1.-Mai-Feier des LCGBSamthandschuhe mit der Politik, geballte Faust gegen das Patronat

1.-Mai-Feier des LCGB / Samthandschuhe mit der Politik, geballte Faust gegen das Patronat
LCGB-Präsident Patrick Dury während seiner Rede am 1. Mai in Remich Foto: Editpress/Didier Sylvestre

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Der LCGB hat am Mittwoch, wie die Jahre zuvor, den Tag der Arbeit in Remich mit einem großen Familienfest gefeiert. Den Auftakt machte Präsident Patrick Dury. Die rezenten Sozialwahlen, der anstehende Urnengang zum EU-Parlament und innenpolitische Themen wie Arbeitsrecht, Gesundheitswesen und die angedachte Rentenreform waren die Schwerpunkte. Kritik an der herrschenden Politik war nicht zu vernehmen, stattdessen kämpfte sich Dury am Patronat ab.

Die schwarzblaue Koalition feierte am Mittwoch zusammen mit dem LCGB den 1. Mai. Neben Premierminister Luc Frieden und Vizepremier- und Außenminister Xavier Bettel hatte Präsident Patrick Dury die Minister Gilles Roth, Georges Mischo sowie etliche Abgeordnete zu ihrem Tisch in der ersten Reihe des Großzeltes neben dem Remicher Freibad geleitet. Wenige Wochen vor den EU-Wahlen hatten auch mehrere Kandidaten und Kandidatinnen den Weg zu den LCGB-Militanten gefunden.

Fordern war eines der am häufigsten gebrauchten Wörter in Durys etwas mehr als halbstündigen Rede. Der LCGB fordere, dass im neu gewählten EU-Parlament nicht mit rechtsextremen oder populistischen Parteien zusammengearbeitet werden dürfe. Der LCGB lehne Intoleranz, Hass, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Homophobie, Frauenfeindlichkeit und so weiter ab. Doch das fordere man nicht nur für Europa und Luxemburg, sondern auch im Verwaltungsrat einer Beschäftigungsinitiative, so Dury, auf die Affäre um die Entlassung des Proactif-Direktors anspielend.

Besonders lang war der innenpolitische Forderungskatalog: Keine Besteuerung des Mindestlohnes; Anhebung desselben um 3,5 Prozent oder 100 Euro brutto; bessere Kollektivverträge; gerechte Verteilung des im Land erarbeiteten Reichtums; eine Reform der sozialen Sicherheit, „damit der Versicherte erneut im Mittelpunkt steht“. Vom Finanzminister forderte Dury, den „Schikanen“ gegen die deutschen und französischen Grenzgänger durch die neue Doppelbesteuerung ein Ende zu bereiten. Beseitigt werden müsste die „Perversität“, dass einer schwerkranken Person nach 78 Wochen die Sozialversicherung gekündigt wird.

Ende des sozialen Friedens

Ein klares Nein erteilte Dury den Überlegungen, das aktuelle Rentensystem durch ein solches mit Grundrente und Zusatzrenten zu ersetzen. Zusatzpensionen könnten sich längst nicht alle leisten. Die Rentenkasse sollte wie bisher zu drei gleichen Teilen von Beschäftigten, Arbeitgeber und Staat finanziert werden, forderte Dury. Die Vorschläge der Gewerkschaft hier: die Beitragsdecke im Privatsektor aufheben oder einen Sozialbeitrag auf hohe Gewinne einzelner Betriebe einführen, siehe Banken. Diskussionen zu den Renten müssten in der Tripartite geführt werden, so der LCGB-Chef, der sich für eine enge Zusammenarbeit mit den anderen national repräsentativen Gewerkschaften aussprach.

Kapitalist spielen mit dem Geld des Steuerzahlers ist inakzeptabel

Patrick Dury, LCGB-Präsident

Doch in Sachen Tripartite gab sich Dury skeptisch. Um in der Tripartite „richtige Lösungen“ zu finden, bedürfe es unter anderem einer Vertrauensbasis zwischen den Partnern. Doch diese sei infrage gestellt. Auch fehle es aufseiten der Arbeitgeber wohl an Kompromissbereitschaft, sagte er und wies dabei auf rezente Aussagen der Arbeitgebervertreter zu Kollektivvertragsverhandlungen ohne Gewerkschaften. Eine „Frechheit“ gegenüber den Beschäftigten sei die Forderung zur Einführung von Karenztagen bei Krankheitsfall. Und angesichts der „extremen Überlegungen“ zur Rentendiskussion, die das aktuelle Rentensystem infrage stellen, dränge sich die Schlussfolgerung auf, dass das Sozialmodell Luxemburgs zerschlagen werden soll. Das wäre das Ende der Tripartite und des sozialen Friedens im Lande.

Fast am Ende seiner Rede griff Dury nochmals die Affäre um die LCGB-nahe Beschäftigungsinitiative Proactif auf, deren Direktor entlassen wurde. Es sei bedauerlich, dass arbeitsrechtliche Verfehlungen eines Einzelnen den ganzen Proactif belasten würden. Dessen Präsident habe seine Verantwortung übernommen und „diese Episode beendet“. Dury verwies darauf, dass Gelder des Arbeitsministeriums 75 Prozent des Umsatzes von Proactif, eine Sàrl SIS, stellen. Es sei „ein Witz“, dass der Exdirektor Proactif als Kapitalgesellschaft bezeichnen und entsprechend handeln wollte. „Kapitalist spielen mit dem Geld des Steuerzahlers ist inakzeptabel“, sagte Dury.

Der Saal quittierte die mehrmals von Trillerpfeifen und Hupen unterbrochene Rede des Vorsitzenden mit stehendem Applaus, dem sich auch die Gäste aus Regierung und Parlament anschlossen. Ob die demonstrierte Eintracht auch bei den nächsten Treffen der Politik mit den Gewerkschaften Bestand haben wird?