Eine poetische Montage zum Schluss

Eine poetische Montage zum Schluss
(Tageblatt)

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Mit dem radiophonischen Monodrama "Grenzfrequenz – ein Flaneursdelikt" von Nico Helminger und Martin Engler endet am Samstagabend im Grand Théâtre die zweite Auflage des Monodrama-Festivals.

Der letzte Beitrag ähnelt einem Experiment, bis zum Ende der Aufführung wird nicht genau klar sein, was denn nun alles auf der Bühne passieren wird. Dass dahinter dennoch ein ausgeklügeltes Konzept steckt, hat Nico Helminger, Mitautor des Stückes, erzählt.

Nico Helminger (Tageblatt/Isabella Finzi)

Wie ist es dazu gekommen, dass Sie gemeinsam mit Martin Engler ein Stück auf dem Monodrama-Festival zeigen?

Nico Helminger: „Ich kannte Martin Engler bereits als Schauspieler, aber persönlich kennengelernt habe ich ihn durch unsere Zusammenarbeit für ’Pegel der Gerechtigkeit’, das im letzten Dezember in der Kulturfabrik und im Februar auch in Niederanven aufgeführt wurde. Pegel der Gerechtigkeit hatte ich ursprünglich auch als Hörspiel geschrieben, aus dem dann eine sehr schöne Theaterarbeit geworden ist. Martin Engler hat früher schon sehr viele Hörspiele gemacht, auch als Regisseur. Als wir dann nach den Proben zu ’Pegel der Gerechtigkeit’ zusammensaßen und merkten, dass wir uns gut verstehen und ähnliche künstlerische Vorstellungen haben, hatte er dann auch die Idee, im Rahmen des Monodrama-Festivals ein Hörspiel live auf die Bühne zu bringen.“

Ein radiophones Monodrama. Was soll man sich darunter genau vorstellen?

„Es handelt sich um eine Art poetische Montage. Mit zwei Musikern auf der Bühne und mit Steve Karier als Schauspieler. Das Stück handelt von einem Flaneur. Wir haben die Figur neu aufgegriffen und als subjektiven Wandler von heute dargestellt, der an sich schon Kritik übt an der geschäftigen Welt, die immer funktionieren muss. Das Flanieren ist ja fast schon ein kritischer Akt an sich. Aufgearbeitet habe ich dies dann mit Stimmen von außen, die die Tätigkeit des Flaneurs kommentieren. Martin zeichnet gerade diese Stimmen auf, denn sie werden von anderen Teilnehmern des Festivals gesprochen. So wird dieser Abend auch gleichzeitig ein Rückblick auf das Festival selbst sein, da viele Mitwirkende des Festivals an der Performance teilnehmen, zumindest mit ihren Stimmen und Fotos.“

Kann man da überhaupt noch von einem Monodrama sprechen?

„Es ist schon ein Monodrama, schließlich steht eine Figur im Mittelpunkt, die ihre Geschichte erzählt. Die Stimmen von außen beschreiben und kommentieren die Geschichte des Flaneurs und wirken dadurch auf sein Drama, sein Leben und seine Existenz ein.“

Was ist denn die Geschichte des Flaneurs?

„Das zweite Leitmotiv, neben dem Flaneur, ist ein Erlebnis, mit dem Martin Engler sich sehr stark beschäftigt hat. Sein Vater wurde von einem Blitz getroffen und hatte eine Art Nahtoterlebnis. Damit fängt das Stück an, diesen Anfang, ebenso wie den Schluss, hat Martin Engler selbst geschrieben. Ich greife dieses Ereignis, das die Figur auch persönlicher macht, auf und verbinde damit Überlegungen über das Sein und über die Grenze zwischen Leben und Tod. Dadurch kommt die existenzielle Seite des Flaneurs stärker zum Vorschein. Denn im ersten Augenblick, wenn er ins Leben zurückfindet, fühlt er sich ganz mickrig, beinahe wie eine Marionette. Beide Leitmotive, der Flaneur, sowie das Nahtoterlebnis, kommen in dem Text immer wieder vor. Das erlaubt auch der Regie, den Text anders zusammenzusetzen, als ich ihn ursprünglich geschrieben habe.“

Sie als Autor schreiben und schreiben und Martin Engler als Regisseur macht dann damit, was er will?

„Das gehört ja zur Theaterarbeit. Und wenn etwas Neues und Überzeugendes dabei herauskommt, ist das auch gut so. Bei Martin Engler habe ich vollstes Vertrauen. Wir verstehen uns gut, er hat gute Ideen und ich habe ja auch gesehen, wie er bei Pegel der Gerechtigkeit gearbeitet hat. Er ist auch jetzt gerade fleißig am Arbeiten. Schließlich handelt es sich bei dem Stück um ein ’work in progress’. Interessant dürfte dabei auch sein, dass der Zuschauer live die Entstehung eines Hörspiels erlebt: Was üblicherweise in langer Studioarbeit entsteht – das Zusammenstellen der verschiedenen Pisten, die Mikrofoneinstellungen für den Schauspieler, die eigentliche ‚Komposition‘ – geschieht hier ‚en direct‘.

Sie wissen also nicht, was den Zuschauer am Samstag erwartet?

„Der Text lässt zwar Platz für Improvisationen, steht aber. Die Leitmotive sind klar und wir arbeiten auch mit einem klaren Konzept. Aber das Konzept ist ja gerade, dass bis zum Ende Veränderungen möglich sind. Ein Teil bleibt Improvisation und spontane Performance. Und genau das ist spannend, für alle Beteiligten!“