GeldwertÖlpreis und Inflation – Ein Jahr nach dem Preissturz

Geldwert / Ölpreis und Inflation – Ein Jahr nach dem Preissturz
Kein anderes Produkt beeinflusst die Inflationsrate so sehr wie der Ölpreis.  Foto: AFP/Paul Ratje

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Der Corona-Stillstand hatte direkte Folgen für Konjunktur und Konsum. In der Folge ist der Ölpreis eingebrochen und während des ganzen Jahres 2020 zeigten die Inflationsraten Preise von Konsumgütern, die nicht mehr zulegten. Seit Januar 2021 steigen die Preise nun wieder. Sorgen um eine langfristige Geldentwertung macht sich der Volkswirt François Rimeu jedoch nicht.

Heute vor einem Jahr war das Unmögliche passiert. Erstmals in der Geschichte war der Preis für ein Barrel Öl (159 Liter) auf einen Preis von unter null Euro gefallen. Hintergrund war der Beginn des Corona-Stillstands. Mit dem Konjunktureinbruch schrumpfte auch die Nachfrage nach dem schwarzen Gold. Der Terminkontrakt für eine Lieferung von US-Rohöl im Mai kostete zeitweise minus 18,20 US-Dollar je Barrel. Mit anderen Worten: Wer Öl kaufte, der wurde vom Verkäufer dafür bezahlt.

„Normalerweise sind Futures (Red.: Verpflichtende Verträge, um ein Produkt zu einem festen Preis an einem bestimmten Datum zu kaufen) sehr stabil“, so François Rimeu, Senior Strategist beim Vermögensverwalter La Française AM. „Aber die Nachfrage war in kürzester Zeit um etwa 20 Prozent eingebrochen (von 100 auf 80 Milliarden Barrel pro Tag). Es war eine Überraschung für alle. Niemand hatte damit gerechnet. Niemand war darauf vorbereitet. Öl war für eine kurze Zeit unverkäuflich.“

Betroffen waren vor allem die Preise von Terminkontrakten für US-Rohöl. Wegen der eingebrochenen Nachfrage – bei gleich hoch gebliebenen Lieferungen – waren die bestehenden Lagerkapazitäten Mangelware. Um zu vermeiden, das Öl tatsächlich in Empfang zu nehmen und für die Lagerung zahlen zu müssen, waren die betroffenen Händler bereit, zu zahlen, um sich der heißen Kartoffel zu entledigen. „Wer ein Future hat, müsste auch für die Lagerung sorgen“, so Rimeu. „Und das kostet.“

„Das wird wahrscheinlich nie wieder passieren“

„Das war aber nur ganz kurz so“, so der Marktanalyst weiter, „auf dem Höhepunkt der Krise. Danach hat sich das sehr schnell wieder eingependelt. Im Monat danach war alles wieder normal.“ Der Ölpreis, der das Jahr 2020 auf einem Niveau von etwa 60 Dollar pro Barrel begonnen hatte, beendete das Jahr schließlich mit einem Barrel-Preis von rund 50 Dollar. „Das wird wahrscheinlich nie wieder passieren“, ist François Rimeu überzeugt.

Seit Jahresbeginn 2021 hat der Ölpreis wieder eine Höhenfahrt hingelegt. Auf aktuell rund 65 Dollar pro Barrel. Das liegt einerseits an dem verbesserten konjunkturellen Umfeld, den Impfstoffen und optimistischeren Wachstumserwartungen. Und andererseits hat die OPEC das Angebot verkleinert. Im Gegensatz zum Vorjahr ist die Nachfrage höher als das Angebot, so der Analyst.

Den aktuellen Ölpreis (60 bis 65 Dollar pro Barrel) bezeichnet er als „ausgeglichen“. Er sei gut für die Weltwirtschaft und gut für die Produzenten. „Ein gutes Gleichgewicht. Das müsste jedem passen.“ Höhere Preise würden das Wachstum abwürgen und gleichzeitig für neue Bohrlöcher in den USA sorgen. Die Fracking-Industrie hat derweil stark unter der Preisentwicklung von 2020 gelitten. Die Zahl der neuen Bohrlöcher sei von 700 Ende 2019 auf etwa 200 gefallen. Zwar gebe es viel Stress in dem Markt, doch die große, befürchtete Pleitewelle sei nicht eingetreten. „Mittelfristig wird wieder mit einer Normalisierung des Marktes gerechnet. Es gibt aber nicht mehr die gleiche Dynamik“, so Rimeu. Die Zahl der Bohrlöcher ist mittlerweile wieder leicht, auf 300, gestiegen.

Mit einem erneuten Rückgang der Preise rechnet er nicht. „Sowohl die Zentralbanken als auch vor allem die Regierungen stützen die Konjunktur“, unterstreicht er. Weltweit werde mit sechs Prozent Wachstum gerechnet. Das wirke sich auf die Öl-Nachfrage aus. Wie auch das kältere Wetter. „Die Faustregel lautet: Ein Prozent mehr Wachstum bedeutet ein halbes Prozent mehr Ölnachfrage.“ Und bei einem Wiederaufschwung könne es noch mehr sein, sagt er. Bis Jahresende soll die Nachfrage wieder auf Vorkrisenniveau liegen. „Das treibt den Ölpreis.“

Eine geteilte Inflationsrate

Parallel zu den Corona-bedingten Stillstandsmaßnahmen und dem eingebrochenen Ölpreis war letztes Jahr auch die Inflationsrate (Preissteigerungsrate; Vergleich der aktuellen Preise mit dem Vorjahr) eingebrochen. Im Euroraum lagen die Preissteigerungen 2020, laut dem Verbraucherpreisindex von Eurostat, nur noch bei 0,3 Prozent. Von August bis Dezember wurden sogar rückläufige Preise gemessen. Auch in Luxemburg war die Inflationsrate, Statec zufolge, im Gesamtjahr 2020 mit 0,8 Prozent überaus niedrig.

François Rimeu, Senior Strategist bei La Française AM
François Rimeu, Senior Strategist bei La Française AM  Foto: La Française AM

Das sei jedoch nur ein Teil des Bildes, sagt François Rimeu. Angetrieben von den Geldspritzen der Zentralbank hätten sich zwar nicht Konsumgüter verteuert, dafür aber Finanzwerte und Immobilien

Zusammen mit der stärkeren Konjunktur und den anziehenden Ölpreisen wird nun erwartet, dass auch die offizielle Geldentwertungsrate wieder zulegt. Im März war sie bereits deutlich höher als im Vorjahr. Für 2021 rechnet Statec mit 1,7 Prozent, im darauffolgenden Jahr mit 1,8 Prozent.

Angst vor einer langfristig hohen Inflationsrate hat Rimeu nicht. „Wir rechnen nur mit höheren Werten im Laufe des Jahres.“ Nur solange der Verbrauch staatlich gefördert wird, sollten auch die Preise steigen, sagt er. Wie langes es dauert, hänge von der Dauer der Maßnahmen ab. „Das geht nicht ewig. Es schafft Defizite.“ Zudem wäre er nicht überrascht, wenn das in den letzten Monaten angesparte Geld zu höheren Kosten bei Dienstleistungen, etwa beim Frisör oder für Reisen, führen würde. Doch auch das wäre nicht strukturell, ist er überzeugt. In Europa rechnet er im vierten Quartal in Europa mit einem Höhepunkt der Inflationsrate von bis zu 1,9 Prozent. Danach dürfte sie dann aber wieder rückläufig sein.

Entwicklung des Ölpreises (WTI; in US-Dollar) in den letzten Jahren
Entwicklung des Ölpreises (WTI; in US-Dollar) in den letzten Jahren Screenshot: www.finanzen.net