Krieg in der UkraineRegierung stellt Maßnahmen zum Abfedern der Preissteigerungen bei Energie vor

Krieg in der Ukraine / Regierung stellt Maßnahmen zum Abfedern der Preissteigerungen bei Energie vor
Wirtschaftsminister Franz Fayot, Energieminister Claude Turmes, Premier Xavier Bettel und Familienministerin Corinne Cahen am Montag in Sennigen Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Die bereits sehr hohen Energiepreise werden durch den russischen Angriff auf die Ukraine nun wohl noch weiter befeuert werden. Am Montag reagierte die Luxemburger Regierung. Sie hat sie ein umfassendes Maßnahmenpaket angekündigt. Noch mehr soll folgen.

„Die Welt ist heute nicht mehr die gleiche“, so Premierminister Xavier Bettel am Montagnachmittag vor Journalisten im Schloss Senningen. „Europa ist im Krieg mit – und durch – Russland. (…) Seit fünf Tagen verlieren Unschuldige alles.“ Etwas Derartiges habe man in Luxemburg seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gespürt, so der Premier.

Auf den Horror, die Gewalt, die Angst und das unvorstellbare Leid habe Luxemburg „schnell und geeint“ reagiert, so Bettel weiter. Sanktionen, „wie es sie bisher noch nie gab“, sollen nun helfen, um Russland zum Einlenken zu bewegen. „Sanktionen dort, wo es wehtut.“ Beispielsweise soll der russische Propaganda-Sender Russia Today (RT) verboten werden. „Um Pressefreiheit gehe es dabei nicht“, so der Premier. „RT ist eine Waffe des russischen Staates. Ein Teil des Krieges.“ Sowohl bei der Luxemburger Post als auch die Verbreitung durch den Satellitenbetreiber SES sollen eingestellt werden. „Das ist leider notwendig.“ Zudem erinnerte er an die Ankündigung des Luxemburger Verteidigungsministeriums, unterstützendes Material in die Ukraine zu schicken, und an den Luftraum, der für russische Flugzeuge gesperrt wurde.

Auch eine Hilfe von einer Million Euro für die Menschen auf der Flucht hat die Regierung bereits entschieden. „Das ist nur eine erste Hilfe“, so der Premierminister. „Mehr wird noch folgen. (…) Als EU und als Land werden wir unsere Verantwortung übernehmen.“ Der Premierminister geht von deutlich höheren Zahlen aus, als die bestehende Kapazität ermögliche. Mit bis zu vier Millionen Flüchtlingen wird mittlerweile insgesamt gerechnet. Luxemburg arbeite aktuell daran, seine Möglichkeiten, um kurzfristig Flüchtlinge aufzunehmen, zu erweitern, so der Premier. In jedem EU-Land würden die Flüchtenden die Möglichkeit zum Bleiben und auch zum Arbeiten erhalten.

„Gegen-Sanktionen riskieren uns alle zu treffen“

Derweil werden die Sanktionen nicht nur den Aggressor treffen, so der Premierminister weiter. „Die Gegen-Sanktionen riskieren uns alle zu treffen“, warnt er bei seinem gemeinsamen Auftritt mit Familienministerin Corinne Cahen, Wirtschaftsminister Franz Fayot, und Energieminister Claude Turmes am Montag in Sennigen. „Der Frieden hat seinen Preis. Und wir müssen bereit sein, den zu bezahlen.“

Bereits absehbar ist, dass die Energiepreise künftig weiter zulegen werden. Das werde alle Bürger und Unternehmen treffen, so Bettel. „Aber wir werden versuchen, die Auswirkungen so klein wie möglich zu halten.“ Eine  Reihe Maßnahmen wurde nun diesbezüglich entschieden. Auf dem „Energiedësch“ vor der Pressekonferenz hatten sich die Regierungsvertreter unter anderem mit Unternehmensvertretern aus der Energiebranche zusammengesetzt, um das Land vorzubereiten. Allein die nun entschiedenen Maßnahmen für die Haushalte sollen den Staatshaushalt 75 Millionen Euro kosten.

Um die Menschen etwas von den Folgen der höheren Preise abzuschirmen, sei etwa entschieden worden, dass beim Gas – wo die Preise besonders stark gestiegen sind – der Staat dieses und nächstes Jahr einen Teil der Netzkosten übernehmen werde, kündigte Energieminister Claude Turmes an. Diese stellen einen bedeutenden Anteil am Gaspreis, den die Verbraucher zahlen, dar. Für einen durchschnittlichen Haushalt könne dies Einsparungen von bis zu 500 Euro bedeuten, so Turmes. „Und diese Hilfe erreicht alle Haushalte“, unterstrich er.

Die Erneuerbaren sind die Energien des Friedens. Da kann niemand erpresst werden.

Claude Turmes, Energieminister

Den Strompreis für Haushaltskunden will die Regierung durch eine Erhöhung des staatlichen Beitrages zum  Ausgleichsmechanismus, der zur Finanzierung des Ausbaus erneuerbarer Energien dient, stabilisieren. Was den Ölpreis, über den die Regierung keinen direkten Einfluss hat, angeht, so wartet die Regierung auf anstehende Entscheidungen aus Brüssel, und von der Welt-Energieagentur. „Die Erneuerbaren sind die Energien des Friedens. Da kann niemand erpresst werden“, unterstrich Turmes am Montag.

Wirtschaftsminister Franz Fayot und Energieminister Claude Turmes arbeiten derzeit an einem Hilfspaket für Luxemburger Unternehmen
Wirtschaftsminister Franz Fayot und Energieminister Claude Turmes arbeiten derzeit an einem Hilfspaket für Luxemburger Unternehmen Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Neben diesen Hilfen wird die Regierung sozial benachteiligten Haushalten zusätzlich unter die Arme greifen, fügte Familienministerin Corinne Cahen hinzu. Eingeführt wird beispielsweise eine Energieprämie von zwischen 200 und 400 Euro (je nach Größe des Haushalts). Diese ist für Menschen, die die Teuerungszulage („Allocation de vie chère“) erhalten, und für die, deren Einkommen 25 Prozent über dieser Marke liegen. Über Guichet.lu soll es künftig möglich werden, diese zu beantragen. Auch habe man mit den Energieversorgern darüber geredet, dass im Falle von unbezahlten Rechnungen die Sozialämter eingeschaltet werden – auf dass niemandem die Energie abgeschaltet wird. Hier stehen nicht-rückzahlbare Hilfen zur Verfügung, so Cahen.

„Der derzeitige Anstieg der Energiepreise trifft die Haushalte, aber auch die Unternehmen hart“, so Wirtschaftsminister Franz Fayot weiter. Demnach sollen auch die Unternehmen Hilfen erhalten, um die steigenden Energiekosten zu meistern. Dieses Maßnahmenpaket war am Montag aber noch nicht ganz ausgearbeitet. Man habe aber bereits einige „Pisten“, so Fayot. „Wir werden die Wirtschaft nicht im Stich lassen.“ Die Regierung arbeite an gezielten Hilfen, um die Firmen zu erreichen, die Hilfen benötigen. Ein mögliches Instrument wäre, betroffenen Unternehmen die Möglichkeit der Kurzarbeit anzubieten. Gleichzeitig wartet die Regierung jedoch noch auf anstehende Entscheidungen aus Brüssel, was das Recht angeht, Energiehilfen an Firmen zu verteilen.

Nur wenig Gas aus Russland

Um die Versorgungssicherheit müsse sich Luxemburg derweil keine Sorgen machen, so Energieminister Claude Turmes. Das zähle sowohl für Gas als auch für Strom und Öl. Beim Gas wird der luxemburgisch-belgische Markt über eine Pipeline aus Norwegen und eine aus den Niederlanden beliefert. Zudem könne man von Belgiens Häfen aus gut mit LNG (Flüssiggas) versorgt werden, so der Minister. „Luxemburg erhält nur wenig Gas von Gazprom.“ In anderen Ländern ist das anders: Österreich beispielsweise importiert 80 Prozent seines Erdgases aus Russland.

Weiter erklärte Turmes, europaweit sei bei der Versorgung mit Gas nun „das Wichtigste, sich auf den kommenden Winter vorzubereiten“. Doch glücklicherweise habe Europa, nachdem Putin vor rund zehn Jahren bereits einen Gas-Krieg gegen die Ukraine geführt hatte, richtige Maßnahmen getroffen. Das Netz der Gaspipelines wurde erneuert und auch der Transport des Gases von Westen nach Osten ermöglicht. „Zudem sind LNG-Terminals gebaut worden.“

Das alles rette uns heute, so der Energieminister. Die einzige Schwäche aktuell seien die Gas-Speicher. Bisher konnten die Firmen entscheiden, wann und ob sie ihre Speicher füllen – mit dem Resultat, dass die vielen Gas-Speicher, die der russische Konzern Gazprom selber betreibt, zuletzt kaum gefüllt wurden. Doch das soll sich nun schnell ändern. Es werde an Gesetzen gearbeitet, um sicherzustellen, dass Europas Gas-Speicher bis kommenden Winter gefüllt würden, so Turmes.

Um langfristig aus der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern herauszukommen, will die Regierung zudem auch weiterhin Maßnahmen zur Förderung des Energiewandels, insbesondere in den Bereichen Energieeffizienz und erneuerbare Energien, entwickeln.

Zum sofortigen EU-Beitritt

Bei der Frage eines sofortigen EU-Beitritts der Ukraine hob Luxemburgs Premierminister hervor, dass es diesbezüglich festgeschriebene Kriterien gibt. „Dazu müsste man die Verträge ändern.“ Auch gebe es mit Moldawien und Georgien noch weitere Länder in einer ähnlichen Situation wie die Ukraine, gab er zu bedenken. Man dürfe die aktuell in der EU vorherrschende Solidarität nun nicht durch ein zu starkes Vorpreschen aufs Spiel setzen.