Hohe EnergiepreiseDie Sonne ist ein großer Teil der Lösung: „Ein Parkplatz deckt den Stromverbrauch eines Haushalts“

Hohe Energiepreise / Die Sonne ist ein großer Teil der Lösung: „Ein Parkplatz deckt den Stromverbrauch eines Haushalts“
Solaranlage auf dem Parkhaus des House of Bio-Health in Esch Foto: Enerdeal

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Bereits seit vielen Jahren wird intensiv über erneuerbare Energie diskutiert. Vorwärts ging es jedoch nur in kleinen Trippelschritten. Die jüngst stark gestiegenen Energiepreise und der Krieg in der Ukraine könnten nun eine radikale Trendwende auslösen, erwartet François Neu von Enerdeal.

„Ich bin überzeugt, dass es gehen wird wie mit Home-Office und mit Covid“, so der Geschäftsführer des Unternehmens Enerdeal. „Seit Jahren wurde am Thema Home-Office gearbeitet und darüber geredet. Passiert ist jedoch nicht viel. Dann kam Covid, und innerhalb von wenigen Tagen war plötzlich alles möglich. Heute ist Home-Office normal.“

„Im Energiesektor wird das auch so passieren“, prophezeit François Neu gegenüber dem Tageblatt. „Es wird auf die Produktion von Erneuerbaren gesetzt werden, die lokal produziert werden können.“ Dabei gehe es nicht „nicht nur um grüne Ideologie“, unterstreicht er. „Auch wirtschaftlich gibt es gute Gründe zur Eile. Die Energiekrise wird kommen.“

„Ich habe noch nie so viel Dynamik gesehen wie heute“, begründet er seine Erwartungen weiter. Sein Unternehmen Enerdeal, mit Sitz in Windhof, plant, baut, unterhält und finanziert Solaranlagen von industrieller Größe. „Ich erhalte derzeit Anrufe von Firmen, die zuvor nur ‚lauwarm’ waren – heute macht jeder Pläne. Mal zum Energiesparen, mal um lokal zu produzieren. (…) Bei den Firmen hat ein radikaler Meinungswechsel stattgefunden.“ Und das liege nicht nur am Krieg in der Ukraine, fügt er hinzu. „Es hat vor sechs Monaten begonnen, als die Energiepreise zu steigen begannen.“

Nachdem der Ölpreis Anfang 2020, im Rahmen des Corona-Stillstands, kurzzeitig auf unter null gefallen war, ist er seit dem Auslaufen der Maßnahmen gegen die Pandemie wieder am Steigen. Die mit der guten Konjunktur gestiegene Nachfrage hatte den Preis pro Barrel bereits zum Ende des letzten Jahres auf über 80 Dollar springen lassen. Sprit-, Gas-, und Strompreise folgten dem Trend und legten ebenfalls zu. Mit dem Angriff der Ukraine spitzte sich die Lage weiter zu. Der Preis sprang auf über 100 Dollar pro Barrel.

Für Unternehmen, die nun in Selbstmitleid versinken, hat François Neu jedoch nur wenig Verständnis. „Sie sollen aufhören zu klagen“, unterstreicht er. „Es gibt Lösungen.“ Die notwendige Technik sei längst da. „Wenn alle Firmen auf den Dächern ihrer Hallen und auf ihren Parkplätzen Solaranlagen installieren würden, wäre bereits sehr viel geholfen.“ Auch in Luxemburg.

Ein Solarpaneel (etwa 2 m2) liefere hierzulande beispielsweise genug Strom, damit ein Auto 2.000 Kilometer weit fahren kann, so Neu. Ein durchschnittlicher Haushalt verbrauche etwa so viel Strom, wie von acht Solarpaneelen im Jahr erzeugt wird. Ein mit Solarpaneelen bedeckter Parkplatz decke somit den Stromverbrauch eines Haushalts, unterstreicht er. „Und davon gibt es viele. Kleistern wir die doch voll. Auch die Dächer von Unternehmen.“ Das Potenzial sei gewaltig (siehe Kasten).

Boom seit dem Jahr 2018

In Luxemburg war die Errichtung von Solaranlagen nach 2012 ins Stocken geraten. Damals waren staatliche Beihilfen für Projekte von mehr als 300 m2 eingestampft worden. Erst nach einer Gesetzesänderung im Jahr 2018 begann der Bereich auch hierzulande wieder zu wachsen. Seitdem habe sich viel verändert, so Neu. Allein sein Unternehmen habe bei einer ganzen Reihe Luxemburger Betrieben Solaranlagen auf Dächern und über Parkplätzen installiert. Dazu zählen beispielsweise der Automobilzulieferer Cebi in Steinsel, Luxlait oder Muller-Pneus.

Gemeinsam mit Sudstroum hat Enerdeal zudem eine gemeinsame Gesellschaft namens „Sud Solar Energy Invest“ gegründet. Gebaut und finanziert wurden beispielsweise Projekte auf den Dächern des Transportdienstleisters TICE, bei Ceratizit in Mamer sowie auf dem Dach des Parkhauses vom House of Bio-Health in Esch. Geplant sind zudem weitere Projekte, etwa auf den Dächern des Belval-Plaza sowie der Firma Eurofoil.

Auch im Ausland ist die 2009 gegründete Enerdeal weiterhin aktiv. Beispielsweise arbeite man derzeit an einem Projekt, um fünf Städte in Madagaskar (mittels Solarpaneelen und Batterien) mit Strom zu versorgen, so Neu. Das Unternehmen zählt an seinen beiden Standorten, Windhof und Brüssel, insgesamt 25 Mitarbeiter. Privatpersonen bietet die Firma ihre Dienstleistungen nicht an. „Es bedarf einer gewissen Größe und Fläche, damit sich alles rechnet.“

Der Preis für Batterien wird künftig so sehr fallen, dass es immer attraktiver wird, den selbst hergestellten Strom auch selber zu verbrauchen

François Neu, Geschäftsführer

In Luxemburg werde die Entwicklung zurzeit noch dadurch gebremst, dass es aktuell nur eine Ausschreibung im Jahr für sehr große Projekte gebe, so Neu. Hintergrund sei wohl die Sorge gewesen, eine unkontrollierbare Explosion beim Volumen der staatlichen Beihilfen zu vermeiden.

Dabei bräuchte man heute eigentlich keine staatlichen Beihilfen mehr, unterstreicht der Geschäftsführer von Enerdeal. „Die Preise sind heute so hoch, dass sich eine Installation auch ohne staatliche Beihilfen lohnt.“ Vor einem Jahr kostete ein MWh für industrielle Kunden etwa 50 Euro. Heute ist der Preis näher bei 250 Euro. Letzte Woche in Großbritannien sei er sogar kurzfristig (für sofortige Lieferung) auf 850 MWh gestiegen. „Der Eigenverbrauch ist heute attraktiver als die Errichtung einer Anlage mit Beihilfen.“

Mit Solaranlagen könne man Geld verdienen, für Versorgungssicherheit sorgen und weniger abhängig von Preisschwankungen sein, wirbt Neu für das Angebot seines Unternehmens. Die Anfangsinvestition in ein Solarkraftwerk könne innerhalb von fünf bis sieben Jahren amortisiert werden. Danach habe man dann kostenfreien Strom. Mit den Beihilfen (feste Einspeisetarife) wäre eine Anlage in sieben Jahren abbezahlt, ganz ohne Risiko – ohne Beihilfen (mit den hohen Preisen auf dem freien Markt) heute sogar noch schneller. Die Lebensdauer eines Solarkraftwerks beträgt rund 30 Jahre. Meist bieten die Hersteller 25 Jahre Garantie.

Dass die Energiepreise in Zukunft wieder stark zurückgehen werden, glaubt er nicht. „Die Energiepreise explodieren und leider deutet alles darauf hin, dass dies so bleiben wird.“ Mit der zunehmenden Elektrifizierung des Fahrzeugparks werden Nachfrage und Verbrauch weiter steigen. Auch Umwelt-Aspekte, Kampf gegen den Klimawandel und CO₂-Zertifikate werden den Preis weiter antreiben.

François Neu, Geschäftsführer von Enerdeal, sieht eine Revolution im Bereich der Batterien
François Neu, Geschäftsführer von Enerdeal, sieht eine Revolution im Bereich der Batterien Foto: Editpress/Tania Feller

Dennoch ist er der Überzeugung, dass es richtig ist, zunehmend auf die Energieform Strom zu setzen. „Gas und Kohle wollen wir nicht mehr. Doch wir haben immer mehr Verbrauch. Für Auto und Heizung.“ Hinzu komme nun, dass „der Krieg in der Ukraine uns daran erinnert hat, wie fragil die Abhängigkeit von unseren Energieimporten, insbesondere aus Russland, ist“, so Neu. „Strom hingegen können wir überall, auch in Luxemburg, herstellen. Jeder hat Strom. Und das Netz ist überall.“

Autonomie und Versorgungssicherheit

Zuversichtlich stimmt ihn auch, dass nach der Revolution der Preise im Solarbereich, die bereits stattgefunden hat, die Welt nun vor einer Revolution im Bereich der Batterien stehe. Hintergrund sei unter anderem die stark zunehmende Produktion durch die E-Mobilität. „Der Preis für Batterien wird künftig so sehr fallen, dass es immer attraktiver wird, den selbst hergestellten Strom auch selber zu verbrauchen“, sagt Neu voraus.

Selbst heute sei es bereits wirtschaftlich sinnvoll, so der Geschäftsführer von Enerdeal. Nahe Bastogne in Belgien sei beispielsweise von privaten Investoren ein Batterie-Park errichtet worden, um Schwankungen zwischen Produktion und Verbrauch auszugleichen. Hintergrund der Entwicklung seien einerseits die Verbesserungen der Technologie und andererseits die gestiegenen Strompreise. Und die Technik werde sich noch weiter verbessern.

Während alle Formen der erneuerbaren Energien (Wind, Wasser, Sonne) mehr Autonomie und Versorgungssicherheit mit sich bringen, sieht er doch vor allem im Bereich der Solarenergie am meisten Möglichkeiten. Es sei die wohl einfachste, schnellste und verfügbarste Lösung, sagt er. Wasserkraft sei nur begrenzt verfügbar, Biogas sei schwierig, Windräder zu errichten, dauere Jahre. Dennoch sagt auch er, dass die Solarenergie zwar ein großer Teil der Lösung, jedoch nicht die Lösung aller Probleme sei.

Kulturwandel in China

Auch in China, wo derzeit rund 90 Prozent aller Solarpaneele der Welt hergestellt werden, habe in den letzten Jahren ein Wandel stattgefunden, so François Neu gegenüber dem Tageblatt: Während vor einigen Jahren noch fast die gesamte Produktion nach Europa exportiert wurde, werden mittlerweile etwa die Hälfte der hergestellten Paneele in China selber installiert.

„Und die machen das nicht einfach aus grüner Ideologie“, so Neu weiter. „Da spielen vor allem wirtschaftliche Faktoren eine Rolle.“ Sobald die installierte Anlage (nach 6-7 Jahren) abgezahlt ist, habe das Unternehmen nämlich kostenlosen Strom zur Verfügung. Und das während einer ganzen Reihe Jahren. „Das ist ein strategischer Wettbewerbsvorteil. Wer die billigste Energie hat, der wird den kommerziellen Erfolg haben.“

Dass ein derart großer Anteil der Produktion von Solarpaneelen in China stattfindet, bedauert er, wie viele andere Experten auch, nicht. Zwar sei einerseits traurig, wenn eine Produktion Europa verlasse, andererseits jedoch habe dies eine preisliche Revolution in der Branche, und somit auch ihren wirtschaftlichen Durchbruch, bewirkt. Die Produktion in China habe die Kosten pro Solarpaneel derart nach unten gedrückt, dass sich Kauf und Installation heute auch aus rein finanziellen Gründen lohnen.

Würde man auf eine Herstellung in Europa setzen, dann würde die Produktion etwa 40 Prozent teurer ausfallen, erklärt er. Es handle sich um ein technisch sehr einfach herzustellendes Massenprodukt. Lokale Jobs schaffe die Branche trotzdem auch hierzulande, etwa durch die Errichtung der Anlagen und den Unterhalt.

Abhängig von Importen

Nur ein kleiner Teil des in Luxemburg verkauften Stroms wird auch hierzulande hergestellt. Das Land ist stark abhängig von Importen. Im Jahr 2020 musste das Großherzogtum 80,7 Prozent seines Stroms im Ausland einkaufen. Im Vorjahr waren es 84,1 Prozent.

Von den 19,3 Prozent des nationalen Verbrauchs (1.208 GWh), die Luxemburg 2020 durch die heimische Produktion decken konnte, stammte der Großteil aus Wind und Biomasse (351 GWh und 266 GWh), gefolgt von Erdgas (184 GWh) und Fotovoltaik (160 GWh).

Innerhalb von fünf Jahren hat sich die hiesige Produktion von erneuerbarer Energie mehr als verdoppelt. 2020 stammten 15,6 Prozent des Konsums aus nationalen erneuerbaren Energiequellen. 2019 waren es 12,2 Prozent des gesamten Verbrauchs und ein Jahr davor 10,4 Prozent. 2015 lag die Quote der Erneuerbaren bei gerade mal 6,8 Prozent.

Die Zahl der Fotovoltaikanlagen, mit denen hierzulande Sonnenenergie in elektrischen Strom umgewandelt wird, ist derweil zwischen 2015 und 2020 explodiert. 2.382 Anlagen sind in diesem Zeitraum hinzugekommen, sodass im Juli 2020 genau 8.361 Anlagen gezählt wurden. Die installierte Leistung stieg in diesen Jahren um 61,2 Prozent. Solaranlagen aus Luxemburg deckten 2020 fast drei Prozent des nationalen Stromverbrauchs.

Viel ungenutztes Potenzial in Luxemburg

„Wir haben auch in Luxemburg die Möglichkeit, lokale Produktionskapazitäten aufzubauen, die es uns ermöglichen, unabhängiger zu werden“, unterstreicht François Neu. Das ungenutzte Potenzial im Lande ist ihm zufolge gewaltig.

Beispielsweise könnten alle Parkplätze, Bahnhöfe und P+R-Anlagen mit Solarmodulen versehen werden. Auch gebe es bereits eine Reihe Flughäfen weltweit, etwa Rotterdam, die auf ihren Dächern Solaranlagen errichtet haben. Am Flughafen in Saarbrücken wurden sogar Module entlang der Start- und Landebahn installiert, hebt Neu hervor. Solche Projekte müssten den Staat, die CFL oder Luxairport nicht einmal etwas kosten, da es Drittfinanzierungslösungen gebe, unterstreicht er. „Auch die partizipative Finanzierung (durch Bürger) wäre eine tolle Idee.“

Mehr als 300 Hektar wurden in Luxemburg zubetoniert, nur damit Menschen dort ihren Wagen abstellen können, hatte auch Energieminister Claude Turmes hervorgehoben, als der erste Solar-Carport in Luxemburg, beim House of Bio-Health in Esch, im Dezember 2020 in Betrieb genommen wurde. Umgerechnet wären dies rund 320 Fußballplätze, die aktuell nur einem einzigen Zweck dienen. Reinste Verschwendung, so der Minister. Auch im Ausland rüsten immer mehr Unternehmen ihre Parkplätze mit Fotovoltaikanlagen aus und bauen sogenannte Solar-Carports.

Um unseren derzeitigen Stromverbrauch abzudecken, müsste man eine Fläche von 1,3 Prozent des Landes mit Solarzellen bedecken, sagte Susanne Siebentritt, Forscherin der Uni.lu, vor etwa vier Jahren in einem Gespräch mit dem Tageblatt. Das ist in etwa zehnmal die Fläche des Findel. Man könnte den Eigenverbrauch also abdecken. „Und auch wenn langfristig der Verbrauch zulegt – es steigt auch der Wirkungsgrad der Solarzellen.“

Weiterführende Lektüre:

– Luxemburger Tankstellen auf der Suche nach dem Geschäftsmodell der Zukunft
– Erste Maßnahmen der Regierung zum Abfedern der hohen Energiepreise
– Europa erklärte zu Jahresbeginn, dass Erdgas und Atomenergie „im Einklang mit den Klima- und Umweltzielen der EU“ stehe
– Nach Kriegsbeginn plant Europa die Abhängigkeit von Gas aus Russland stark zu reduzieren

cmuller
22. März 2022 - 13.42

@Lianne Ein Parkplatz für ein Auto ist gemeint

Lianne
22. März 2022 - 1.15

Mit 1 Parkplatz, ist da 1 Auto-Parkplatz gemeint oder ein 1000 Auto-Parkplatz wie auf dem Foto?