275 Anträge im JuliWie viele Ukraine-Geflüchtete noch nach Luxemburg kommen und wie es ihnen hier geht

275 Anträge im Juli / Wie viele Ukraine-Geflüchtete noch nach Luxemburg kommen und wie es ihnen hier geht
Im Juli haben 275 Menschen aus der Ukraine wegen des Kriegs einen Antrag auf temporären Schutz in Luxemburg gestellt Symbolfoto: Editpress-Archiv/Julien Garroy

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Während in den ersten vier Wochen, nachdem Russland die Ukraine angegriffen hatte, rund 4.000 Menschen in Luxemburg Schutz suchten, sind es mittlerweile weniger Geflüchtete geworden – doch es gibt sie noch. Das Tageblatt hat beim Außenministerium nach der aktuellen Zahl der Anträge gefragt und mit dem Präsidenten der Vereinigung „LUkraine“ über die Situation der Schutzsuchenden im Land gesprochen.

Ein knappes halbes Jahr dauert der Krieg Russlands gegen die Ukraine mittlerweile. Eine kurze Suche in den Tageblatt-Artikeln von vor etwa fünf Monaten zeigt: Allein im ersten Monat nach dem militärischen Angriff mussten etwa zehn Millionen Menschen die Ukraine verlassen, um in anderen Ländern Schutz zu suchen. Bei 90 Prozent davon handelte es sich um Frauen und Kinder. 4.000 dieser insgesamt zehn Millionen Geflüchtete kamen damals in den ersten vier Wochen im Großherzogtum an und stellten einen Antrag auf temporären Schutz. Mittlerweile sind es weniger Anträge geworden, doch nach wie vor kommen Menschen aus der Ukraine nach Luxemburg, um dort zumindest vorübergehend zu bleiben.

Auf Tageblatt-Nachfrage teilt Luxemburgs Außenministerium mit, dass es im Juli 275 Anträge auf temporären Schutz im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine gegeben habe. 174 davon wurden bewilligt. Mit Stand vom 30. Juni haben laut dem Ministerium 4.338 Menschen seit Beginn des Krieges einen Antrag auf temporären Schutz in Luxemburg gestellt. Dass die Zahl nach den ersten vier Wochen des Krieges wieder deutlich zurückging, könne laut dem Außenministerium neben einem Abflachen der Anfragenwelle auch noch an etwas anderem liegen: „Der Rückgang der Zahlen erklärt sich durch eine Reihe von doppelt eingegangenen Formularen, die beim Einreichen nicht erkannt werden konnten.“ Gemeint ist damit eine Tabelle des Ministeriums, die die Gesamtzahl der Anträge auf vorübergehenden Schutz in Luxemburg darstellt.

Dopplungen bei Formularen und Rücktritte von Anträgen

Von März bis Juni sind dort demnach 5.984 Formulare eingereicht worden, insgesamt belaufe sich die Zahl jedoch auf die besagten 4.338 Anträge. Die Differenz sei jedoch nicht ausschließlich auf Doppelungen zurückzuführen – 435 Fälle fielen in die Kategorie „Abandons“. Dazu erklärt das Ministerium: „Die Spalte ‚Abandons’ umfasst Personen, die aus verschiedenen Gründen keinen Antrag mehr auf vorübergehenden Schutz in Luxemburg stellen wollen.“

Ein Sprecher des Ministeriums berichtet: „Stand 5. August 2022 sind 1.071 Personen, die aus der Ukraine geflüchtet sind, in den 17 Unterkunftsstrukturen des nationalen Aufnahmeamts (ONA) für aus der Ukraine geflüchtete Personen untergebracht.“ Die Gesamtkapazität dieser 17 Unterkunftsstrukturen liege bei 2.168 Betten, erklärt er weiter. Eines dieser Aufnahmezentren befindet sich auf dem Kirchberg: „Hier kommen die Personen, die aus der Ukraine geflüchtet sind, an“, so der Ministeriumssprecher. „Außerdem werden hier Personen […] aufgenommen, die vorher schon privat untergekommen waren, jedoch nicht mehr dort bleiben konnten.“ Darüber hinaus gebe es vier Notfallunterkünfte. Dort seien Ukraine-Geflüchtete untergebracht, solange sie auf eine Entscheidung der Einwanderungsbehörde bezüglich ihres Status warten oder bis sie in einer Unterkunft für temporären Schutz unterkommen. Diese seien wiederum dafür gedacht, „Personen mit temporärem Schutzstatus“ langfristig unterzubringen, erklärt der Sprecher.

Warten auf die Rückkehr ins eigene Zuhause

Nicolas Zharov, Präsident der gemeinnützigen Vereinigung „LUkraine“, hat dem Tageblatt erklärt, wie die Situation der Geflüchteten in Luxemburg derzeit aussieht
Nicolas Zharov, Präsident der gemeinnützigen Vereinigung „LUkraine“, hat dem Tageblatt erklärt, wie die Situation der Geflüchteten in Luxemburg derzeit aussieht Foto: Editpress-Archiv/Hervé Montaigu

Manche Ukrainer bleiben auch nicht in Luxemburg, sondern suchen doch in einem anderen Land Schutz – oder kehren sogar zurück in ihr Heimatland. Nicolas Zharov, Präsident der gemeinnützigen Vereinigung „LUkraine“ für Ukrainer in Luxemburg, schätzt die Zahl der Rückkehrer auf etwa 10 Prozent der Geflüchteten. Der Großteil der Ukrainer warte darauf, wieder zurück nach Hause zu können – jedoch gebe es oft das Problem, dass deren Zuhause bei einem Angriff zerstört wurde oder sie schlicht nicht wüssten, ob es noch existiert. Auf die Nachfrage, wie es den geflüchteten Ukrainern in Luxemburg derzeit gehe, sagt Zharov: „Es kommt darauf an, wo sie untergekommen sind. In manchen Fällen ist es besser, in manchen schlechter, insgesamt geht es ihnen den Umständen entsprechend mehr oder weniger okay.“ Allerdings gehe es ihnen zumindest besser als es ihnen vermutlich im Kriegsgebiet gehen würde, so der „LUkraine“-Präsident.

Zwei der Hürden, mit denen die geflüchteten Ukrainer derzeit zu kämpfen hätten, sei die Suche nach Jobs und einer eigenen Bleibe. Viele seien noch bei Gastfamilien oder in Unterkünften untergebracht. Während das Unterkommen bei einer Gastfamilie oder in einer staatlichen Flüchtlingsunterkunft keine dauerhafte Lösung sei, seien die Bedingungen in den Unterkünften auch teils nicht optimal. In einer Unterkunft sei beispielsweise vor rund zwei Wochen bei hohen Temperaturen die Klimaanlage ausgefallen, berichtet Zharov.

Schwierigkeiten bei der Job- und Wohnungssuche

Das Problem bei der Jobsuche sei neben der Sprachbarriere jedoch auch, dass viele der Geflüchteten ihre Kinder wegen fehlender Plätze nicht in die Kinderbetreuung geben könnten und daher nur schwer einen Job fänden, der zu ihrer Betreuungssituation passe. Da die Männer aus der Ukraine in vielen Fällen aus militärischen Gründen im Land bleiben mussten, treffe das häufig Familien mit nur einem Elternteil, beziehungsweise vorübergehend alleinerziehende Mütter. „Die Menschen würden alle gerne arbeiten, auch wenn es ein nicht so gut bezahlter Job wäre“, so Zharov. Auch eine Wohnung zu finden, sei für die Menschen aus der Ukraine nicht so einfach. Häufig sei es schwer, einen Mietvertrag zu bekommen – selbst wenn sie sich zum Beispiel bereit erklärten, sechs Monate im Voraus zu zahlen.

Zharov kritisiert, dass die Regierung mit ihren Plänen für den Umgang mit den ukrainischen Geflüchteten – kurz- oder auch langfristig – auf Nachfrage keine Angaben mache, die präzise genug seien. „Die Regierung versucht, ein ungewöhnliches Problem mit gewöhnlichen Methoden zu lösen, das wird das Problem in Zukunft nur verstärken“, sagt der „LUkraine“-Präsident. Dabei könne die Arbeitskraft der Menschen doch eigentlich als mögliche Ressource gesehen und deren Weg in den Job daher besser unterstützt werden, schlägt Zharov vor. Die Vereinigung engagiere sich bereits in verschiedenen Formen und versuche, den Menschen bei ihrer Integration und der Eingewöhnung bei alltäglichen Dingen in Luxemburg zu helfen. Außerdem suche man nach einer nachhaltigen Lösung, mithilfe derer die Menschen nach einem eventuellen Ende des Krieges auf den Wiederaufbau ihres Zuhauses warten könnten, bevor sie wieder dorthin zurückkönnen. Dass die Regierung die Unterstützung der Geflüchteten noch verbessert, hält Zharov allerdings schon noch im Bereich des Möglichen – „wir hoffen darauf, dass sie uns darauf bezogen etwas besser zuhören“, sagt er.

Antrag auf vorübergehenden Schutz

Die Rechtsstellung des vorübergehenden Schutzes ist ein spezieller Schutzmechanismus, der auf europäischer Ebene für Menschen aktiviert wurde, die wegen des Krieges aus der Ukraine geflohen sind. Das ist der entsprechenden Website der Regierung – Guichet.lu – zum Oberthema Einwanderung zu entnehmen. Der Schutz steht demnach Personen zu, die vor dem 24. Februar 2022 in der Ukraine gelebt haben und nach dem 24. Februar 2022 oder kurz davor in Luxemburg angekommen sind. Alle Vertriebenen, die aus der Ukraine nach Luxemburg einreisen, werden laut der Regierung gebeten, sich bei der Einwanderungsbehörde („Direction de l’immigration“) des Außenministeriums zu melden, indem sie ihre Daten anhand eines Formulars übermitteln. Das Formular ist auf Ukrainisch, Russisch, Englisch und Französisch verfügbar.