TransparenzLobbyregister entfacht hitzige Debatte auf Twitter

Transparenz / Lobbyregister entfacht hitzige Debatte auf Twitter
Premierminister Xavier Bettel trifft Unternehmensvertreter zum Anlass des zehnjährigen Bestehens des INDR (2018) Symbolfoto: Editpress/Julien Garroy

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Die Einführung eines Lobbyregisters sollte für mehr Transparenz in der Luxemburger Politik sorgen. Die CSV äußert nun aber ihre Bedenken und blockiert das Projekt. Auch die DP bremst inzwischen. Das Thema spaltet die Gemüter: Auf Twitter liefern sich inzwischen Unternehmer, Pressevertreter und ein Politiker einen verbalen Schlagabtausch.

Der von Roy Reding (ADR) eingereichte parlamentarische Ausschussbericht für das neue Lobbyregister ist ins Stocken geraten. Letzte Woche sollte im Parlament eigentlich über den Bericht abgestimmt werden, doch dazu ist es nie gekommen. Grund: Die CSV, die den Bericht mitgetragen hat, hat ein juristisches Gutachten in Auftrag gegeben. Darin werden Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit des Lobbyregisters geäußert. Die DP unterstützt die CSV in ihrem Vorgehen. Das geht aus einem Artikel von Reporter.lu hervor.

Der Chefredakteur des Tageblatt, Jean-Lou Siweck, hatte schon im Juni die Angst des Patronats vor der Transparenz angesprochen: Die Unternehmerverbände würden offenbar befürchten, der unredlichen Einflussnahme verdächtigt zu werden. Das Register wird von den Parlamentariern auch gerne als Transparenzregister bezeichnet. Ein Wort-Artikel vom Dienstag hinterfragt die Motive der CSV und der DP: „Stichhaltige Argumente gegen mehr Transparenz gibt es kaum. Warum sind dann CSV und DP dagegen?“

Dass das Thema des Lobbyregisters ein ziemlich heißes Eisen ist, offenbart sich anhand der jüngsten Beiträge in den sozialen Medien. Bekannte Gesichter der Luxemburger Unternehmer-, Presse- und Politikwelt haben sich dort einen regelrechten Schlagabtausch geliefert.

Schlagabtausch auf Twitter

Jean-Jacques Rommes, der ehemalige Vorstand des Arbeitgeberverbandes UEL, ging am Mittwoch auf der Social-Media-Plattform Twitter auf den besagten Wort-Artikel ein und kritisierte die Stellung der Presse. Rommes stört sich vor allem an folgender Aussage des Artikels: „Diese [Wahrheit] kennen die meisten Bürger auch ohnehin schon: Nämlich, dass Wirtschaftsvertreter einflussreich sind, weil Volksvertreter ihnen fügsam zuhören.“ Vor allem der Begriff „fügsam“ scheint Rommes nicht zu schmecken. Er wirft der Presse vor, voreingenommen zu sein und nicht objektiv zu berichten: „Spätestens beim Wort ‚fügsam‘ werden alle Ängste darüber bestätigt, wie die Presse solch ein Register begleiten wird: voller Vorurteil! Ihr Journalisten traut den Wirtschaftsverbänden nicht und sie trauen euch auch nicht.“

Der Radio-100,7-Reporter Jacques Ganser bestätigt dieses Misstrauen zwischen Presse und Unternehmerverbänden und entgegnet Rommes in einem Tweet: „Wenn wir als Journalisten mit jedem ein Vertrauensverhältnis hätten, bräuchten wir nicht mehr zu schreiben. Ihr sollt dem vertrauen, was wir schreiben. Denn wir sind keine Lobbyisten, es sei denn für Fakten.“ Daraufhin klinkt sich der Generalsekretär der Handwerkerföderation (FDA), Romain Schmit, in die Twitter-Debatte ein und schlägt ohne Weiteres die Aufhebung des Quellenschutzes der Journalisten vor: „Wie wäre es mit einem Transparenzregister für die Journalisten? Ihr habt ja auch nichts zu verstecken …“ Ohne zu zögern werden hier der Quellenschutz bzw. das Redaktionsgeheimnis mit wirtschaftlichen Interessen gleichgestellt.

Verteidigung privater Interessen

Rommes schreibt zwar, dass es der Presse „selbstverständlich“ zustehe, neben Fakten auch Meinungen zu äußern – wirft ihr aber im gleichen Atemzug vor, dass sie eine „mehrheitlich wirtschaftskritische“ Position einnehme. Die Presse habe ein Recht auf Quellenschutz, den sie den Abgeordneten nicht gönne. Rommes betont: „Ihr habt auch Partikularinteressen, die ihr systematisch über eure Leitartikel durchsetzt.“

In einem weiteren Tweet legt Rommes dann seine Karten offen. Er macht keinen Hehl daraus, dass es in der ganzen Debatte um das Transparenzregister schlicht und ergreifend darum gehe, Privatinteressen der Lobbys und Abgeordneten zu schützen – oder gar zu verbergen. „Spektakulär, wie hier die versammelte ‚Meinungsvielfalt‘ der Luxemburger Presse ihren Quellenschutz (zu Recht) verteidigt, aber kein Problem sieht, wenn ein Abgeordneter Rechenschaft ablegen muss, wann er mit wem über was geredet hat. Natürlich geht es hier auch um eigene Interessen.“ 

An dieser Stelle schaltet sich der Piratenabgeordnete Sven Clement ein und erinnert daran, dass nicht jedes Treffen zwischen Abgeordneten und Lobbyisten in das Transparenzregister eingetragen werden soll, sondern nur jene, in denen legislative Arbeit besprochen wird. Clement setzt dann mit der provokanten Frage nach: „Was haben Sie zu verstecken?“ Worauf Rommes entgegnet: „Was glauben Sie denn erfahren zu können?“

Nur Transparenz oder sogar öffentliche Anhörungen?

Clement verurteilt in seinen Tweets nicht den Dialog zwischen den Interessenvertretern und den Politikern an sich – im Gegenteil, das gehöre zum (politischen) Prozess. Clement spricht sich allerdings gegen Absprachen hinter verschlossenen Türen aus. Der Piratenabgeordnete glaubt, dass Transparenz Vertrauen schaffe und zu mehr Akzeptanz der Gesetze führe, die für jedermann gelten. Rommes ist hingegen der Meinung, dass die Einführung eines solchen Registers „zur Polemik einladen und, dass dafür nützliche Treffen vermieden werden“.

Der Pirat argumentiert, dass niemand die Interessenvertreter daran hindere, Meinungen bzw. Informationen breit kundzutun. Clement geht noch einen Schritt weiter und wirft folgende Idee in die Runde: „‚Soyons fou‘, wir verändern unser parlamentarisches System hin zu öffentlichen Anhörungen, wo wir inklusiv statt exklusiv arbeiten“. Rommes hält offensichtlich nicht viel von Clements Vorschlag und beendet die Debatte mit einer Warnung: „Ich lese zum Schluss mit Spannung, wie weit Sie sich selbst einschränken und dann werden wir sehen, was sich ändert.“

Lobbyregister

Beim Lobbyregister – oder auch Transparenzregister – handelt es sich um eine Liste, in der jeder Abgeordnete angeben muss, mit welchen Interessenvertretern er sich im Rahmen seiner parlamentarischen Arbeit trifft. So soll nachvollziehbar werden, wer alles Einfluss auf das Gesetzgebungsverfahren nimmt – oder es zumindest versucht. Das geplante luxemburgische Register wurde laut Reporter.lu bereits vom Ausschuss angenommen und hätte anschließend in der Chamber zur Abstimmung freigegeben werden können. Die CSV hat das Projekt nun mit ihrem juristischen Gutachten blockiert. Solche Lobbyregister werden so langsam Standard in modernen Demokratien. Frankreich und Irland besitzen bereits solch ein Register. Auch die EU verfügt über ein ähnliches System. Die Chamber ist somit ein Nachzügler in puncto Transparenz.

Wieder Mann
29. Juli 2021 - 19.09

Wer glaube was will, nur nicht an die Politik. Wahlzwang abschaffen, „ et ass just eng Farce“.