ItalienFlüchtlingsbürgemeister Domenico „Mimmo“ Lucano zu langer Haft verurteilt

Italien / Flüchtlingsbürgemeister Domenico „Mimmo“ Lucano zu langer Haft verurteilt
Der ehemalige Bürgermeister der kalabrischen Stadt Riace, Domenico Lucano, auf einem Bild aus dem Jahr 2018  Foto: Cesare Abbate/ANSA via AP/dpa

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Domenico „Mimmo“ Lucano wurde von einem Gericht in Locri zu einer Haftstrafe von elf Jahren und zwei Monaten verurteilt. Der frühere Bürgermeister von Riace, bekannt durch seine großherzige Flüchtlingsaufnahme, soll staatliche und EU-Mittel veruntreut sowie in Form einer kriminellen Vereinigung gegen die Einwanderungsbestimmungen verstoßen haben, so das Gericht. Demokraten und Linke erklären das Urteil für politisch motiviert, es passe in die angespannte politische Landschaft vor den bevorstehenden Kommunalwahlen.

Er sei „entsetzt über das Urteil“, erklärte Mimmo Lucano, Ex-Bürgermeister von Riace, nach dem Spruch der Strafkammer des Gerichts von Locri (Kalabrien). Mit dem Verhängen von elf Jahren und zwei Monaten Haft war das Gericht fünf Jahre über das von der Staatsanwaltschaft geforderte Urteil hinausgegangen. Der Angeklagte habe sich der Beihilfe zu illegaler Migration, des Betrugs, der Veruntreuung, des Amtsmissbrauchs und der Bildung einer kriminellen Vereinigung schuldig gemacht, so die Richter.

Das Urteil geht zurück auf das migrantenfeindliche Bossi-Fini-Gesetz aus dem Jahr 2002: Damals hatten die Lega-Politiker ein Gesetz erlassen, das die illegale Einwanderung und Beihilfe dazu unter schwere Strafe stellte. Bereits im Oktober 2018 wurde Lucano nach Betreiben des damaligen Innenministers und Lega-Chefs Matteo Salvini unter Hausarrest gestellt. Der wurde zwar von einer Appellationsinstanz aufgehoben, die Anklage indes blieb und führte zum jetzigen Urteil.

Signal für politische Atmosphäre

Der sozialdemokratische Partito democratico sowie die Linkspartei Freie und Gleiche (LeU) verurteilten den Richterspruch als politisch motiviert. PD-Chef Enrico Letta nannte das Urteil „abnormal und unverhältnismäßig“, Ex-Premier Giuseppe Conte sprach von einem „sehr harten Gerichtsentscheid“. In seiner Amtszeit hatte Lucano von 2004 bis 2018 sich für eine konsequente Aufnahmepolitik von Flüchtlingen engagiert, 450 Asylsuchende wurden in die Gemeinde Riace integriert, der Ort so vor dem Aussterben bewahrt. Dafür erhielt Mimmo Lucano auch international Anerkennung, so den Dresdner Friedenspreis 2017. Doch unter dem Druck des Lega-Innenministers Salvini wurde das „Projekt Riace“ beendet und die Flüchtlinge auf Lager in Italien verteilt.

Während die Lega über das jetzt ergangene Urteil triumphiert, erklärten NGOs wie Seawatch und Amnesty International, es widerspreche „jeglicher Willkommenskultur Italiens“ und sei das völlig falsche Signal an Flüchtlinge und die Menschen, die Hilfebedürftigen eine Hand reichten.

Beobachter der politischen Lage im Lande vermerken, dass der Richterspruch in die aufgeheizte Atmosphäre vor den bevorstehenden Kommunalwahlen passe. Allgemein ist ein starker Trend nach rechts zu verzeichnen, vor allem die postfaschistische Partei Fratelli d’Italia um Giorgia Meloni schickt sich an, die Lega rechts zu überholen und stärkste politische Kraft im Lande zu werden. Da passt es ins Bild, wenn Mimmo Lucano, der in Kalabrien für eine linke Liste kandidiert, mit einem solchen Gerichtsurteil konfrontiert wird.

Kommunalwahlen Signal an Rom

Am 3. und 4. Oktober ist das Wahlvolk in etlichen Gemeinden Italiens zu den Urnen gerufen, um ihre Stadtverwaltungen zu erneuern. Vor allem die im Parlament noch als Mehrheit existierende Fünf-Sterne-Bewegung muss in Metropolen wie Rom und Turin um die Bürgermeisterposten fürchten. Hatte vor fünf Jahren die M5S-Juristin Virginia Raggi den Posten des hauptstädtischen Oberbürgermeisters noch mit 67 Prozent deutlich gewonnen, so liegt ihre Zustimmung heute nur noch um die 17 Prozent – der Kommunalverwaltung war es nicht gelungen, dringendste Probleme Roms – Müll, Verkehr, Infrastruktur – auch nur annähernd zu lösen. In der Hauptstadt liegt nach Umfragen bislang der Mitte-links-Kandidat, der frühere Finanzminister Roberto Gualtieri, mit etwa 30 Prozent vorn.

Spannend wird auch der Wahlausgang in Turin und Mailand: Sollten sich hier die Kandidaten der FDI vor denen der Lega durchsetzen, dürfte das eine herbe Schlappe für Salvini bedeuten. In jedem Falle kann damit gerechnet werden, dass die Kandidaten der einst aufmüpfigen Sternebewegung nicht mehr zu den Favoriten der Wähler zählen.

Ein Trend zu rechts könnte ein adäquates Pendant zum ergangenen Urteil gegen den früheren Bürgermeister von Riace sein. Indes: Mimmo Lucano hat bereits Einspruch gegen das Urteil eingelegt. Er und seine Anwälte erhoffen vom Appellationsgericht, dass die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und so die Reputation sowohl Lucanos als auch des „Projekts Riace“ wiederhergestellt wird.

Klod
2. Oktober 2021 - 11.58

Da muesste unser jang aus stengefort dem italienischen kollegen aber sofort asyl anbieten