CoronakriseRegierung sucht neuen Ansatz für legislativen Exit – mit zwei befristeten Gesetzen

Coronakrise / Regierung sucht neuen Ansatz für legislativen Exit – mit zwei befristeten Gesetzen
Konkrete Inhalte zu den beiden Covid-19-Gesetzen fehlen noch, doch mit ihrem neuen Ansatz haben Premierminister Xavier Bettel (DP) und Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) die Opposition und auch die Gewerkschaften vorerst zufriedengestellt Foto: Editpress/Julien Garroy

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Die Pläne der Regierung, den legislativen Exit aus dem Ausnahmezustand mit einem Vollmachtsgesetz und großherzoglichen Verordnungen zu regeln, wurden von der Opposition scharf kritisiert. Am Dienstag präsentierte die Regierung nun einen neuen Ansatz. Mit zwei sogenannten Covid-19-Gesetzen will sie der Verlängerung der Coronamaßnahmen nach Ende des „état de crise“ eine rechtliche Grundlage geben. Konkrete Inhalte der Gesetze sind noch nicht bekannt. Die Opposition freut sich aber, dass ihren Einwänden und Vorschlägen Rechnung getragen wurde.

Der erste Vor-Vorentwurf eines Covid-19-Gesetzes, den die Regierung den Abgeordneten vergangene Woche vorgestellt hatte, war bei der parlamentarischen Opposition auf Kritik und Ablehnung gestoßen. Dieser erste Entwurf sah vor, dass das Parlament der Regierung für die Zeit nach Ablauf des „état de crise“ Vollmachten erteilt, mit denen sie die Einschränkungen der bürgerlichen und wirtschaftlichen Freiheiten auf der Grundlage von großherzoglichen Reglementen hätte beschließen können, die lediglich von der „Conférence des présidents“ des Parlaments hätten abgesegnet werden müssen.

Am Dienstag haben Premierminister Xavier Bettel (DP), Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) und Justizministerin Sam Tanson („déi gréng“) dem Büro und der „Conférence des présidents“ nun einen neuen Vorschlag unterbreitet, um die getroffenen Coronamaßnahmen nach Ende des Ausnahmezustands am 24. Juni bei Bedarf aufrechterhalten zu können.

Individuelle Freiheiten und Verhaltensregeln

Seit Mitte März hat die Regierung bislang 44 Reglemente zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie auf Grundlage des Gesetzes zur Verlängerung des Ausnahmezustands um drei Monate erlassen. Diese Reglemente sollen nun in mehrere Gesetzestexte einfließen. Wie am Dienstag nach der Sitzung von Mitgliedern der Regierung und des Parlaments zu erfahren war, sollen bis voraussichtlich Montag zwei kurze Hauptgesetze ausgearbeitet werden. In dem ersten dieser beiden Texte sollen die individuellen Freiheiten und Verhaltensregeln festgelegt werden. Neben Vorgaben zu Maskenpflicht und Distanzierung soll auch geregelt werden, wie viele Menschen sich im öffentlichen Raum versammeln dürfen oder wie viele Personen man zu sich nach Hause einladen darf. In diesem ersten Gesetz soll auch klar definiert werden, unter welchen Umständen die Gesundheitsverwaltung sanitäre Maßnahmen wie Quarantäne oder Isolierung anordnen kann.

Mit dem zweiten Text sollen die Sicherheitsmaßnahmen in den Geschäften und Betrieben eine rechtliche Grundlage erhalten. In diesem Gesetz soll beispielsweise festgelegt werden, wie viele Menschen gemeinsam ins Kino oder in ein Geschäft dürfen oder welche Schutzregeln Unternehmen einhalten müssen. 

Über die konkreten Inhalte der beiden Covid-19-Gesetze ist offiziell bislang wenig bekannt. Als unwahrscheinlich gilt aber bereits jetzt, dass bei Versammlungen unter freiem Himmel die Begrenzung auf maximal 20 Personen beibehalten werden kann. Geklärt werden muss auch noch, wie lange die sogenannten Covid-19-Gesetze in Kraft bleiben. Bislang geht die Rede von einem Zeitraum von einem, zwei oder drei Monaten.

Zahlen und Inhalte erst ab Montag

Konkrete Zahlen und Inhalte wird der Regierungsrat voraussichtlich erst am Montag bestimmen, nachdem die Minister eine Bilanz über die Entwicklung der Infektionszahlen und der Krankheitsfälle gezogen haben, wie die grüne Justizministerin Sam Tanson am Dienstag auf Nachfrage erklärte. 

Zusätzlich zu den beiden Hauptgesetzen werden ressortspezifische Reglemente in separate und zeitlich begrenzte Gesetze umgewandelt. Davon betroffen sind vor allem behördliche Vorgänge, die von den beiden Covid-19-Gesetzen nicht abgedeckt werden. Auch wirtschaftliche, arbeitsrechtliche und soziale Maßnahmen sollen laut Tageblatt-Informationen in ressortspezifischen Gesetzen geregelt werden. Am Mittwochmittag werden die Minister Dan Kersch, François Bausch, Pierre Gramegna, Lex Delles und Franz Fayot dem Büro und der „Conférence des présidents“ ihre Pläne für den wirtschaftlichen Wiederaufschwung präsentieren, die auch Details zu sozialen Maßnahmen enthalten sollen. Am späten Nachmittag werden die Minister ihre Pläne dann auf einer Pressekonferenz vorstellen.

Die Oppositionsparteien begrüßten nach der Sitzung am Dienstag den „Paradigmenwechsel gegenüber dem Text, der den Parlamentariern vergangene Woche vorgestellt wurde“, wie der linke Abgeordnete Marc Baum die neue Herangehensweise der Regierung bezeichnete. Die CSV-Fraktionsvorsitzende Martine Hansen freute sich, dass den Bedenken der Opposition Rechnung getragen worden sei. Alle Oppositionsvertreter befürworteten den Ansatz, dass die Maßnahmen nun nicht mehr anhand von Reglementen oder Vollmachten getroffen werden, sondern durch Gesetze, die vom Staatsrat und den Berufskammern begutachtet werden, öffentlich debattiert werden und dem Parlament durch die Abstimmung im Plenum ein Mitspracherecht einräumen. Der ADR-Abgeordnete Gast Gibéryen erklärte, die Prinzipien des Rechtsstaats würden nun wiederhergestellt. Dieser Weg sei der richtige, meinte Martine Hansen, vieles hänge aber nun vom Inhalt der Gesetze ab.

Demonstrationsrecht wird wiederhergestellt

Sowohl die CSV als auch „déi Lénk“ forderten eine Liste sämtlicher Reglemente, die nun in ressortspezifische Gesetze umgewandelt werden sollen. Erst wenn man das ganze „Package“ kenne, könne man eine Aussage darüber machen, ob das Vorgehen der Regierung sinnvoll sei oder nicht, präzisierte Marc Baum.

Sven Clement (Piraten) begrüßte es, dass mit den neuen Gesetzen der Einspruch gegen die Maßnahmen vor dem Verwaltungsgericht erleichtert werden soll. Die Regierung wolle festhalten, dass Personen, die beabsichtigen, gegen einzelne Entscheidungen vorzugehen, keinen Anwalt dafür benötigen. Stattdessen solle ein Schreiben an den Präsidenten des Verwaltungsgerichts ausreichen, so Clement.

Bereits am Dienstagvormittag hatte die Regierung sich mit den Präsidenten der drei national repräsentativen Gewerkschaften OGBL, CGFP und LCGB getroffen, um sie über ihre Pläne im Hinblick auf die Covid-19-Gesetze in Kenntnis zu setzen. OGBL-Präsidentin Nora Back zeigte sich auf Nachfrage erfreut über den konstruktiven Dialog. Die Regierung habe ihr versichert, dass das Demonstrationsrecht unter bestimmten Sicherheitsauflagen wiederhergestellt werden soll. Im Gegensatz zu Festen sollen politische Demonstrationen künftig erlaubt sein, sagte Nora Back. Unklar sei aber noch ab wann und mit wie vielen Teilnehmern. 

Um die Corona-Maßnahmen beibehalten zu können, müssen die Gesetze vor dem 24. Juni vom Parlament angenommen werden. Ansonsten werden die Reglemente mit dem Ende des Ausnahmezustands hinfällig. Ersten Einschätzungen zufolge könnte die Abstimmung in der Woche nach den Pfingstferien erfolgen.

TNT
20. Mai 2020 - 0.34

Konkrete Inhalte der Gesetze sind noch nicht bekannt. Und wieso, weshalb, warum? Die Oppositionsparteien begrüßten nach der Sitzung am Dienstag den „Paradigmenwechsel. Aha, also nichts Anderes von der Opo als Einknicken und Absegnen. In der Umgangssprache wird von „Paradigmenwechsel“ häufiger in unspezifischerem Sinne gesprochen; dann sind entweder für besonders wichtig gehaltene wissenschaftliche Entwicklungen gemeint oder beispielsweise ein Wechsel der Lebenseinstellung (etwa grundlegende Werte betreffend) oder auch Umbrüche in anderen lebensweltlichen oder fachlichen Zusammenhängen. Aaaber, lasst euch mal den °Wechsel der Lebenseinstellung (etwa grundlegende Werte betreffend)° auf der Zunge zergehen. Bon Appétit!