PolitikJacques F. Poos stirbt im Alter von 86 Jahren

Politik / Jacques F. Poos stirbt im Alter von 86 Jahren
Poos war über 30 Jahre in der Luxemburger und europäischen Politik aktiv Foto: Editpress

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Jacques F. Poos ist tot. Der langjährige LSAP-Politiker ist am Samstagmorgen im Krankenhaus gestorben. Damit geht dem Land eine große Persönlichkeit verloren, die die nationale und internationale Politik über Jahrzehnte lang geprägt hat. 

Der frühere Luxemburger Politiker und Direktor des Tageblatt, Jacques F. Poos (LSAP), ist am Samstagmorgen im Alter von 86 Jahren gestorben. Diese Information wurde dem Tageblatt aus Parteikreisen bestätigt.

Jacques Poos – ein Porträt

Mehr als dreißig Jahre lang hat seine elegante Gestalt die luxemburgische, später auch die europäische Politik geprägt. Vier Legislaturperioden lang hat Jacques F. Poos als Außenminister den luxemburgischen Standpunkt in Europa vertreten.

„Ziehe nie neue Schuhe an, wenn Du zu einem offiziellen Empfang gehen musst.“ Der Mann, von dem dieser freundschaftliche Hinweis stammte, musste es wissen. Zwanzig Jahre lang hat Jacques Poos Luxemburg auf dem internationalen Parkett vertreten und dabei an unzähligen Empfängen teilgenommen. Nicht nur das Schuhwerk hatte er im Griff. Auch nach einem langen Flug oder einem intensiven Arbeitstag wirkte er stets wie aus dem Ei gepellt. Der zweite Anzug für solche Fälle gehörte mit zum Standardgepäck. Genau wie auch die Handzettel der Beamten, auf denen Luxemburgs politische Marschroute aufgezeichnet war. Jacques Poos mochte keine Überraschungen.

Außenministerkonferenz vom 26. März 1991, von links nach rechts: unbekannt, Jacques Poos, Jacques Delors
Außenministerkonferenz vom 26. März 1991, von links nach rechts: unbekannt, Jacques Poos, Jacques Delors Foto: Editpress

Der am 3. Juni 1935 in Luxemburg geborene Politiker war noch von der Vorkriegsgeneration. Seine Einschulung mitten im Zweiten Weltkrieg bezeichnet er als schmerzliche Erinnerung. Es sei kalt gewesen im Schulgebäude, die Kinder hätten in Mänteln die Schulbank gedrückt, hat er in einem Interview mit dem Informationsblatt der Gemeinden erzählt und vom Fliegeralarm gesprochen, der die Kleinen regelmäßig in den feuchten Luftschutzkeller trieb.

Dafür waren die Sekundarschule am hauptstädtischen Athenäum und vor allem das Studium der Handels- und Wirtschaftswissenschaften in Lausanne umso schöner. Er sei zwar fern von zuhause, aber in einer wundervollen Umgebung gewesen, die ihn stark an die Heimat erinnert habe, erzählte er weiter. Rund 20 Kommilitonen studierten zur gleichen Zeit in Lausanne.

Ganz lange hat es Jacques Poos in der beschaulichen Schweiz jedoch nicht ausgehalten. 1958 schloss er sein Studium ab und kehrte nach Luxemburg zurück, wo er zunächst im Wirtschaftsministerium arbeitete und parallel zur ersten beruflichen Erfahrung seine Doktorarbeit zum Thema „Le Luxembourg dans le Marché Commun“ schrieb, die er 1961 abgab.

Ehemaliger Direktor des Tageblatt

Der Statistische Dienst des Staates wurde zwischen 1962 und 1964 seine zweite Etappe im Staatsdienst. Mit dem Wechsel in die Privatwirtschaft begann dann jedoch eine eher atypische Karriere zwischen Staatsdienst und Privatunternehmen.

1964 wurde Jacques Poos Direktor des Tageblatt, ein Amt, das er bis zu seiner Berufung 1976 zum Finanzminister der Regierung Thorn innehatte. Zwischen 1970 und 1976 war er auch Präsident der Vereinigung der Luxemburger Verleger.

Auf diese Zeit schaute der Politiker, der in seiner zwölfjährigen Amtszeit in diesem Haus viele Leitartikel signierte, mit einer gewissen Nostalgie zurück. Die Presse würde sich heute nicht mehr so stark engagieren, wie sie es damals noch tat. Das sei für die Leser stets interessant gewesen, vertraute er dem Informationsblatt der Luxemburger Gemeinden an.

Nach dem Ende der Regierung Thorn kam Jacques Poos nicht mehr ins Tageblatt zurück. Zwei Jahre lang leitete er die Geschicke der „Banque continentale du Luxembourg“ (BCL) bis 1984 fungierte er als Direktor der „Banque Paribas Luxembourg“. In dieser Zeit gehörte er auch der Bankenvereinigung ABBL an.

1964 wurde Jacques Poos Direktor des Tageblatt<br />
1964 wurde Jacques Poos Direktor des Tageblatt
 Foto: Editpress

Politische Laufbahn als Minister

Poos’ politische Laufbahn begann 1969, als er in den Gemeinderat von Esch-sur-Alzette gewählt wurde, dem er bis 1976 angehörte. 1974 wurde er erstmals Mitglied der Abgeordnetenkammer.

Am 21. Juli 1976 wurde Jacques F. Poos Finanzminister im Kabinett von Gaston Thorn. In dieser Funktion war er auch Gouverneur der Weltbank, des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Investitionsbank (EIB). Die große Herausforderung dieser Regierung war allerdings die Bewältigung der Stahlkrise.

Einen zweiten Anlauf nahm er nach kurzzeitiger Unterbrechung 1984 unter Jacques Santer. Als erfolgreicher Spitzenkandidat der LSAP im Süden wurde er zum Vize-Premierminister und war damit gewissermaßen auf Augenhöhe mit dem Regierungschef. Zuständig war Poos in der ersten Legislaturperiode für das Außenministerium, den Außenhandel und die internationale Zusammenarbeit, sowie für Wirtschaft, Mittelstand und Tresor. Als Hauptherausforderung seiner Zeit in der Regierung bezeichnet er die Verteidigung des Finanzplatzes Luxemburg. „Wir haben allen Angriffen standgehalten, selbst wenn wir Konzessionen machen mussten.“ Auch eine Operation und der Einsatz eines Herzschrittmachers konnten ihn nicht bremsen.

Bis zum 7. August 1999 sollte er das Außenministerium behalten. Im zweiten Halbjahr 1985, im ersten Halbjahr 1991 sowie im zweiten Halbjahr 1997 war er in dieser Eigenschaft auch Präsident des Rates der Europäischen Union. Neben dem französischen Politiker Maurice Couve de Murville war Poos der einzige Politiker, der dieses Amt dreimal innehatte. In diese Zeit fiel der Golfkrieg, genau wie die Auflösung der Jugoslawischen Republik.

Dabei gab der damalige EU-Ratspräsident seine berühmte, mittlerweile aber verspottete Erklärung ab: „Dies ist die Stunde Europas … nicht die Stunde der Amerikaner“, hatte er im Sommer 1991 erklärt. Aber die EG-Troika mit Poos’ italienischem und niederländischem Amtskollegen, Gianni De Michelis und Hans van den Broek, scheiterte beim Versuch, einen offenen Krieg zu verhindern. Auch die Vereinten Nationen konnten dem Töten kein Ende setzen. Die USA hielten sich heraus, erklärten, in Jugoslawien keine Interessen zu haben.

2004 zog sich Poos aus dem aktiven politischen Leben zurück
2004 zog sich Poos aus dem aktiven politischen Leben zurück Foto: Editpress-Archiv

Vizepräsident des Europäischen Parlaments

Poos war auch viel in Nahost unterwegs, wo er strikt für die Anerkennung Israels durch alle seine arabischen Nachbarn eintrat. Der 1992 unterzeichnete Maastricht-Vertrag trägt ebenfalls seine Unterschrift. Diese internationalen Ämter waren für ein kleines Land mit nur wenigen Beamten stets eine sehr große Herausforderung.

1994 hatte Poos sich als Nachfolger von NATO-Generalsekretär Manfred Wörner ins Gespräch gebracht, hatte für den Fall, dass der niederländische Regierungschef Ruud Lubbers zum Zug kommen würde, auch mit der Idee gespielt, die Leitung der Westeuropäischen Union (WEU) zu übernehmen.

Bei der Parlamentswahl 1999 war Poos nicht mehr Spitzenkandidat der LSAP und ließ sich ins Europäische Parlament wählen. Dort wurde er Vizepräsident, war Quästor und saß in den Ausschüssen für Außenpolitik, Menschenrechte, Sicherheit und Verteidigung. Er setzte sich zudem für die Aufnahme Zyperns in die EU ein.

2004 zog er sich aus dem aktiven politischen Leben zurück und teilte sich zwischen seiner Villa in Esch/Alzette und seinem Feriendomizil in Südfrankreich auf. Auch im Ruhestand las er täglich intensiv die internationale Presse und nahm seine Aufgaben in den Verwaltungsräten der BNP Paribas Luxembourg und der Zentralbank Luxemburg wahr. Jacques Poos war in zweiter Ehe mit Monique Lorang verheiratet und Vater von drei Kindern, Sohn Daniel aus erster, Tochter Yasmine und Sohn Xavier aus zweiter Ehe.


Kurz nach der Bekanntgabe von Poos’ Tod reagierten bereits einige Luxemburger Politiker auf die traurige Nachricht und sprachen seinen Hinterbliebenen ihr tiefstes Beileid aus. Den Artikel dazu finden Sie hier.

schullerpiir
20. Februar 2022 - 19.31

Besonderen Dank an den Direktor des tageblatt, der zusammen mit Robert Goebbels die "Burgfried-Affäir" so hervorragend gemanagt hat