EditorialDer Exit des Mr. Brexit: Chaos in Großbritannien

Editorial / Der Exit des Mr. Brexit: Chaos in Großbritannien
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Boris Johnson hat am Donnerstag offiziell seinen Rücktritt als Premierminister und Parteichef der Konservativen in Großbritannien verkündet. Ein Schritt, der kaum jemanden überraschen dürfte. Denn das Ende mit Schrecken war nach den vielen Lügen, Affären und Skandalen abzusehen. Der Massenrücktritt von mehr als 50 Regierungsmitgliedern und -angestellten war nur der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat – und Johnson eigentlich quasi zum Rücktritt gezwungen hat. 

Dass ihm der Schritt alles andere als leichtfiel, wurde bei seiner Rede am Donnerstag deutlich. In seinen Worten schwang der persönliche Glaube mit, dass ihm seine Kollegen das Messer in den Rücken gerammt haben. Von Einsicht seiner vielen Fehler keine Spur. 

Doch wer denkt, mit dem Rücktritt des Briten mit der wilden Frisur würde nun schnell wieder Normalität (und Vernunft) in Großbritannien herrschen, hat weit gefehlt. Der schlechteste britische Premier hinterlässt nach seiner Amtszeit einen Scherbenhaufen und die, die sich darum streiten werden, wer sich nun auf dessen Spitze setzen wird, sind nicht unbedingt besser als der scheidende Populist. Sie haben seine Politik mitgetragen, haben seine Skandale so lange gedeckt, bis sie keine andere Wahl mehr hatten. Kurz, Johnsons opportunistische Art, Politik zu machen, wird auch künftig Nachahmer finden. 

Als Beispiel das Gezerre um die Auswirkungen des Brexits. Zwar macht sich in Brüssel Hoffnung breit, dass nun ein „Reset“ die Diskussionen um das Nordirland-Protokoll erleichtern wird. Doch da weitere Brexit-Hardliner als mögliche Nachfolger Johnsons gehandelt werden, wird die Beziehung zu dem Ex-Mitglied der EU wohl weiter Kopfzerbrechen bereiten. Und falls irgendwer noch auf eine Umkehr des Brexits hofft, lebt er in einer Traumwelt. Der Brexit ist gekommen, um zu bleiben. Selbst wenn „Mr. Brexit“ nicht mehr an der Spitze des Inselstaates steht. 

Unklar ist auch, was der Machtwechsel in den nächsten Monaten für Großbritannien selbst bedeutet. Während die Inflation die Preise in die Höhe schraubt, die Energiekrise weiter die Haushalte und Betriebe unter Druck setzt, die Schere zwischen Arm und Reich weiter aufgerissen wird, viele Hilfsprogramme nicht wirken, das Handeln gegen den Klimawandel immer dringender wird und sich in Schottland und Nordirland die Rufe nach Unabhängigkeit wieder mehren, ist, bis die neue Regierung steht, Großbritannien im Leerlauf. Johnson hat angekündigt, keine Policy-Entscheidungen mehr treffen zu wollen. Es ist zweifelhaft, wie handlungsfähig die Johnson-Administration in den kommenden Wochen sein wird, da nun viele Posten neu besetzt werden müssen. Politisch dümpelt der Inselstaat also nun vor sich her. 

Man darf sich fragen, ob die Machtübergabe so unproblematisch über die Bühne gehen wird. Denn Johnson hat bewiesen, dass er alles andere als berechenbar ist – und ein eifriger Nachahmer von Trumps Taktiken. Wird „Teflon-Boris“ sich nun einfach still und leise seinem Schicksal ergeben? Oder wird er versuchen, die Wahl seines Nachfolgers zu beeinflussen oder gar zu verhindern? Die Reaktionen der eigenen Partei gegenüber britischen Medien zeigen deutlich: Die Konservativen trauen ihrem ehemaligen Parteichef und seinen Absichten nicht über den Weg. 

Mit seinen Lügen und Skandalen hat Boris Johnson sein Land k.o. gesetzt. Und das in einer Zeit, in der auf internationaler Bühne Stärke und Zusammenhalt gefragt sind. Im Kreml wurde der Rücktritt schon mit großer Schadenfreude vernommen. 

Grober J-P.
8. Juli 2022 - 13.17

Bitte um Info, kommt jetzt der Exit aus dem Brexit? Das wäre was für meinen Freund Gregory aus Manchester, seit dem Brexit ist er untergetaucht.