EditorialKrisenrentner: Wenn vor Zukunftssorgen die Vergangenheit vergessen wird

Editorial / Krisenrentner: Wenn vor Zukunftssorgen die Vergangenheit vergessen wird
 Foto: Alejo Manuel Avila/Le Pictorium Agency via ZUMA/dpa

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Covid-Krise, Energiekrise, Inflation, Krieg in der Ukraine, Tripartite eins und zwei, Solidaritéitspak 1.0 und 2.0 erklären, warum Begriffe wie Multi-, Poly- und Permakrise Einzug ins Luxemburger Polit-Sprech gefunden haben. Tatsächlich scheint es, als würde Luxemburg derzeit vor nichts verschont bleiben. Doch eine Bevölkerungsgruppe hat das Krisenmanagement in vielerlei Hinsicht fast vergessen: Luxemburgs Rentner.

Der OECD-Bericht zum Krisenmanagement der Regierung hat deutlich hervorgehoben, dass die Sterberate in Altenheimen während der Pandemie in Luxemburg doppelt so hoch war wie im Durchschnitt der OECD-Länder. Nur in Slowenien und Belgien ist die Lage wesentlich dramatischer gewesen. Der OECD-Bericht relativiert diese Aussage, indem er darauf hinweist, dass die Komorbidität-Rate in Luxemburgs Altenheimen deutlich höher ist als in anderen Ländern. Auch wurde laut OECD versucht, die infizierten Patienten so lange wie möglich in ihrem gewohnten Umfeld zu lassen. Beides Faktoren, die zu dieser hohen Sterberate beigetragen haben.

Dennoch: Wenn sich die Regierung hinter dieser Argumentation versteckt, lässt sie außer Acht, dass über die Impfrate des Pflegepersonals und die Eintrittsbedingungen zu den Alten- und Pflegeeinrichtungen viel diskutiert und von Luxemburger Gesundheitsexperten kritisiert wurde.

Nach der Covid-Pandemie folgt sogleich die Energiekrise, die durch den Ausbruch des Ukraine-Krieges massiv verschärft wurde und die Inflation in schwindelerregende Höhen getrieben hat. Es folgt Tripartite auf Tripartite, zahlreiche Maßnahmen werden beschlossen, die aber wiederum den Rentnern – und insbesondere denen mit niedrigeren monatlichen Einkommen – angesichts der galoppierenden Inflation und der daraus resultierenden kalten Progression nur wenig einbringen.

Im Solidaritéitspak 2.0 ist etwa die Anpassung des Mindestlohns an den Durchschnittslohn in Luxemburg angekündigt worden. Eine Maßnahme, die eigentlich gesetzlich festgeschrieben ist und keine explizite Erwähnung gebraucht hätte. Im Finanzdatenblatt zu den Kosten des „Solidaritéitspak“ sieht das Finanzministerium demnach auch keine Extrakosten vor. Eine sehr ähnliche Regelung gibt es auch für die Rentenbeträge. Erwähnenswert waren diese wohl nicht – obwohl gerade in finanziell turbulenten Zeiten ein Verweis auf einen funktionierenden Sozialstaat mit Sicherheit zumindest etwas Trost spenden könnte.

Die große Krux aber bleibt die Bereinigung der Steuertabelle von der Inflation und die Individualisierung des Luxemburger Steuermodells. Spätestens mit der von Blau-Rot-Grün formal vollzogenen Trennung von Kirche und Staat wird auch von staatlicher Seite anerkannt, dass dieses klerikale Gesellschaftsmodell veraltet ist. Aus einer moralischen Verpflichtung, das Luxemburger Steuermodell an die gelebte Realität des Landes anzupassen, ist in diesen Krisenzeiten jedoch eine finanzielle Notwendigkeit geworden. „Wir investieren in die Zukunft“, sagt Premierminister Bettel. Es wäre gut, dabei nicht diejenigen zu vergessen, die diese erst ermöglicht haben. Und dieser Aufruf gilt allen Parteien – denn auch während der Chamber-Debatte im Anschluss an Bettels Rede wurden die Rentner nur am Rande erwähnt. Da war man damit beschäftigt, sich über den Gebrauch des Wortes „Nondidjö“ zu streiten – sodass es die Exekutive war, die die Legislative an die Spielregeln des „hohen Hauses“ erinnern musste.

Phil
25. Oktober 2022 - 3.47

An der Covid-Pandemie sind wir eher weniger Schuld, wohl aber trifft den Westen dank den Backstage-Akteuren Nato und USA eine Teilschuld betreffend der "Spezialoperation" in der Ukraine. Was die Energiekrise und die Inflation angeht, kann man nur sagen, dieselbige ist hausgemacht. Vielen Dank an die deutschen Politiker und den EU-Vorsitz in Brüssel welche den Esel aufs dünne Eis geführt haben und ihn jetzt nicht runterkriegen.

Jill
15. Oktober 2022 - 12.20

Sehr guter und wichtiger Artikel. Danke dafür!

Grober J-P.
14. Oktober 2022 - 10.02

Ach ja, die Rentner. Habe ich mich gefreut über die letzte Indexanpassung, konnte mir wieder eine Pizza Scampi beim Lieblingsitaliener genehmigen. Jetzt ist das schon wieder vorbei, der Mafreund hatte den Preis um 14,5 % erhöht. Er sagte, Kosten Energia, Energia, merda, merda. Sch... Wladimir. Bleibe jetzt hinterm Kachelofen und versuche mich am Pizzabacken.

Jean-Marie Grober
14. Oktober 2022 - 9.52

Mit Erlaubnis des Autors würde ich gerne diesen Leitartikel mitunterschreiben! Hier stimmt alles!

JJ
14. Oktober 2022 - 9.45

"..dass die Sterberate in Altenheimen während der Pandemie in Luxemburg doppelt so hoch war wie im Durchschnitt der OECD-Länder." Wenn man diese Zeilen liest dann fragt man sich doch wo jene Weissen Engel und andere Schwurbler heute bleiben.Jene "Heil Hitler" -Rufer und Bedroher von Regierungsmitgliedern,jene die jegliche Maßnahmen gegen das Virus in den Wind geschlagen haben.Oder diese Ulkfiguren mit Che-Mütze oder Roboteruniform die das Volk aufwiegelten gegen Regierungsmaßnahmen. Es ist sehr ruhig geworden. Merde alors.