Vieles weiss der Ex-Chef nicht mehr

Vieles weiss der Ex-Chef nicht mehr

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Der frühere langjährige Geheimdienstchef Charles Hoffmann steht am Montag im Zeugenstand. Er soll Details zur Anschlagsserie zwischen 1984 und 1986 liefern.

Verschwanden Akten über die Bommeleeër-Affäre aus dem Parlament? Um auf diese Frage zu antworten, hatte das Gericht am Montag den Generalsekretär des Parlaments, Claude Frieseisen, einbestellt. Ob sein Vorgänger Akten mitgenommen habe, wisse er nicht, sagt Frieseisen, der sogar bezweifelt, dass es in der Chamber Unterlagen über die Anschläge gegeben haben soll. Es habe aber Unterlagen über Gladio gegeben – Berichte aus Zeitungen und Arbeitsgruppen der Chamber. Diese Unterlagen seien jedoch derzeit nicht auffindbar. Mögliche Dokumentationen über Stay-Behind aus Arbeitsgruppen durften nur vor Ort eingesehen werden, betont Frieseisen. Aus Sicherheitsgründen seien sie jedoch nicht archiviert worden. Damit war die Befragung von Claude Frieseisen am Montag bereits beendet.

Sein Nachfolger im Zeugenstand ist Charles Hoffmann, Chef des Luxemburger Geheimdienstes in den Jahren der Bombenanschläge.

„Wir haben den Eindruck, dass damals während der Anschläge nicht viel passiert ist beim Geheimdienst“, beginnt Richterin Sylvie Conter die Befragung des Zeugen. „Wir wurden damals im Regen stehengelassen“, sagt Hoffmann. „Wir waren aber nicht die einzigen. Im Prozessverlauf sieht man ja, dass viele nichts wussten. Wir haben aber im Hintergrund gearbeitet.“ Er spricht von einer horizontalen Ermittlung. Man habe mit ausländischen Geheimdiensten über die Anschläge gesprochen und nach einer möglichen Verbindung gesucht. Es sei peinlich gewesen, keine Antwort auf Fragen aus dem Ausland gewusst zu haben. Ihr Wissen hätte der Geheimdienst aus der Zeitung genommen. „Wir bekamen einfach keine Information“, so Hoffmann.

Keine Möglichkeiten zu ermitteln?

Dass der Geheimdienst damals keine Möglichkeiten hatte gegen Terrorismus zu ermitteln, will Anwältin Lydie Lorang nicht glauben. Sie zitiert aus einem Schreiben von Charles Hoffmann aus dem Jahr 1986 bei einer geheimen Sitzung im Parlament. Darin erklärt Hoffmann, dass der Geheimdienst Möglichkeiten besitze, gegen Terrorismus zu ermitteln. Lorang: „Und Sie erzählen uns hier, dass Sie keine Möglichkeiten hatten, im Fall der Bommeleeër richtig zu ermitteln?“ In dem Schriftstück spricht Hoffmann unter anderem von rechtem Terror und den Anschlägen der CCC in Belgien.

Hoffmann wehrt sich: „Wir hatten in diese Fall keine Möglichkeiten. Wir hatten keinen Zugang zu Akten und Tatorten“. Dennoch wollte man die Täter fassen und unterstützte die Polizei.

Kaum Aufschluss geben kann Hoffmann über den Bericht des SREL-Agenten Armand Kaudé zur Observation von Ben Geiben, der niemals an die Gendarmerie weitergereicht wurde. Aus Angst, dass der Bericht an die Öffentlichkeit gelangen könnte, sei der SREL-Bericht damals nicht an die Polizei weitergereicht worden. Gegen mündliche Berichte habe man jedoch nichts einzuwenden gehabt. Dass Kaudé, der selbst an der Observation von Geiben teilnahm, niemals zur Gendarmerie gerufen wurde, um an einem „Debriefing“ teilzunehmen, überraschte scheinbar niemanden beim SREL.

Warum wurde Ben Geiben nicht abgehört

Geiben sorgt für einen Schlagabtausch zwischen Hoffmann und Verteidiger Gaston Vogel. Letzterer wirft Hoffmann vor, den Verdächtigen Geiben nicht abgehört zu haben. Stattdessen habe der Geheimdienst ihn, Vogel, abgehört. Stimmt nicht, wirft Hoffmann ein. Ihn, Vogel, habe man nicht abgehört. Anlaß des Schlagabtauschs ist handgeschriebenes Schreiben von Hoffmann, aus dem Vogel zitiert. Darin vermutet Hoffmann Geiben als möglichen Leader der Täter. Mit welchen Argumenten hätte man eine Abhöraktion auf Geiben legitimiert, fragt Hoffmann. Das sei eine Affäre der Polizei gewesen. Der Geheimdienst sei ignoriert worden.

Auch die Nato-Geheimarmee Stay-Behind ist erneut an der Tagesordnung. Richterin Conter will Details, wie damals Stay-Behind in Luxemburg aufgelöst wurde. Die Order kam vom damaligen Premier Jacques Santer 1991.
Hoffmann: „Ich weiß nicht mehr, was in der Order stand. Wir haben das Material eingesammelt und uns bei den Stay Behind-Mitgliedern für ihre jahrelange Arbeit bedankt. Was aber mit den Dokumenten passierte, weiß ich nicht mehr.“ Die Aussage von Me Vogel, der Geheimdienst habe die Unterlagen auf Befehl des Nato-Hauptquartiers in Brüssel Shape vernichtet, dementiert Hoffmann. „Shape hat uns keine Befehle gegeben.“

Stay-Behind als Informationsbeschaffer

Hoffmanns wiederholt die These, Stay-Behind sei dazu da gewesen, um im Falle einer Invasion, Informationen zu sammeln und um Personen ausserland oder ins Leben zu bringen. Auch die Politiker seien über „Le Plan“, wie Stay-Behind in Luxemburg genannt wurde, informiert worden. Ob er sich nicht gewundert habe, dass nach der Auflösung von Stay Behind sich kein Politiker mehr daran erinnern könne, fragt Richterin Conter?
Hoffmann: „Klar, ich war darüber sehr frustriert. Ich war in meinem beruflichen Leben über zahlreiche Dinge frustriert.“

Unbekannt ist Hoffmann Gilbert Leurs. Dieser hatte vergangene Woche vor Gericht über seine Arbeit für den Geheimdienst berichtet, für die er fürstlich entlohnt wurde. U.a. soll Leurs bei einer Abhöraktion gegen den damaligen Gendarmeriechef Colonel Aloyse Harpes beteiligt gewesen sein. „Ich kann hier nur staunen, was Herr Leurs da erzählt hat. Ich weiß nichts von einer Abhöraktion gegen Colonel Harpes. Es gab hier schon zahlreiche Zeugen, die komische Dinge erzählt haben.“ Stattdessen kann Hoffmann sich von einer Anti-Wanzenaktion im Büro von Colonel Wagner, dem Vorgänger von Harpes, erinnern. Von einem militärischen Arm im „Le Plan“ hat Hoffmann jedoch nichts gehört. Dass der von Justiz gesuchte Licio Gelli sich in Luxemburg aufhalte, habe der Geheimdienst aus der Presse erfahren.