StaatsfinanzenEuropa hat heute 675 Milliarden mehr Schulden als vor einem Jahr

Staatsfinanzen / Europa hat heute 675 Milliarden mehr Schulden als vor einem Jahr
Luxemburg hat heute fast zwei Milliarden Euro mehr Schulden als vor einem Jahr, fast vier Milliarden mehr als vor zwei Jahren und fast zehn mehr als vor zehn Jahren Foto: Reuters/Lee Jae-Won/Files

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Letztes Jahr hat die Wirtschaft in Europa gebrummt wie bereits seit vielen Jahren nicht mehr. Dennoch ist das Volumen der Staatsschulden weiter gewachsen. Nur vier Länder haben von der guten Konjunktur profitiert, um Schulden zurückzuzahlen. Luxemburg gehört nicht dazu.

Innerhalb der letzten zwölf Monate haben Europas Regierungen wieder fleißig neues Geld geliehen. Insgesamt hatten die Länder Ende Dezember 675 Milliarden Euro mehr Schulden als zu Jahresbeginn. Verglichen mit Ende 2019, also vor Corona, sind es sogar 1.884 Milliarden Euro mehr Schulden. Das geht aus neuen Zahlen des Statistikamts Eurostat hervor.

Auf die schier unvorstellbare Summe von insgesamt 12.740 Milliarden Euro beläuft sich mittlerweile das Volumen der geliehenen Gelder. Die beiden Länder mit den höchsten Schulden sind Frankreich (2.813 Milliarden) und Italien (2.678 Milliarden).

Nur vier Länder haben letztes Jahr von der guten Konjunktur profitiert, um Schulden zurückzuzahlen, geht aus den Zahlen hervor. Es sind dies Schweden, Portugal, Zypern und Dänemark. Alle anderen haben zusätzliche Schulden aufgenommen. Dazu zählt auch Luxemburg: Am Ende des Jahres 2021 hatte das Land fast zwei Milliarden Euro mehr Schulden als zu Jahresbeginn.

Vergleicht man die Summe der geliehenen Milliarden mit den Schulden von Ende 2019 (vor Corona), dann muss der Beobachter in ausnahmslos jedem Land einen Anstieg feststellen. Im Jahr 2020 waren die Schulden in allen EU-Staaten, zur Finanzierung des Corona-Stillstands, heftig angestiegen. 

Schuldenquote geht leicht zurück

Politiker werden die Situation anders darstellen: Sie werden behaupten, die Schulden seien letztes Jahr deutlich zurückgegangen. In diesem Fall reden sie jedoch nicht von der Summe der Schulden, sondern von der sogenannten Schuldenquote – also dem Verhältnis der Schulden zur Wirtschaftsleistung, dem BIP.

Diese Schuldenquote war letztes Jahr in 20 der 27 EU-Mitgliedsstaaten tatsächlich rückläufig. Sie ist um 1,8 Prozentpunkte auf 88,2 gefallen. Das liegt jedoch nicht an einem Rückgang der geliehenen Gelder, sondern am insgesamt starken Wachstum der Wirtschaftsleistung. Im Gesamtjahr 2021 war das BIP sowohl im Euroraum als auch in der EU um rekordträchtige 5,3 Prozent gestiegen, wie neue Zahlen von Eurostat zeigen.

Vergleicht man nun hingegen die Schuldenquote von Ende 2021 mit der Schuldenquote von vor der Corona-Krise, dann kann von Rückgang jedoch keine Rede mehr sein. Europaweit liegt die Quote heute satte 10,7 Prozentpunkte über der von Ende 2019. Nur in einem einzigen Land (Irland) ist sie leicht zurückgegangen.

In der Eurozone liegt die Verschuldungsquote derweil (mit 95,6 Prozent) noch deutlich höher als in der EU insgesamt. Dabei gab es mal einen sogenannten Stabilitätspakt, dessen Kriterien für stabile Preise im Währungsraum sorgen sollten. Eines der Kriterien war eine Verschuldungsquote von maximal 60 Prozent. Der Stabilitätspakt ist jedoch seit der Corona-Krise ausgesetzt – und die Preissteigerungsrate erreicht fast monatlich neue Rekordhöhen.

Luxemburg hat derweil, mit einer Schuldenquote von 24,4 Prozent, weiterhin gesunde Staatsfinanzen. Europaweit hat nur Estland noch bessere Zahlen. Dennoch steigt die Quote auch hierzulande beständig weiter an. Aktuell liegt sie 2,1 Prozentpunkte höher als Ende 2019. Und das trotz einer Wirtschaft, die letztes Jahr um rekordträchtige 6,9 Prozent gewachsen ist und im Jahr zuvor nur leicht eingebrochen war. In den letzten zehn Jahren ist die Verschuldungsquote Luxemburgs um 5,9 Prozentpunkte gewachsen.

Bei jeder Krise steigen die Schulden

Der Luxemburger Rechnungshof, die „Cour des comptes“, hatte bereits Ende 2020 Bedenken zu dieser Entwicklung angemeldet. Die Behörde wies die Regierenden damals darauf hin, dass Covid nicht die einzige Herausforderung sei, vor der das Land stehe. Doch sehe es danach aus, als müsse die Regierung – um die Auswirkungen jeglicher Krisen zu bewältigen – immer wieder auf neue, zusätzliche Schulden zurückgreifen. Und auch wenn der Schuldenstand Luxemburgs immer noch deutlich unter der europäischen Norm von 60 Prozent liege, so „gibt es keine Garantie dafür, dass diese Grenze in mehr oder weniger naher Zukunft nicht überschritten wird“, so der Rechnungshof.

Die Behörde erinnerte damals unter anderem an den Druck, den die Bekämpfung des Klimawandels, die demografische Entwicklung des Landes und kommende Krisen auf die öffentlichen Finanzen ausüben werden. Von den aktuell immer schneller steigenden Preisen und vom Krieg in der Ukraine wusste sie damals noch nichts. Recht hatte die „Cour des comptes“ mit ihrer Warnung trotzdem. Allein um den Unternehmen die Auszahlung einer zweiten Indextranche in diesem Jahr zu ersparen, hat die Regierung ein Maßnahmenpaket von 837 Millionen Euro angekündigt. Für die Staatsfinanzen bleibt das, trotz boomender Steuereinnahmen, nicht ohne Folgen: „Eigentlich war für 2022 ein Defizit von 1,2 Milliarden vorgesehen“, hatte Finanzministerin Yuriko Backes mitgeteilt. „In der aktuellen Situation aber erwarten wir nun eher ein Defizit von fast zwei Milliarden Euro.“ Um die Rückzahlung dürfen sich dann wohl zukünftige Generationen kümmern. Und die nächst Krise kommt bestimmt.

Dabei sind allein die Folgen der Pandemie überaus sichtbar. Ende 2019 wurde erwartet, dass das Land Ende 2023 eine Verschuldung von insgesamt 13,3 Milliarden Euro (oder 17,5 Prozent des BIP) haben würde. Im Oktober 2021 lag die Schätzung für 2023 dann jedoch bereits bei 20,8 Milliarden Euro (oder 27 Prozent des BIP). Der Unterschied ist gewaltig, es handelt sich um 7 Milliarden Euro Schulden mehr als geplant.

Die Entwicklung der Verschuldung
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Filet de Boeuf
2. Mai 2022 - 14.30

Wir brauchen einfach mehr Analysen. Wir müssen auch die Konsequenzen eines Kometeneinschlags einberechnen. Und viel mehr Umfragen, Meinungen ändern so oft, da muss man mithalten. Und wir brauchen viel mehr Gegenexpertisen, zuerst die billigen, dann die teuren. Und viel mehr Dienstleistungen, zum Beispiel sollten Dogwalker, Kuhbesamer und lebende Schaufensterpuppen verbeamtet werden. Und der Staat muss viel mehr hochrangige Beamte einstellen, die nachher wegen den schlechten Finanzen (durch sie selber verursacht) den öffentlichen Dienst privatisieren.