CoronakriseLuxemburger Kinos hoffen auf ein Happy-End – und suchen nach Alternativen

Coronakrise / Luxemburger Kinos hoffen auf ein Happy-End – und suchen nach Alternativen
Die Another Day: Da sonst schon alles ausfällt, hält die Gemeinde Mamer zumindest die Kinokultur am Leben. Foto: Editpress/Didier Sylvestre

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Im Vergleich zu einigen anderen Branchen haben es die Kinos besonders schwer: Schließlich herrschen in den Filmpalästen Zustände, die auch die Verbreitung des Coronavirus erleichtern. Dennoch hofft man in Luxemburg, bald wieder durchstarten zu können – und sucht aktiv nach Alternativen.

„Was sollen die Leute denn machen? Einen Film schauen?“ Mit diesen Worten hat kürzlich der CEO des Reiseveranstalters TUI illustriert, für wie wichtig er seine Branche hält. Diese leicht geringschätzige Haltung zur siebten Kunst können Filmfans natürlich nicht teilen – und erst recht nicht die Kinobetreiber, auch in Luxemburg: Ihre Branche ist bis jetzt besonders heftig von der Coronakrise betroffen, schließlich mussten die Kinos ausnahmslos den Betrieb einstellen. Und auch in der Zeit der vorsichtigen Rücknahme der Einschränkungen steht sie vor besonderen Herausforderungen, da in Kinos normalerweise viele Dinge passieren, die auch Viren gut finden.

Doch der Wille ist da – und mit ihm die Zuversicht, entsprechende Wege zu finden. Das erklärt etwa Christophe Eyssartier, Manager von Kinepolis Luxemburg. Auch wenn deren drei Kinos mit ihren 22 Sälen (in Belval, auf dem Kirchberg und auf dem Limpertsberg) derzeit im Dunkeln liegen und die meisten der 60 Angestellten derzeit unbeschäftigt sind, herrsche keineswegs völliger Stillstand:

„Wir warten nicht einfach ab, sondern bereiten uns aktiv auf die Wiedereröffnung vor“, versichert Eyssartier gegenüber dem Tageblatt. „Wir tun alles, um die Sicherheit unserer Angestellten und der Gäste zu gewährleisten, wenn wir wieder öffnen.“

Dabei weiß der Kinepolis-Chef nicht wirklich, wann er wieder die Türen öffnen kann – betont aber seine Geduld: „Wir werden die Richtlinien der Regierung befolgen.“ Dass die Wiedereröffnung dann in eine ohnehin schwierige Zeit für die Kinos falle, verneint er aber – denn auch der Sommer sei oft eine gute Zeit für Filme: „Dann laufen viele interessante Titel an und viele Leute haben Ferien.“ Und so ist Eyssartiers Sicht auch ganz gegensätzlich zu der eines TUI-Chefs: „Die Leute werden sicherlich weniger reisen können – und da ist das Kino eine gute Alternative!“

Ob Kinepolis aber auch Versuche unternehmen wird, außerhalb der Filmsäle zu gehen, wisse er noch nicht: „Wir schauen uns das derzeit an, aber ich kann da noch nichts zu sagen.“

Rückkehr des Autokinos

Da sind so einige Mitbewerber schon weiter – vor allem die, die bereits regelmäßig Sonderformen wie Open-Air-Kinos veranstaltet haben. In Corona-Zeiten besonders geeignet erscheint natürlich das Autokino, das folgerichtig derzeit einen kleinen Boom erlebt.

In Echternach startet das Cine Sura demnächst zum zehnten Mal ein entsprechendes Programm (das Tageblatt berichtete). Vom 28. Mai bis mindestens zum 13. Juni wird dabei der Filmgenuss so gestaltet, dass die Besucher praktisch keinen Kontakt untereinander oder mit dem Personal haben: So werden etwa die online vorbestellten Tickets durch das Autofenster gescannt. Auch Snacks müssen im Vorfeld gebucht werden – und zur Toilette können auch immer nur zwei Besucher gleichzeitig gehen. Und wenn die Nacht noch so lauschig wird, müssen die Autos trotzdem streng isolierend wirken: „Autoscheiben, hinter denen Insassen sitzen, dürfen nur ein paar Zentimeter geöffnet werden“, stellen die Veranstalter auf ihrer Website klar. Zwei Besucher pro Auto sind erlaubt – und mit ihnen bis zu zwei Kinder. Auf dem Programm stehen beispielsweise der aktuelle Actionkracher „Bad Boys 3“ oder die Anarcho-Komödie „Die Känguru-Chroniken“.

Auch in Mamer nimmt dieser Tage ein Autokino seinen Betrieb auf – nachdem die Gemeinde einen Ersatz gesucht hat für die vielen Veranstaltungen, die wegen Corona nicht stattfinden können. In Zusammenarbeit mit den Caramba-Kinos, die eigentlich Säle in Rümelingen und Bad Mondorf bespielen, wurde auf dem Parkplatz eines Baumarktes einiger Aufwand betrieben, auf den Francis Verquin, Sprecher der Gemeinde, hörbar stolz ist: „Es wurden 38 Tonnen Beton herangeschafft, um die 15 mal 6 Meter große Leinwand bis zu Windstärke 12 zu sichern.“ Dabei handelt es sich gar nicht um eine klassische Leinwand, sondern um ein hochmodernes LED-Display. „Dadurch haben wir auch ein klar sichtbares Bild, wenn die Tage immer länger werden.“ Im Klartext: Auch lange vor Sonnenuntergang können Filme gezeigt werden. Zum Beispiel für Kinder gibt es so ein Seherlebnis wie auf dem heimischen Fernseher – nur eben auf beinahe 100 Quadratmeter vergrößert. Bis zu 120 Autos können davor aufgereiht werden. Der Ton wird per UKW übertragen und kann also aus dem Autoradio abgespielt werden. Vom 14. Mai bis mindestens 5. Juli soll der Betrieb gehen. Jede Woche gibt es ein neues Programm – das jetzt noch nicht feststeht: „Wir sind da ja auch noch in einem Lernprozess“, sagt der Projekt-Initiator Verquin. „Darum schauen wir mal, was besonders gut funktioniert und in welcher Sprache.“ Los geht es mit der aktuellen Gaunerkomödie „The Gentlemen“ auf Englisch mit französischen Untertiteln. Später stehen etwa der zweite Teil des unverwüstlichen Disney-Klassikers „Die Eiskönigin“ auf dem Programm und auch die neue Version von „König der Löwen“.

Damit setzt man auf einen bewährten Zuschauermagneten: Die Pseudo-Realverfilmung war 2019 der erfolgreichste Film in Luxemburg: 2.155 Mal wurde er gezeigt, wofür 73.895 Tickets verkauft wurden. Damit hat allein dieser Film den Luxemburger Kinos einen Umsatz von 719.337 Euro beschert – ein echter Löwenanteil an den insgesamt 10,3 Millionen Euro Umsatz.

Totgesagte leben länger in Belval

Das Autokino, das die Gemeinde Sassenheim vom 31. Juli bis 5. August in Belval veranstaltet, wurde nicht erst wegen Corona ersonnen, sondern hat schon mehrfach stattgefunden – und war schon fast ebenso oft  totgesagt: „Auf dem Standort soll eigentlich gebaut werden“, erklärt der Sprecher Cliff Schmit. „Darum hieß es schon mehrmals, dieses Autokino sei das letzte. Tatsächlich könnte es dieses Mal aber wirklich so sein.“ Immerhin fällt der letzte Lauf der Veranstaltung aber doppelt so groß aus wie sonst: Denn wegen der Corona-Krise wurde beschlossen, sechs statt drei Tage lang Kino zu machen. Jeden Abend wird ein Film gezeigt, wobei das Programm noch nicht feststeht. „Wir planen das in Kooperation mit Kinepolis und sehen erst mal, was die anderen Kinos so zeigen und welche Filme noch auf den Markt kommen“, sagt Schmit. Sicherlich werde es sich wieder um Mainstream-Filme handeln: Mit schweren Stoffen und Programmkino, die es schon im Normalbetrieb schwer haben, braucht man im Autokino erst gar nicht anzufangen. Eine Extravaganz gibt es aber: „Es gibt auch dieses Jahr wieder einen Retroabend, wo man in Autos, deren Anmeldung mehr als 25 Jahre her ist, Rabatt bekommt – und da wird auch ein passender Film gezeigt werden.“

Das Düdelinger Kulturzentrum CNA („Centre national de l’audiovisuel“) plant ebenfalls ein Autokino, um wenigstens etwas von dem aufzufangen, was normalerweise in zwei Sälen mit 144 und 50 Plätzen geboten wird: Mit Neuerscheinungen, aber auch Themenabenden und Sondervorführungen ist das Haus üblicherweise um die besondere Förderung nicht nur des nationalen Filmerbes bemüht. Das Autokino soll in Kooperation mit der Gemeindeverwaltung auf die Beine gestellt werden. Der Start ist für Anfang Juni geplant – „aber es ist noch nichts bestätigt“, erklärt Anne-Laure Letellier auf Nachfrage. Allerdings biete man schon längst Filmgenuss abseits des CNA-Gebäudes an, nämlich über die Online-Videothek „kanopy“: Aus einem Katalog engagierter Spielfilme und Dokumentationen kann jeder angemeldete Nutzer fünf Filme pro Monat streamen – kostenlos.

Mit Plexiglas gegen Corona

Ansonsten bereite man sich auf die Wiedereröffnung vor: „Natürlich mit Genehmigung der Regierung und unter Berücksichtigung der empfohlenen Schutzmaßnahmen für Mitarbeiter und Gäste.“ Erste Schritte seien getan, etwa der Einbau einer speziellen Plexiglas-Schutzwand. Ansonsten blickt man nach vorne, um als Verbundkino des CDAC wieder zu öffnen. Im „Centre de diffusion et d’animation cinématographique“ sind acht Kinos organisiert.

Pit Marmann vom CDAC ist überzeugt, dass das Kino weiterhin gefragt sein wird – allerdings machen ihm die kommenden Zeiten durchaus Sorgen: „Wir werden ja wohl noch einige Zeit mit dem Virus leben müssen, was bedeutet, dass wir viele Sachen verändern müssen, etwa hinsichtlich der Abstände und der Hygiene. Das wird sich natürlich auf die Zahl der möglichen Gäste und Vorführungen auswirken.“ Außerdem sei man natürlich sehr stark vom Markt der Neuerscheinungen abhängig, vor allem dem amerikanischen. Da sind nicht nur viele Filme vor der geplanten Veröffentlichung zurückgezogen worden, beispielsweise das neueste James-Bond-Spektakel, sondern auch viel Dreharbeiten ruhen derzeit. Sogar die theoretisch leichter leistbare Nachbearbeitung vieler Filme, also etwa der Schnitt und die Synchronisierung, liegen derzeit oft auf Eis. So könnte der Nachschub an neuen Titeln mittelfristig stark zurückgehen.

Ein weiteres Mitglied des CDAC ist der „Kulturhuef“ in Grevenmacher, wo neben Museum und Bistro auch ein Kino mit 78 Sitzplätzen betrieben wird – ganz überwiegend im Ehrenamt. 2019 lockte man noch 8.127 Besucher an. Diese Zahl wird 2020 sicherlich nicht mehr erreicht. Alternative Vorführ-Formen sind nicht vorgesehen. Zwar war für das Wochenende 11./12. Juli ein „Moonlight Cinema“ an der frischen Luft geplant – doch das erfüllt nicht die Erfordernisse der Corona-Ära, was die komplette Streichung bedeutete. So etwas wie ein Autokino ist nicht geplant. Dafür ist auch in Grevenmacher bereits ein Plexiglas-Schutz an der Kasse installiert – durch den man nun ebenfalls optimistisch nach vorne blickt: Über den Verbund habe man einen guten Kontakt zum Kulturminsiterium. „Wir fühlen unsere Interessen gut vertreten“, versichert Monika Jakobs vom Kulturhuef.

Das Le Paris in Bettemburg (ein Saal, 170 Plätze) gibt es schon seit 1956. Seit 1978 wird auch dieses Kino im Verein geführt, der derzeit etwa ein Dutzend Mitglieder hat. Vergangenes Jahr konnte man 4.667 Zuschauer begrüßen. „Zu unseren besten Zeiten waren es aber mal fast 12.000“, sagt Sekretär Reinard Brommer. Allerdings hätten seitdem viele große Mitbewerber doch wieder einen Rückgang bewirkt. Mit Ideen wie einem Autokino beschäftige man sich nicht – obwohl das Le Paris vor Jahren sogar ein Open-Air-Kino veranstaltet hat: „Aber das war noch mit 35-Millimeter-Kopien“, schränkt Brommer ein. Im Digitalzeitalter sind neuere Filme auf solchen Filmrollen aber praktisch nicht mehr im Verleih zu bekommen. Also baut man auch in Bettemburg lieber darauf, unter besonderen Maßnahmen bald wieder durchstarten zu können.

Sitztanz im Autokino

Genauso wie in der Gemeinde Garnich: Die verfügt nämlich mit dem „Kinoler“ seit Ende 2018 über ein kleines, aber feines Kino (das Tageblatt berichtete zum ersten Jubiläum): Mit 46 Plätzen und 36 Lautsprechern für besten „Dolby Atmos“-Sound wird es von engagierten Ehrenamtlern aus dem Verein „Koler Bierger“ betrieben. „Im ersten Betriebsjahr konnten wir mehr als 10.000 Besucher empfangen“, erklärt Gemeindesekretär François Meisch stolz. Da habe es umso mehr geschmerzt, wegen Corona die Türen schließen zu müssen. Ein Autokino oder ähnliches plane man aber nicht. Auch hier: „Wir sehnen die Zeit nach der Krise herbei.“

Auch das „Kinosch“ in der Kulturfabrik in Esch/Alzette muss derzeit pausieren. René Penning, der neue Direktor, erteilt einem Autokino zwar eine Absage – jedoch prüfe man, ob ein Open-Air-Kino im Sommer möglich wird. „Momentan müssen wir natürlich abwarten, wie sich die Rahmenbedingungen entwickeln“, sagt Penning, der seit 1.Mai dem Kulturzentrum alleine vorsteht, in dem das Kino nur einen kleinen Teil des Angebots ausmacht.

Währenddessen nutzt man in Echternach die Möglichkeiten des Autokinos für weitergehende Experimente – und zeigt nicht nur unterhaltsame Filme, sondern probiert auch Formen der Unterhaltung aus, wie sie in der sich anbahnenden Abstandhalter-Kultur für lange Zeit zur Regel werden könnten. So gibt es am 13.6. ein Konzert mit dem Elvis-Imitator Steven Pitman – und eine Woche sogar eine „Autodisco“. Versprochen wird „toller Sound“ und „jede Menge Spaß“. Wie genau der aussehen wird, wenn man den Discoabend isoliert von den anderen Besuchern in seinem Auto sitzend verbringt, wird sich zeigen. Möglich, dass der eine oder andere Besucher doch meint, dass er im falschen Film ist.