Datenschutz Uni.lu kippt nun doch Einsatz umstrittener Fernüberwachungstools im Examen

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Das Vorhaben, umstrittene Überwachungstools in der Examenszeit einzusetzen, hat die Politik und die Studentenvereinigung UNEL auf den Plan gerufen Foto: dpa/Daniel Naupold

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Einige Tage vor Beginn der Examenszeit auf der Uni.lu liebäugelt die Universität mit dem Einsatz umstrittener Fernüberwachungsprogramme. Die Studentenvereinigung UNEL legt sich quer und drei Abgeordnete der Opposition äußern Bedenken zum Datenschutz in einer dringenden parlamentarischen Frage. Kurzerhand macht die Uni.lu eine Vollbremsung und kippt das Vorhaben. Ein Bericht.

Ein Student sitzt zu Hause vor seinem Schreibtisch. Darauf steht sein Laptop, ausgestattet mit Mikrofon und Kamera. Das ist heute Standard. Gleich beginnt sein Fern-Examen. Bevor er die Fragen zugeschickt bekommt, muss er sich eine vorgegebene Software, zum Beispiel Proctorio, auf seinem Computer installieren. Diese aktiviert die Kamera und das Mikrofon am Laptop. Zuerst muss der Student das Zimmer, in dem er sein Examen schreiben wird, in einem 360-Grad-Radius abfilmen. Die Software kann während der gesamten Prüfung den Studenten filmen und abhören. Zudem kann das Tool auch auf laufende Anwendungen auf seinem PC zugreifen.

Die Software kann aber noch viel mehr. Sie verfügt über künstliche Intelligenz. Dadurch kann sie das Verhalten des Studenten während der Prüfung analysieren und anhand von Algorithmen feststellen, ob der zu Prüfende ein verdächtiges oder betrügerisches Verhalten an den Tag legt. Hierbei werden Gesten erfasst und die Bewegungen der Augen analysiert.

Dies ist nur ein Beispiel, wie es seit Montag dieser Woche für viele Studenten an der Uni.lu hätte ablaufen können. An jenem Tag hat die Examenszeit begonnen. Einige Tage davor, am 3. Juni, hatte die Uni Luxemburg den Einsatz solcher Tools in Betracht gezogen. Dagegen hatte sich die Luxemburger Studentenvereinigung UNEL („Union nationale des étudiant-e-s du Luxembourg“) gewehrt und ihre Bedenken wegen Datenschutzes in einer Pressemitteilung am Freitag, 5. Juni preisgegeben.

Viele Fragen, kurze Antwort

Auch die drei CSV-Parlamentarier Martine Hansen, Laurent Mosar und Gilles Roth hatten von dem umstrittenen Vorhaben Wind bekommen. Am 2. Juni verfassten die drei Abgeordneten eine dringende parlamentarische Frage an den Minister für Hochschulbildung Claude Meisch (DP) und an den Kommunikations- und Medienminister Xavier Bettel. Auf eineinhalb DIN-A4-Seiten stellten Hansen, Mosar und Roth ihre Bedenken dar.

Der dringende Charakter der parlamentarischen Frage wurde anerkannt und die Antwort erfolgte am 8. Juni. Neben einer allgemeinen Einleitungsfloskel begnügte sich die Antwort allerdings mit lediglich einem einzigen Satz: „En date du 5 juin 2020, le recteur a décidé que pour le moment et jusqu’à clarification de certains aspects liés à la protection des données, l’Université du Luxembourg n’aura pas recours à l’usage du logiciel de télésurveillance à distance, et que la question est ainsi sans objet.“

Rektor Stéphane Pallage hat das Vorhaben also auf Eis gelegt. Die Fragen der drei Abgeordneten wurden nicht beantwortet, weil das Vorhaben nicht mehr – oder zumindest noch nicht jetzt – durchgeführt wird. Das ist die Argumentation von Meisch und Bettel. Dass diese Fragen aber für zukünftige Anwendungen von umstrittener Software bei Examen an der Uni für die Studenten relevant sind, wurde offenbar ignoriert.

Umgang mit umstrittener Software

Die drei CSV-Abgeordneten werfen in erster Linie die Frage nach dem Prinzip an sich der Fernüberwachung („télésurveillance“) in universitären Kreisen auf. Dies wiederum würde Fragen zum Vorhaben der Uni.lu in Bezug auf die Organisationsmodalitäten dieser Überwachung aufwerfen.

Es folgen weitere Fragen: Wusste die Regierung von dem Vorhaben der Uni.lu? Wurden die Überlegungen erfolgreich zu Ende geführt? Auf welche Software möchte die Uni.lu zurückgreifen? Waren die Verantwortlichen der Universität in Kontakt mit den zuständigen Regierungsinstitutionen, um alternative Lösungen zu erörtern, zu denen auch jene der physischen Präsenz des Studenten unter den geltenden Sicherheitsbestimmungen zählt? Wurde die Nationale Datenschutzkommission CNPD eng in den Prozess einer Einführung der Fernüberwachung einbezogen, da sich zahlreiche Fragen in Bezug auf den Datenschutz auftun? Wird die europäische Regelung über den Datenschutz in allen Aspekten eingehalten? Kann die Installation einer vorgegebenen Software eine Ausschlussbedingung für die Teilnahme an universitären Prüfungen bedeuten? Auf alle diese Fragen gibt es keine Antwort.

Wir haben kaum Informationen darüber, wie wir mit einer solchen Software umgehen sollten. Und es wäre wichtig, sich die Zeit zu nehmen, um diese Fragen zu beantworten.

Estelle Née, UNEL

Für Estelle Née von der UNEL sind genau diese Fragen aber relevant, da sie, auch wenn für diese Examenszeit kein solches Tool eingesetzt wird, dennoch in Zukunft Bestand haben werden. „Wir haben kaum Informationen darüber, wie wir mit einer solchen Software umgehen sollten.“ Die Digitalisierung sei schließlich eine Realität, so Née. „Und es wäre wichtig, sich die Zeit zu nehmen, um diese Fragen zu beantworten.“ Man sollte gemeinsam schauen, wie man mit der neuen Modernität umgehen sollte, die irgendwann auf uns zukommen werde, so die UNEL-Vertreterin.

Uni.lu will sich Zeit lassen

„Wenn dieses Tool nun eingesetzt worden wäre, hätte das ein Problem mit Datenschutz und mit dem Respekt persönlicher Rechte bedeutet“, sagt Née. Deshalb hatte die UNEL am 5. Juni eine Pressemitteilung mit ihren Bedenken herausgeschickt. Am selben Tag folgte der Rückzug des Vorhabens. Der Rektor der Uni.lu habe den Studenten die Entscheidung sofort mitgeteilt, sagt Née. „Wir bekamen ein Dokument, auf dem genau beschrieben wurde, wie das Examen ablaufen wird. Das heißt aber nicht, dass eine solche Plattform nie benutzt werden könnte“, gibt Née zu bedenken. „Es heißt nur, dass die Uni sich nun Zeit lassen möchte, um die Details zu klären.“

In der Theorie wissen wir jetzt, wo die Daten gespeichert werden, wer genau Zugriff darauf hat und wann diese Daten eingesehen werden können. Es gibt sehr strenge Regelungen.

Estelle Née, UNEL

Née erklärt, dass es verschiedene Arten gibt, ein Fern-Examen abzulegen. Bei schriftlichen Prüfungen bekommt man zum Beispiel einen Fragebogen zugeschickt, den man in einer vorgeschriebenen Zeitspanne beantworten soll und dann an den Dozenten zurückschickt. „Man hat bei diesen Fragebögen ziemlich viel zu schreiben und die Zeit ist stark reduziert.“ Obwohl man in die Bücher schauen oder andere Quellen zurate ziehen dürfe, habe man nicht wirklich die Zeit dazu. Die Plattform Webex wird viel von der Uni.lu genutzt. Darüber wurden auch in der Zeit des Lockdowns Distanzkurse unterrichtet. Webex kann beispielsweise bei mündlichen Prüfungen eingesetzt werden. „Die Uni hat uns mitgeteilt, dass wir unser mündliches Examen am besten filmen sollten, damit wir bei Reklamationen in Bezug auf die Note etwas haben, wo nachgeschaut werden kann, ob der Dozent das richtig beurteilt hat.“

Im Zuge der Mitteilung an die Studierenden, dass umstrittene Fernüberwachungsprogramme ausgesetzt werden, hat die Uni auch darüber informiert, was mit den Daten passiert. „In der Theorie wissen wir jetzt, wo die Daten gespeichert werden, wer genau Zugriff darauf hat und wann diese Daten eingesehen werden können. Es gibt sehr strenge Regelungen. Niemand darf diese Daten teilen oder kopieren und diese werden nach einer festgelegten Zeit gelöscht“, so Née. Auch habe die Uni nun mitgeteilt, dass die Studenten ein Recht darauf haben, Nein zu sagen, wenn sie nicht gefilmt werden wollen. Bei der Benutzung einer umstrittenen App wie beispielsweise Proctoring haben die Studenten nun explizit die Wahl, ob sie die Bedingungen der Plattform akzeptieren wollen oder nicht. Tun sie es nicht, dann können sie eine andere Examensform wählen, zum Beispiel ein Präsenzexamen. „Das finden wir als UNEL eine verantwortungsbewusste Entscheidung, die kohärent ist.“ Dennoch bleiben viele zukunftsrelevante Fragen in Bezug auf den Einsatz umstrittener Plattformen weiter offen.

Uni.lu beharrt nach der ersten Veröffentlichung dieses Artikels darauf, dass das Vorhaben, eine Fernüberwachungssoftware bei Examen einzusetzen, nicht „gekippt“ wurde. Das Projekt komme lediglich bis zur Klärung letzter Details nicht zum Einsatz. Die Uni teilt mit, dass eine solche Anwendung seit Wochen in Betracht gezogen und vorbereitet wurde. Seitdem sei die Uni in Kontakt mit der Datenschutzkommission CNPD gewesen.

Datenschutzkommission verweist auf Berufsgeheimnis

Auf Nachfrage bei der Nationalen Datenschutzkommission CNPD, wie sie den Einsatz einer Überwachungssoftware beurteilt, wurde uns Folgendes mitgeteilt: „Leider können wir aufgrund unseres Berufsgeheimnisses keine Aussage darüber machen. Die Uni.lu ist, wie jeder andere ,Responsable de traitement‘ laut Artikel 5 des RGPD (,Règlement général sur la protection des données‘), verantwortlich, um die Konformität ihrer Bearbeitung gegenüber dem RGPD zu garantieren. Die Aufgabe der Nationalen Datenschutzkommission ist es, Organisationen bei der Interpretation ihrer Verpflichtungen beizustehen. Seit Inkrafttreten des RGPD funktionieren wir nicht mehr auf Basis der Vorabgenehmigung, sondern auf Basis nachgängiger Kontrolle. Das heißt, wir können Ermittlungen einleiten, entweder auf eigene Initiative oder auf Basis einer eingereichten Beschwerde oder sonstigen Informationen, die uns zugetragen werden, um die Konformität zu überprüfen. Wenn die Bearbeitung nicht konform zum RGPD ist, haben wir die Möglichkeit, Sanktionen zu verhängen. Diese Möglichkeit beinhaltet im Privatsektor auch finanzielle Sanktionen – etwas, das für den Staat und die Gemeinden nicht vorgesehen ist.“

Arthur
10. Juni 2020 - 14.53

Dee grousse Brudder, de Papp an d'Mamm sëtze mat 3 Notebooken hannert der Kamera a googlen d'Äntwerten. Dat gëtt dat beschte Resultat zënter der dem Mëttelalter.