Hin und Her / Warum die Chamber jetzt vielleicht doch nicht für das Dieschbourg-Dossier zuständig sein könnte
Die Präsidentenkonferenz der Chamber ist offenbar nicht mehr sicher, ob das Parlament tatsächlich darüber zu befinden hat, ob die ehemalige Umweltministerin Carole Dieschbourg sich vor einem Gericht verantworten soll. Worum es bei der aktuellen Unsicherheit in der Angelegenheit geht und was die Parlamentsmitglieder dazu sagen, hat das Tageblatt hier zusammengefasst.
Erst gab es eine Entscheidung, jetzt steht diese jedoch wieder auf wackeligen Beinen: Die Präsidentenkonferenz des Luxemburger Parlaments ist sich offenbar nicht mehr sicher, ob die Chamber wirklich darüber zu entscheiden hat, ob die grüne Ex-Umweltministerin Carole Dieschbourg sich vor einem Gericht verantworten muss. Das bestätigte der CSV-Abgeordnete Gilles Roth am Donnerstag gegenüber dem Tageblatt. Ein Tageblatt-Artikel habe nämlich den entsprechenden Zweifel gesät. In dem Text waren mehrere problematische Aspekte an der Regelung herausgestellt worden, auf die sich das Parlament stützen sollte. Zitiert wurde unter anderem der Verfassungsrechtler und Professor der Universität Luxemburg, Luc Heuschling.
Genau der soll nun dem Parlament seine Sicht der Dinge darlegen. Dies sei am Mittwoch in der Präsidentenkonferenz auf Antrag der Grünen entschieden worden, so der CSV-Co-Fraktionsvorsitzende Roth – der sich über die Entwicklung wenig erfreut zeigte: Mittlerweile habe ein großer Teil der Abgeordneten in das Dossier geschaut, womit das Untersuchungsgeheimnis empfindlich gestört worden sei.
„Wir fühlen uns ein bisschen veräppelt“, sagte der CSV-Politiker. Er habe grundsätzlich kein Problem damit, Heuschling in der Chamber reden zu lassen. „Aber ich habe ein Problem damit, dass der Einzige, der eine andere Meinung hat, jetzt eingeladen wird“, sagte Roth.
Das Parlament in der Rolle des Ermittlers
Die Grünen-Abgeordnete Josée Lorsché bestätigte, dass man in der Präsidentenkonferenz den Vorschlag gemacht habe. Nachdem der juristische Dienst des Parlaments die Zuständigkeit des Parlaments bestätigt habe, sei man über die „im Nachhinein“ erfolgte Wortmeldung des Experten Heuschling „hellhörig geworden“. „Wir müssen die vorliegende Prozedur mit vielen Überlegungen begleiten, um die Rechtssicherheit zu wahren“, sagte Lorsché im Gespräch mit dem Tageblatt am Donnerstagmittag. Das sei wichtig, um „das Prinzip der Gewaltenteilung als Grundprinzip der Demokratie zu verteidigen“. Es sei im Übrigen „unverantwortlich“, dass die CSV den Austausch mit dem Experten ablehne. „Das heißt ja nicht, dass wir alles über Bord werfen wollen“, sagte Lorsché. Man wolle „erst mal hören, was der Experte zu sagen hat“.
Mit der Rolle des Parlaments als Quasi-Ermittlungsrichter hadert Lorsché ausdrücklich – schließlich habe das Parlament „schon 1999 und 2012 darauf hingewiesen, dass es eigentlich nicht unsere Aufgabe ist, Gericht zu spielen“. Das sei schon damals „einheitliche Meinung“ gewesen, dass Wege gefunden werden müssten, das Parlament davon zu befreien. Die Aufklärung gehöre im modernen Rechtsstaat in Hände der Justiz. Deshalb habe das Parlament ja auch beschlossen, dass in der neuen Verfassung die jetzt entsprechende Zuständigkeit des Parlaments eliminiert wird. Dass die nun entstehende Unsicherheit den Grünen gelegen käme, weil sie so nicht gegen ihre Parteifreundin vorgehen müssten, wehrte Lorsché ab: „Darum geht es nicht“, behauptete sie. „Wenn eine uralte Verfassung nicht mehr hergibt, müssen wir uns Mittel geben, um uns mit den Fragen der Rechtsstaatlichkeit auseinanderzusetzen“, verteidigte sie die Forderung nach einer Aussprache mit Heuschling.
Mit einem informativen Gespräch hätte auch Yves Cruchten (LSAP) kein Problem – ohne mehr zu wollen: „Wir werden jetzt kein juristisches Gutachten von Herrn Heuschling anfordern, sondern wollen ihn im Chamber-Büro und in der Präsidentenkonferenz einmal anhören“, sagte der LSAPler im Gespräch mit dem Tageblatt. Dass die Juristen der Chamber die Lage viel klarer eingeschätzt haben, sei unproblematisch. „Ich finde es jedenfalls nicht total verkehrt, Professor Heuschling einmal anzuhören. Das bedeutet für mich aber nicht, dass der ganze Prozess damit auf den Kopf gestellt ist.“
Ich war entsetztADR-Abgeordneter
Der ADR-Abgeordnete Fernand Kartheiser sagte zu den neuen Entwicklungen: „Ich war entsetzt. Wir hatten ja eine Prozedur einstimmig angenommen und das war meiner Meinung nach mehr als korrekt, weil wir uns unserer Verantwortung bewusst waren, dass wir jetzt die Staatsanwaltschaft sind. Die Prozedur war eigentlich unangreifbar.“ Die Abstimmung dazu sei laut Kartheiser am 25. April in einer gemeinsamen Sitzung zwischen Präsidentenkonferenz und dem Büro der Chamber gefallen. Doch dann hätten die Grünen das Ganze in Frage gestellt.
Sollte jetzt entschieden werden, dass die Kompetenz dieser Entscheidung doch nicht bei der Chamber liegt, könne „der Anwalt sagen, dass das ein Verfahrensfehler war, weil Menschen das Dossier gesehen haben, die das nicht dürfen“, bemängelte der Abgeordnete. „Das könnte sogar zu einer Annullierung führen oder sonst etwas.“ Er habe das Gefühl gehabt, „als würden die Grünen versuchen, das Ganze zu torpedieren, eine Behinderung der Justiz“. Das wäre „eine Katastrophe für die Luxemburger Politik“, so Kartheiser. Wie es nun weitergehen soll, wisse er nicht. Er sei jedoch der Meinung, „déi gréng“ wollten jetzt „unbedingt“ einen Experten hören, von dem man wisse, dass er sagen werde, die Chamber sei nicht zuständig.
Plötzlicher Richtungswechsel
Auch Myriam Cecchetti von „déi Lénk“ kann den plötzlichen Richtungswechsel nicht nachvollziehen. „Warum fragen wir jetzt noch einen Experten, von dem wir wissen, dass etwas anderes dabei herauskommt als bei denen, die wir schon gehört haben?“, fragte die Abgeordnete gegenüber dem Tageblatt. Es würde nicht schaden, noch eine weitere Meinung zu fragen, sei die Antwort gewesen. Die „cellule scientifique“ der Abgeordnetenkammer und die Generalstaatsanwältin Martine Solovieff haben laut Cecchetti die Gutachten erstellt. Daraufhin habe die Präsidentenkonferenz, mit dem Büro der Chamber, das Dieschbourg-Dossier für die Abgeordneten freigegeben. Natürlich dürfen die Abgeordneten keine Informationen zum Inhalt der Akte preisgeben. „Und es wird eine Resolution angenommen, wo gesagt wird, dass die ‚police judiciaire’ ihre Arbeit machen kann.“
„Wir sollten eigentlich am Mittwoch zusammenkommen, um zu klären, ob das in einer normalen Kammersitzung oder hinter geschlossenen Türen ist – außerdem sollte die Resolution formuliert werden“, sagte Cecchetti. Das sei dann allerdings nicht der Fall gewesen, „weil die Grünen gerne dieses Gutachten des Herrn Heuschling haben wollen“. Dieser Richtungswechsel komme einzig und allein von „déi gréng“. „Die Koalition zieht da mit, weil es eine Koalition ist“, so Cecchetti. Die Abgeordnete von „déi Lénk“ verstehe diesen Schritt nicht. Obwohl ihre Partei keine Schlammschlacht wolle, sei eines klar: „Etwas ist nicht richtig verlaufen – und das muss nicht die Ministerin gewesen sein, das könnten auch Beamte gewesen sein“, sagte Cecchetti. „Wenn seine Leute sagen, du kannst das hier unterschreiben, das ist alles richtig, dann unterschreibt man das.“
Der DP-Abgeordnete Gilles Baum schrieb auf Tageblatt-Nachfrage, es könne „nicht falsch sein, sich das Gutachten dieses Mannes anzuhören“. Mehr sei dazu nicht zu sagen.
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Was sagt denn die neue Verfassung zu solch einem Fall?
Wenn er nichts sagt, dann muss da wohl noch mal dran gearbeitet werden.
Auf wenn mal ein Trump gewählt wird muss es Mittel geben.