LuxemburgDieschbourg-Akte liegt dem Parlament zur Einsicht vor – So geht es jetzt weiter

Luxemburg / Dieschbourg-Akte liegt dem Parlament zur Einsicht vor – So geht es jetzt weiter
Die Akte zum Fall Dieschbourg liegt mittlerweile dem Luxemburger Parlament vor und kann dort von den Abgeordneten eingesehen werden Symbolfoto: Editpress/Didier Sylvestre

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Laut Chamber-Präsident Fernand Etgen kann die Akte der Staatsanwaltschaft zur „Gaardenhaischen“-Affäre seit Dienstag von den Parlamentariern eingesehen werden. Das Tageblatt hat bei den Abgeordneten nachgefragt: Wie sehen die nächsten Schritte im Fall Dieschbourg aus? 

Die Nachricht kam am Freitag vor einer Woche – die Luxemburger Staatsanwaltschaft hat dem Parlament die Akte zur sogenannten „Gaardenhaischen“-Affäre weitergeleitet (das Tageblatt berichtete). Kurze Zeit später legte Umweltministerin Carole Dieschbourg („déi gréng“) ihr Amt nieder. Seit vergangenem Dienstag kann die Ermittlungsakte auch von den Abgeordneten eingesehen werden, bestätigt Parlamentspräsident Fernand Etgen (DP) am Freitag auf Tageblatt-Anfrage. Ob sich die Deputierten tatsächlich des Dossiers annehmen können, dürfen oder sollen, war anfangs nicht klar – zuerst musste der juristische Dienst des Parlaments analysieren, ob die Chamber nach dem Rücktritt Dieschbourgs zuständig ist. Am Montag entschied dann die Präsidentenkonferenz der Kammer. Etgen: „Alle können im Saal 3 der Präsidentenkonferenz die Akte einsehen.“

Die Politiker dürfen während der Akteneinsicht laut Etgen keine Fotos oder Kopien von dem Schriftstück machen, Notizen seien hingegen erlaubt. Der Abgeordnete Michel Wolter (CSV) erklärt gegenüber dem Tageblatt, dass in dem Raum drei Exemplare des Dossiers zur Verfügung stünden. „Die Akte hat bestimmt 400 bis 500 Seiten“, sagt Wolter. „Ich gehe mal davon aus, dass wir jetzt auch genug Zeit haben, uns damit zu befassen.“ Außerdem sei immer ein „Aufpasser“ anwesend, während man Einsicht in die Akte bekommt. Die Abgeordneten seien hinsichtlich des Dossiers darüber aufgeklärt worden, dass die dort erlangten Informationen derzeit nicht für die Öffentlichkeit bestimmt seien.

Laurent Scheeck, Generalsekretär der Chamber, erklärt im Gespräch mit dem Tageblatt, dass sich die Abgeordneten sogar strafbar machen würden, sollten sie Informationen aus dem Dossier an die Öffentlichkeit verbreiten. Sie würden damit gegen das „Untersuchungsgeheimnis verstoßen“. Scheeck habe deshalb eine Nachricht (siehe Infobox) an die Abgeordneten herausgeschickt, damit sie über diesen Hintergrund Bescheid wissen. „In dem Moment, als klar war, dass die Abgeordneten die Ermittlungsakte einsehen können, habe ich diese Mail rausgeschickt“, sagt Scheeck. „Es wäre in jeder Hinsicht sehr schadhaft für das Parlament und die Prozedur, wenn Informationen nach draußen gelangen.“

Laurent Scheecks E-Mail an die Abgeordneten

„Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten,

im Hinblick auf das Interesse der Presse an der Akte, die der Kammer durch den Fall „Gaardenhaischen“ übergeben wurde, möchte ich betonen
– dass alle Abgeordneten in diesem Zusammenhang an das Untersuchungsgeheimnis gebunden sind,
– dass jede Person, die möglicherweise eine Straftat begangen hat, bis zum gesetzlichen Nachweis ihrer Schuld als unschuldig gilt (und dass diese Rolle nicht der Kammer obliegt),
– dass keine persönlichen Daten, die in der genannten Akte enthalten sind, weitergegeben werden dürfen.

Mit freundlichen Grüßen
Laurent Scheeck“

(Anmerkung der Redaktion: Die E-Mail wurde für den Artikel aus dem Französischen ins Deutsche übersetzt)

Das weitere Vorgehen in dem Fall ist alles andere als Routine für die Chamber-Mitglieder. „Das ist ja eine komische Prozedur, in der wir jetzt stecken, die auf sehr alten Regelungen beruht“, sagt Scheeck. Deshalb bekommen die Abgeordneten laut dem Generalsekretär auch Unterstützung: „Da wir ja im Parlament keine Strafrechtler als Berater haben, werden wir sicherlich einen entsprechenden Anwalt an die Seite nehmen – aber nur, um uns rund um das Prozedurale zu beraten und nicht, um das Dossier zu analysieren.“ Dabei gehe es einerseits um den strafrechtlichen Weg, aber auch um menschenrechtliche Belange. 

Der Abgeordnete Sven Clement (Piratenpartei) erklärt gegenüber dem Tageblatt, dass man in der Chamber gerade zu klären versuche, wie mit der Akte weiter vorgegangen werden solle. Man sei sich in der Abgeordnetenkammer „einstimmig“ einig, dass Dieschbourg von der Kriminalpolizei zu dem „Gaardenhaischen“-Fall gehört werden soll, wie sie es sich auch in ihrem offiziellen Statement zu der Weitergabe der Akte an die Chamber selbst gewünscht hatte. „Es kann sein, dass es reicht, dass der Chamber-Präsident einen Brief an die Kriminalpolizei schickt, oder es kann sein, dass wir dazu eine Resolution brauchen“, sagt Clement. Er selbst habe die Dieschbourg-Akte auch schon eingesehen. Wenn die Kriminalpolizei die Ex-Umweltministerin angehört habe, wolle man sich im Parlament den zugehörigen Polizeibericht vornehmen und dann sehen, wie es weitergehen soll. Die Chamber sei in diesem seltenen Vorgang „gleichzeitig Staatsanwaltschaft und Untersuchungsrichter“, so Clement. Es gelte jedoch – wie in jedem „normalen“ Fall auch – die Unschuldsvermutung.

Parlamentspräsident Fernand Etgen (links) und Chamber-Generalsekretär Laurent Scheeck bei einer Sitzung im März
Parlamentspräsident Fernand Etgen (links) und Chamber-Generalsekretär Laurent Scheeck bei einer Sitzung im März Foto: Editpress/Julien Garroy

Generalsekretär Scheeck erklärt, dass die Chamber letztlich die Entscheidung darüber treffen müsse, ob Dieschbourg offiziell angeklagt wird oder nicht. „Alles, was das Parlament entscheiden muss: Sieht es genug Indizien, um eine Anklage zu rechtfertigen?“, präzisiert er. „Wenn es das verneint, ist alles vorbei.“ Denn bei einer (Ex-)Ministerin könne ausschließlich die Chamber und nicht die Staatsanwaltschaft eine Klage auf den Weg bringen, wie auch die Staatsanwaltschaft in ihrer Mitteilung vor rund einer Woche bereits schrieb. Konkret gehe die Anklageerhebung dann letztlich über eine Parlamentsabstimmung, die per einfacher Mehrheit entscheidet, so Scheeck.

Vor diesem Hintergrund stelle sich allerdings auch noch die Frage, welches Gericht zuständig sei. „Laut Artikel 116 der Verfassung wäre es die ‚Court supérieure de justice‘“, sagt Scheeck. „Aber vielleicht gibt es auch andere Möglichkeiten, um die Berufungsmöglichkeiten zu maximieren“ – weil das Verfahren sonst schon bei der höchsten Instanz losgehen würde, so der Generalsekretär. Im Falle einer Verurteilung könnte sich die Person zum Beispiel an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wenden – darum müsse man sehr vorsichtig sein. „Wir wollen natürlich unbedingt vermeiden, dass die Chamber in zehn Jahren wegen Verletzung der Menschenrechte verurteilt wird“, sagt Scheeck.


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