EditorialEin Sandwich bitte – Scheingefechte in der Home-Office-Debatte

Editorial / Ein Sandwich bitte – Scheingefechte in der Home-Office-Debatte
 Symbolfoto: Pixabay

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Es gibt viele gute Gründe, die gegen das Entsenden von Mitarbeitern ins Home-Office sprechen: Probleme mit der Kommunikation. Schwierigkeiten, die innerbetriebliche Solidarität aufrechtzuerhalten. Sicherheitsbedenken bei den Computersystemen. Angst davor, dass die Abteilung dann genauso gut nach China outgesourct werden könnte. Verwaltungsrechtliche, steuerrechtliche, versicherungsrechtliche Gründe. Und natürlich auch psychologische Faktoren.

Ganz bestimmt kein Grund dafür, die Nation wieder zurück in die Büros zu schicken, ist aber der magere Umsatz von Gastronomie und Einzelhandel, die ihre Betriebsstätten am Rande der Pendlerrouten aufgeschlagen haben. Sowohl der Einzelhandelsverband von Luxemburg-Stadt als auch der Gastroverband Horesca klagten diese Woche über die ausbleibende Kundschaft wegen der Telearbeit.

Schützenhilfe bekamen sie am Freitag von CSV-Mann Laurent Mosar. Der gab auf RTL bekannt, dass insbesondere Restaurants und Sandwichläden merkten, dass viel weniger Leute in den Büros sind. Aus diesem Grund sollten eventuelle Home-Office-Gesetze festlegen, dass die Telearbeit auf höchstens einen Tag pro Woche begrenzt wird.

Um das mal in andere Worte zu fassen: Mosar (der in Luxemburg-Stadt wohnt, seine Anwaltskanzlei in Luxemburg-Stadt hat, Gemeinderat in Luxemburg-Stadt ist und als Abgeordneter in einem Parlament sitzt, das in Luxemburg-Stadt tagt) fordert, dass alle anderen 466.756 Arbeitnehmer des Landes (Stand April 2020) gefälligst im Büro anzutraben haben, damit er sich noch in der Sandwichbude an der Ecke blicken lassen kann.

Die Tanktourismus-Studie der Regierung aus dem Jahr 2016 kommt zum Schluss: „Der gesamte motorisierte Fahrzeugverkehr auf den Luxemburger Straßen verursacht in den erfassten Wirkungskategorien externe Umwelt-, Unfall- und Gesundheitsschäden in Höhe von fast 0,8 Milliarden Euro pro Jahr.“ Die Kosten, die alleine die Grenzgänger durch die Hin-und-her-Kutscherei mit ihren Autos verursachen, beziffern sich demnach auf fast 100 Millionen Euro pro Jahr.

Das Bezugsjahr der Studie ist übrigens 2012 – seitdem ist die Zahl der Grenzgänger um 29 Prozent gewachsen. Die genannten Beträge beinhalten auch weder die Kosten für neue Straßen, für die Autos selbst, für den Sprit, den sie saufen, noch für die unzähligen Nerven, die im Stau auf der A3 verloren gegangen sind. Und sie werden noch nicht einmal in Sandwiches investiert. Sie versuchen nur Schäden zu beziffern, für deren Behebung wir irgendwann einmal alle blechen müssen – wenn wir es noch können.

Für einige Geschäftsleute und Sandwichbuden-Betreiber wäre der Wegfall eines gewissen Anteils der Pendlermassen mit Sicherheit ein Schlag. Aber verglichen mit dem volkswirtschaftlichen Irrsinn, den die Pendelei in ihrer jetzigen Form und angesichts der vorhandenen Technologie darstellt, ist das beileibe kein valides Argument gegen einen lange überfälligen Strukturwandel. Anstatt solche Scheingefechte zu führen, sollten Politik, Wirtschaft und Gesellschaft endlich eine Diskussion darüber beginnen, wie wir Umwelt, Leben, Arbeiten, Familie und Kollegen in Zukunft so vereinbaren, wie es uns die Technologie jetzt schon ermöglicht. Und wie es unsere Nachkommen verdienen.

Erwin
16. Juni 2020 - 12.55

@Laird Glenmore @Erwin " Welcher klar denkende Bürger rechnet denn hier in Luxemburg mit einem Tornado, keiner" Doch, ich. Ich habe gerade von meiner Versicherung ein paar tausend Euro bekommen weil meine Rollladen und Fenster während des letzten Sturms durch fliegende Dachziegel beschädigt wurden. Wieso meine Steuergelder verplempert werden um Leuten zu helfen die zu doof für eine Versicherung waren, erschließt sich mir nicht.

Laird Glenmore
16. Juni 2020 - 10.48

@Erwin Es werden immer nur vollmundige Versprechen und Zusagen gemacht die dann teilweise oder gar nicht eingehalten werden. Zur Hausversicherung : Welcher klar denkende Bürger rechnet denn hier in Luxemburg mit einem Tornado, keiner schließlich sind wir hier nicht in Florida oder am Indischen Ozean, und egal welche Versicherung sie haben im Schadensfall heißt es dann " Ja aber dagegen sind sie nicht versichert ", die suchen doch auch immer nach Ausreden um nicht zahlen zu müssen. Ich bewundere ihren Optimismus, halten sie ihn gut fest.

Erwin
15. Juni 2020 - 16.33

@Laird Glenmore "Die Regierung wird schon dafür sorgen das private Arbeitnehmer beim Home Office schlechter wegkommen als die besser gestellten, " Wer sollte das denn sein, den die von Ihnen ungeliebte Regierung besser stellen soll? Irgendwelche Unterschiede kommen vom Betrieb und nicht von der Regierung. "es ist immer das gleiche Geld zu Geld und die anderen haben die Arschkarte, ähnlich wie beim Tornado in Bascharage und Petange wo immer noch nicht alle die versprochen Hilfe haben. Erst wird schnelle Hilfe zugesagt und dann versickert alles im Sande." Das wird alles kommen. Das ist ja eine freiwillige Leistung für Leute, die anscheinend nicht imstande waren ihre Häuser anständig zu versichern.

Blau
15. Juni 2020 - 13.30

@Jerry Scholer @Blau: "Augenblicklich wird jedem Arbeitnehmer eine Steuerpauschale für den Arbeitsweg gewährt . Dieser Zuschlag für die Kosten des Transportes ,dem Anfahrtweg wird wohl bei Home Office nicht mehr geschuldet sein." Ich versteh nicht was sie meinen. Sie geben nichts für den Transportweg aus also bekommen sie auch keinen Teil davon vom Steueramt zurück, ist das nicht normal? Sie bekommen ja auch keine 600€ Fahrradkauf-Subvention wenn sie KEIN Fahrrad kaufen.

Laird Glenmore
15. Juni 2020 - 13.11

Die Regierung wird schon dafür sorgen das private Arbeitnehmer beim Home Office schlechter wegkommen als die besser gestellten, es ist immer das gleiche Geld zu Geld und die anderen haben die Arschkarte, ähnlich wie beim Tornado in Bascharage und Petange wo immer noch nicht alle die versprochen Hilfe haben. Erst wird schnelle Hilfe zugesagt und dann versickert alles im Sande. Bei der Pandemie ist es das selbe.

Jerry Scholer
15. Juni 2020 - 8.14

@Blau: Augenblicklich wird jedem Arbeitnehmer eine Steuerpauschale für den Arbeitsweg gewährt . Dieser Zuschlag für die Kosten des Transportes ,dem Anfahrtweg wird wohl bei Home Office nicht mehr geschuldet sein.

Blau
14. Juni 2020 - 13.12

@Jerry Scholer "Vergessen wir auch nicht die Energie Mehrkosten für den Arbeitnehmer die durch das Home Office entstehen." Wir müssen aber auch die Benzinkosten, Versicherung, Reifen, Öl usw abrechnen die wir nicht brauchen um zur Arbeit zu fahren. Auch 2 Stunden Freizeit die man nicht im Stau auf der Autobahn verbringen muss sind nicht schlecht.

Aender T.
14. Juni 2020 - 12.33

@Jerry Scholer: hm..alles eine Sache von Zeit: zur Zeit ist "Krise", und "Endzeitstimmung", da wird eh auf teufelkommraus konsumiert...oder gehortet. . Wenn man aber die vollen Kosten von "pendeln" berechnet, also die gesamte Energie, die in diese recht unsinnige Mobilität gesteckt wird, die gesamten Entstehungskosten für ein Automobil zB, von der Mine bis zu den Auspuffabgasen, Bus- und Zugsysteme, wenn man die hirnrissigen Mengen an weggeworfenem Kantinenessen mit einbezieht, dann kann Home-Office nur energieeffizienter sein. Wenn Menschen mit Kindern dann auch wieder mit Kindern umgehen können, und das alles "normaler" ist, als Tagestätten und allmögliche sonstige Betreuungsstrukturen, wenn unten um die Ecke wieder ein Tante-Emma Laden ist, ein Bäcker oder Metzger, werden alle Wege kürzer und die Verpackungen überflüssiger...dann nutzen nur ein paar Schuhe etwas ab, aber ein paar Gelenke werden geschmiert... was dem gesamten Gesundheitssystem zugute kommt... Licht ausschalten, Türen schließen, Stand-By abschalten, tropische Temperaturen zu Hause vermeiden, und alles andere was heute eigentlich schon "gesunder Menschenverstand" sein sollte wären dann schon fast nur Tropfen auf den heißen Stein... Und niemand hindert jemanden daran, Solarpanele aufzustellen, Solarthermie zu nutzen, Regenwasserauffanganlagen zu installieren , und und und was man sonst noch alles tun kann, um zusätzlich langfristig den Eigenverbrauch zu optimieren... Nichts ist ineffizienter als 2t Stahl auf Rädern rumzukarren um 100kg Mensch zu bewegen. (90kg Mensch: Mutter 70kg, Kind 30kg, Resultat: Stau, Lärm, Gestank vor der Schule. . . .) Wohl gemerkt: mittel- oder langfristig. Kurzfristig ist jeder Systemwandel mit Mehrauffwand verbunden.

Laird Glenmore
14. Juni 2020 - 12.01

So schön und schnell auch die Kommunikation in der digitalen Welt auch ist muß man auch den Nachteil sehen erstens keine menschliche Beziehung zweitens keine Kontrolle vom Arbeitgeber was der Angestellte den ganzen Tag macht, es sei denn Videoüberwachung in den privaten Räumen, wer will das. Wie sieht es mit Industriespionage aus gibt der Angestellte Firmeninterna an dritte usw. usw. Wenn wir früher mal in einem IN CLUB waren und Laurent war auch da dann wurden auch schon mal Gespräche geführt die nichts in einer Kneipe zu suchen hatten alles im Rahmen der Sauferei und am nächsten Tag taten alle so als wenn sie nichts wußten oder gehört hatten. Wenn ich dieses Sandwich Brötchen sehe fallen mir nur amerikanischen Sendungen ein wo richtige Freßorgien abgehalten werden mehr unappetitlich geht es wirklich nicht mehr wie die Neandertaler. Manchmal vermisse ich die alte Zeit mit Anstand und Etikette.

Jerry Scholer
14. Juni 2020 - 9.27

Viele in dem Artikel zitierte Argumente sind nicht zu verwerfen , allerdings wurde zwei Elemente des Home Office nicht in Betracht gezogen und zwar wieweit dieses einen Einfluss auf unseren Stromverbrauch hat , das digitale Netz nicht vor Überlastung zusammenbricht. Vergessen wir auch nicht die Energie Mehrkosten für den Arbeitnehmer die durch das Home Office entstehen . Im Ausland haben neueste Erkenntnisse bewiesen( einige interessante Artikel findet man im Netz dazu oder diversen Printmedien) , der Stromverbrauch durch das Home Office gestiegen , sogar mehr häuslicher Abfall produziert wurde , wie in Nicht-Covid-Zeiten.

girlander
13. Juni 2020 - 19.21

Wenn ich das Foto so ansehe, nehme ich an, dass, wenn man ein Brötchen von heute will, morgen vorbeikommen muss?

Aender T.
13. Juni 2020 - 18.42

Wenn ich den Mann von der Horesca gestern auf RTL richtig verstanden habe, besteht das Problem zum größten Teil nur in der Hauptstadt. Anscheined läuft das Geschäft außerhalb besser...ich vermute mal, weil das Home-Office näher am Dorfbistrot und am Restaurant um die Ecke liegt...wie dann so viele Home-Offices überall. Außer man wohnt in einer dieser seltenen luxemburger Schlafsiedlungen, in die Menschen flüchten, weil ihnen der Pendelerverkehr (außer der eigene natürlich) und die Restaurants und Bars mit oder ohne Terrasse, oder die Diskotheken, und all deren sehr respektvolle Gäste während und nach der Feier eben zu laut sind... Ich wage auch mal zu vermuten, das da nicht nur Fast-Food-(also alles, was in der Mittagsstunde so serviert wird, wie auch immer das Lokal von außen aussieht)-Betreiber bibbern, sondern eher all die Großgrundbesitzer, die keine Miete mehr bekommen...und sich vielleicht nach richtiger Arbeit umsehen müssen...oder Dörfer aufkaufen müssen, um sich neu aufzustellen...mal eine Epicerie in der Schlafsiedlung eröffnen zB. oder eine 25€-Cocktailbar... Ähnlich dürften wohl auch die Spekulanten zittern, die all diese schönen Bürogebäude verpachten, und mit ihnen der ganze Konzern dahinter, vom Kantinenbetreiber mit seinem Pseudogeld (chèques-repas) bis zum Gebäudetechniker . . alles Betriebe die mit sehr viel Grenzgängern arbeiten, bzw, von Grenzgängern arbeiten lassen... Ein gänzlich künstliches System, aufgebläht mit Billigarbeitern bricht in sich zusammen... Man muss nicht einmal über "climate change" reden, wenn man Lebensqualität sagt...außer es wäre nun wirklich der ausdrückliche Wunsch und die einzige Lebenserfüllung für all diese Pendler, im Stau zu stehen, schnell und schlecht zu essen, überteurte Cocktails nach Feierabend zu trinken, oder wie schwitzende Sardienen im ÖT gequetscht zu sein ... täglich, stundenlang... Wird dann weniger konsumiert? Ich denke nicht, nur eben anders. Und die Million Einwohner wird wohl nur durch gute alte Fortpflanzung erreicht.