MeinungDeutsche Regierung will Probleme in der Fleischbranche bekämpfen

Meinung / Deutsche Regierung will Probleme in der Fleischbranche bekämpfen
Aktivisten von Greenpeace demonstrieren mit Plakaten vor dem Bundeskanzleramt gegen die Fleischindustrie. Foto: Kay Nietfeld/dpa

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Offenbar brauchte es eine welterschütternde Virus-Pandemie, um politisch zu begreifen, welche Schweinereien sich tagtäglich in vielen deutschen Schlachtbetrieben abspielen. Doch besser spät als nie.

Eingedenk der sich häufenden Infektionen osteuropäischer Vertragsarbeiter an ihren Arbeitsplätzen oder Sammelwohnorten ist die Bundesregierung endlich aufgewacht, soll die Branche stärker an die Kandare genommen werden. Der Aufschrei aus dem Arbeitgeberlager kam prompt. Doch es geht eben nicht nur um einige wenige schwarze Schafe, wie man dort immer noch glauben will. Das Grundproblem ist ein Geschäftsmodell, das auf Billigfleisch um jeden Preis getrimmt ist. Sogar um den Preis der Menschenverachtung. Deshalb gehört es abgeschafft.

Sicher sind sogenannte Werkverträge nicht per se schlecht. Eine flexible Vertragsgestaltung kann durchaus sinnvoll sein. Bei der Erbringung von Architektenleistungen zum Beispiel oder der Erstellung von Gutachten. In der Fleischbranche hat sich dadurch jedoch ein Produktionsmodell etabliert, das auf moderner Sklaverei beruht. Vom Schlachten über das Zerlegen bis zum Verarbeiten und Verpacken sind zahlreiche Subunternehmen am Werk, um ganz im Sinne des Auftraggebers die Produktionskosten zu drücken und Verantwortlichkeiten zu verschleiern. Auf diese Weise lässt sich selbst der nicht eben üppige, gesetzliche Mindestlohn leichter umgehen und die Arbeitszeit über das gesetzliche Höchstmaß hinaus verlängern. Begünstigt wurden und werden solche unhaltbaren Zustände durch immer weniger staatliche Kontrollen. Auch hier will die Regierung jetzt nachbessern. Es ist höchste Zeit.

In der Fleischbranche wird nun ein drohender Wettbewerbsnachteil beklagt. Doch in Wahrheit geht es um den befürchteten Verlust unlauterer Wettbewerbsvorteile. Derzeit hat nämlich das Nachsehen, wer seine Beschäftigten anständig behandelt und menschenwürdig unterbringt. Das regierungsoffizielle Umsteuern ist damit auch im Interesse jener Betriebe, die sich immer schon strikt an offiziell geltende Standards gehalten haben.

Fleisch mehr wertschätzen

Wird das Fleisch deshalb nun auf längere Sicht spürbar teurer werden? Damit ist zu rechnen, wenn die Bundesregierung ihre jüngste Absichtserklärung konsequent in Gesetzesform bringt. Höhere Auflagen für die Branche haben sicher ihren Preis. Verhungern wird deshalb aber niemand. Nach einer aktuellen Untersuchung wurde Fleisch in den letzten Jahrzehnten immer erschwinglicher, weil die Löhne deutlich mehr zugelegt haben als die Preise für Rinderhack oder Schweinekotelett. Da geht noch was.

Viel ist in Zeiten der Corona-Krise von Wertschätzung die Rede. Gegenüber Menschen, die den Laden am Laufen halten. Auch gegenüber manchen Produkten ist die Achtung wenig ausgeprägt. Es muss ja nicht ausschließlich der berühmte Sonntagsbraten sein, auf den man sich in früheren Generationen beschränkte, beschränken musste. Aber etwas mehr Wertschätzung hat Fleisch zweifellos auch heute verdient.