gusty Graas, Jana Degrott, Charles Goerens, Amela Skenderović, Nancy Braun, Christos Floros): Sie sind gegen die Unterzeichnung des Atomwaffenverbotsvertrags (AVV). Der AVV, 2017 von der UN-Generalversammlung verabschiedet, ist eine internationale Vereinbarung, die unter anderem die Entwicklung und Drohung mit Kernwaffen verbietet. Die Ratifizierung des Vertrags ist eines der vielen Anliegen feministischer Antikriegsbewegungen weltweit. Luxemburgs Unterschrift lässt weiter auf sich warten.

CSV widerspricht sich selbst

Während sich die Vertreter*innen der Piraten-Partei (Lucy Agostini, Nadine Do Carmo Freitas, Starsky Flor, Rebecca Lau, Raymond Remakel, Vincenzo Turcarelli) nicht zu der Frage äußerten, machten sich alle anderen Kandidat*innen für den AVV stark. Die CSV-Kandidat*innen (Guy Breden, Mélanie Grün, Christophe Hansen, Martine Kemp, Metty Steinmetz) – Spitzenkandidatin Isabel Wiseler-Lima beantwortete den Katalog trotz Rückfragen des CID nicht – widersprechen mit der Befürwortung des AVV derweil ihrem eigenen Wahlprogramm, denn dort steht: „Für die CSV ist klar: Die Europäische Union braucht eine echte europäische Verteidigungspolitik über die verstärkte Zusammenarbeit hinaus. Dies erfordert eine glaubwürdige Abschreckung Europas. Durchaus in Einbeziehung der französischen Nuklearwaffen. Und mit einer starken Rüstungsindustrie.“

Darüber hinaus äußert sich die CSV in ihrem Wahlprogramm wenig zu Genderthemen; ähnlich wie die DP, die Piratenpartei oder Volt. „Déi gréng“, „déi Lénk“ und die LSAP widmen Frauen und LGBTIQA+ Rechten hingegen ganze Kapitel. Wenngleich nicht jedes Thema aus dem Fragenkatalog des CID darin vorkommt – zum Beispiel der AVV – greifen die Parteien dennoch zentrale queer-feministische Anliegen auf. Um nur ein paar Beispiele zu nennen: die Linke will das Recht auf Schwangerschaftsabbruch in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankern; die Grünen fordern die Ratifizierung der Istanbul-Konvention durch alle EU-Mitgliedsstaaten – es fehlen derzeit sieben Länder –; die LSAP plädiert für eine Berücksichtigung der LGBTIQA+ Rechte in der externen und internen Europapolitik.

Wir erleben auf nationaler und internationaler Ebene einen feministischen Backlash. Das ist eine Gefahr für unsere Demokratie. Wir dürfen das nicht als unwichtig abtun. Unsere Rechte sind nicht in Stein gemeißelt – sie wurden erkämpft und sind durch die Zusammenarbeit zwischen Zivilgesellschaft und Politik entstanden.

Claire Schadeck, Projektleiterin „CID Fraen a Gender“

Die Sensibilität der Kandidat*innen deckt sich also teilweise mit den Bestrebungen ihrer Parteien, dennoch entschied sich das CID für die Befragung von Einzelpersonen. „Die Wähler*innen interessieren sich bei den Europawahlen stärker für einzelne Kandidat*innen“, begründet Schadeck das Vorgehen. „Das ist nicht vergleichbar mit dem Verhalten bei den Nationalwahlen, wo eher die Parteien im Mittelpunkt stehen. Aus dem Grund ist es wichtig zu wissen: Wofür steht die Person, die ich wähle?“

Bei den nationalen Parlamentswahlen 2023 durften alle Parteien ausführlich auf dreißig Fragen des CID antworten. Im Anschluss teilte das Team die Antworten in Kategorien ein, was eine Interpretation der Aussagen voraussetzte. Der Transparenz halber veröffentlichte das CID die kompletten Antworten der Parteien online auf cid-fg.lu. „Dieses Mal wollten wir klare Aussagen“, sagt Schadeck. „In der Politik wird zu oft um den heißen Brei geredet. Am Ende wissen die Wähler*innen nicht, womit sie rechnen können.“

Das CID hielt sich streng an die eigenen Kriterien und nahm keine Antworten entgegen, die dem vorgegebenen Muster widersprachen. Wo wir beim Anfang dieses Artikels angelangt wären: Die Kandidat*innen von „Déi Konservativ“ (Joé Thein, Guy Arend, Celeste Bemtgen, Armand Klein, Patrick Lamesch, Patrick Thein) hielten sich nicht an die Vorgaben und wurden deshalb ausgeschlossen. Der Großteil der ADR-Kandidat*innen (Fernand Kartheiser, Jeff Engelen, Sylvie Mischel, Alex Penning, Alexandra Schoos, Nicky Stoffel) ignorierte den Fragenkatalog des CID. Lediglich Sylvie Mischel und Alexandra Schoos lehnten die Teilnahme explizit aufgrund der begrenzten Antwortmöglichkeiten ab. Von Fokus (Marc Ruppert, Anne Winter, Anne Lecuit, Rick Oberweis, Frank Engel, Monica Semedo) erhielt das CID keine Reaktion. Die eingangs erwähnte Harmonie wäre durch die Beteiligung der anti-feministischen und queerfeindlichen ADR sowie der Konservativen vermutlich gekippt. „Es ist uns bewusst, wie schwer es ist, manche Fragen mit Ja oder Nein zu beantworten“, räumt Schadeck ein. „Wir sind jedoch der Meinung: Es ist legitim, klare Positionen von der Politik einzufordern. Später können die Kandidat*innen ihre Sichtbarkeit immer noch nutzen, um ihre Antworten zu erklären.“ Dies käme nicht nur den Politiker*innen zugute, sondern fördere auch die Diskussion über feministische Forderungen.

Relevanz von Genderthemen

Ob die breite Masse im Zuge der Europawahlen bereit für eine solche Debatte ist, bleibt ungewiss. Ein Blick auf die Ergebnisse des Politmonitors zu den Europawahlen – im Auftrag von RTL und dem Luxemburger Wort, in Zusammenarbeit mit dem Umfrageinstitut Ilres – gibt vage Eindrücke: Die 1.050 Studienteilnehmer*innen wurden nicht explizit zu Genderthemen befragt, dafür aber zu sozialer Gerechtigkeit. 48 Prozent sorgen sich sehr um deren Erhalt. In die „Top 3“ der Dossiers, die die EU sofort angehen muss, schaffte sie es trotzdem nicht. Dort dominieren der Klimawandel, die Verteidigungspolitik und die Inflation.

Für Schadeck besteht eine starke Verbindung zwischen feministischen Forderungen und dem Erhalt der Demokratie. Um den drohenden und bereits voranschreitenden Rechtsruck zu verhindern, brauche es die Wahrung der Menschen- und Frauenrechte sowie den Schutz geschlechtlicher Minoritäten. Genauso wichtig sei das Engagement gegen sexualisierte Gewalt als Kriegswaffe. „Wir erleben auf nationaler und internationaler Ebene einen feministischen Backlash“, so Schadeck weiter. „Das ist eine Gefahr für unsere Demokratie. Wir dürfen das nicht als unwichtig abtun. Unsere Rechte sind nicht in Stein gemeißelt – sie wurden erkämpft und sind nur durch die Zusammenarbeit zwischen Zivilgesellschaft und Politik entstanden.“

Die 6 Fragen an die Kandidat*innen

1) Sind Sie dafür, dass die EU eine feministische Außenpolitik verfolgt, die sich aktiv für die Förderung der Rechte von Frauen und Mädchen sowie LGBTIQ+ Personen weltweit einsetzt?

2) Unterstützen Sie die konsequente Umsetzung der Istanbul-Konvention, insbesondere die Gewährleistung von Asyl für Frauen und Mädchen, einschließlich geschlechtlicher Minoritäten, die von Gewalt betroffen sind?

3) Befürworten Sie die Unterzeichnung des Atomwaffenverbotsvertrags durch Luxemburg?

4) Befürworten Sie Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, Mädchen und LGBTIQ+ Personen, im Rahmen der EU-Außenpolitik, einschließlich der Verfolgung und Bestrafung sexualisierter Kriegsgewalt?

5) Stimmen Sie zu, dass die EU bei der Verteilung von finanziellen Ressourcen und humanitärer Hilfe an europäische Länder sowie an Drittstaaten sicherstellen sollte, dass Frauen, Mädchen und LGBTIQ+ Personen besonders unterstützt werden, um ihre sozioökonomische Stärkung zu fördern?

6) Unterstützen Sie zivilgesellschaftliche Bemühungen zur Bekämpfung antifeministischer und antidemokratischer Bewegungen in der Europäischen Union und weltweit?

Die Antworten aller befragten Kandidat*innen gibt es auf cid-fg.lu.

Phil
10. Mai 2024 - 21.57

Artikel und Beiträge in welchen Sternchen vorkommen lese ich aus Prinzip nicht. Außer solche mit einem Weihnachtsstern!

fraulein smilla
10. Mai 2024 - 20.25

@ JJ Sie haben den / die Vogel*inn abgeschossen .

JJ
10. Mai 2024 - 19.01

"Liebe Krankenschwestern und Krankenschwesterinnen." Mit der Genderfrage wird viel Porzellan zerschlagen und die wichtigen Themen für Gleichberechtigung werden in den Hintergrund gedrängt ob der Schwachsinnigkeit des Genderns.