Amstel Gold RaceVorschau: Kein Publikum, kein Van der Poel – Jungels und die Gebrüder Wirtgen am Start

Amstel Gold Race / Vorschau: Kein Publikum, kein Van der Poel – Jungels und die Gebrüder Wirtgen am Start
2017 ging Bob Jungels (in der Mitte des Bildes) noch im Landesmeistertrikot und für Quick Step Floors beim Amstel Gold Race an den Start Archivbild: Julien Garroy/Editpress

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Das Amstel Gold Race 2021 wird ohne Publikum und ohne seinen letzten Sieger Mathieu Van der Poel auf einem 16,9 km langen, abgesperrten Rundkurs zwischen Maastricht und Valkenburg ausgetragen. Insgesamt stehen 38 Anstiege auf dem Streckenplan. Mit Bob Jungels sowie den Brüdern Luc und Tom Wirtgen sind drei Luxemburger Fahrer am Start.

Mit seiner rund 800 m langen Steigung von durchschnittlich acht Prozent war der Cauberg vor Jahren das Prunkstück des Amstel Gold Race. Obwohl der legendäre Anstieg in der Nähe von Valkenburg bei der morgigen 55. Austragung des einzigen holländischen Klassikers zwölfmal bezwungen werden muss, kommt ihm nur noch bedingt derselbe Stellenwert zu wie in der Vergangenheit.

Bis 2012 fand die Ankunft des Amstel immer kurz hinter dem Scheitel des Cauberg statt, danach wurde das Ziel ins 1,8 km entfernte Dorf Berg en Terblijt verlegt. Auch morgen wird der Sieger dort gekürt, doch musste Organisationschef Leo Van Vliet den Streckenplan wegen der Corona-Pandemie gehörig ändern.

38 Anstiege

Um die von den Behörden vorgeschriebenen Auflagen zu erfüllen, machte der Veranstalter aus dem einstigen „südlimburgischen Labyrinth“, wie das Amstel Gold Race unter Journalistenkollegen genannt wird, einen Wettbewerb auf einem 16,9 km langen Rundkurs, der den WM-Rennen von 1998 und 2012 ähnelt. Damals wurden der Schweizer Oscar Camenzind und der Belgier Philippe Gilbert zu Weltmeistern gekürt. Grundbedingung für die Abhaltung des Sportevents war auch, dass das ganze Gebiet zwischen Maastricht und Valkenburg für das Publikum hermetisch abgeschlossen sein muss. Tagestouristen und Veloliebhaber werden am Sonntag vom Ordnungsdienst gebeten, nach Hause zu gehen und das „Amstel“ im Fernsehen zu verfolgen.

Als früherer Profi weiß Van Vliet, dass es nicht die Organisatoren sind, die das Rennen machen, sondern die Teams und die Fahrer. Man muss demnach abwarten, wie diese sich auf den vielen Runden à 16,9 km über den Geulhemmerberg (1,2 km, Schnitt 4,6%), den Bemelerberg (0,9 km, Schnitt 5%) und den Cauberg (0,8 km, Schnitt 8%) verhalten. Die ständige Wiederholung der Anstiege dürfte an den Kräften zehren. Genau ein Dutzend Mal geht es den Cauberg hoch, der Geulhemmerberg und der Bemelerberg müssen gar 13 Mal überquert werden. Im Ganzen macht das auf den rund 219 km des Klassikers einen Höhenunterschied von über 3.000 m aus.

Nach der 12. Passage des Cauberg bleiben 18,3 km zu fahren. Vom Scheitel geht’s hinunter in den Rijksweg nach Berg en Terblijt (12. Zielpassage), danach folgt eine letzte kleinere Schleife von 15,8 km über den Geulhemmerberg und den Bemelerberg. Der 38. und letzte Anstieg des Amstel Gold Race 2021 liegt 6,9 km vor der Ankunft. „Die durch Corona bedingten Änderungen sind bedeutend, aber sie können dem Rennen neue Impulse verleihen“, so Renndirektor Van Vliet. „Wir haben dem ‚Amstel’ dadurch nicht seinen Charakter genommen, doch sind es bei einem Klassiker oft kleine Änderungen, die große Auswirkungen haben können.“

Letztes Jahr musste das Amstel Gold Race wegen Covid-19 ganz abgesagt werden. Das letzte Rennen in dem „Heuvelland“ (Hügelland) von Limburg ging demnach im April 2019 über die Bühne. Rund 230 km waren damals gefahren, als der Franzose Julian Alaphilippe, Gewinner der Strade Bianche und von Mailand-Sanremo, sich im Eyserbosweg auf und davon machte. In seinem Schlepptau zog er (wie Wochen zuvor in der Toskana) den Luxemburger Dänen Jakob Fuglsang mit sich, hinter ihnen konterten der Pole Michal Kwiatkowski und der Italiener Matteo Trentin. Das Peloton mit u.a. Mathieu Van der Poel verlor in den folgenden Anstiegen ständig an Terrain, sodass der Rückstand vor der letzten Schwierigkeit, dem Bemelerberg, auf eine Minute angewachsen war.

„Les carottes sont cuites“ hätte Van der Poels Großvater Raymond Poulidor (seine Tochter Corinne ist mit Mathieus Vater Adrie verheiratet) gesagt. Nicht so der Enkel, obwohl er zwei km vor der Ankunft in Berg en Terblijt noch 50 Sekunden wettzumachen hatte. Eine Hand packten allerdings Alaphilippe und Fuglsang mit an, die in der Endphase zu den besten Helfern des Holländers wurden. Sie beäugten sich und spielten so lange Katz und Maus miteinander, bis zuerst Kwiatkowski aufschloss und auf der Zielgeraden auch noch Van der Poel mit dem Australier Simon Clarke im Rad wie ein TGV an ihnen vorbeibrausten.

Tausende von Zuschauern am Straßenrand im Südlimburg hatten den ersten holländischen Erfolg seit Erik Dekkers Sieg von 2001 schon abgeschrieben. Dass Mathieu Van der Poel dann doch noch in einem unwiderstehlichen Sprint an denen vorbeizog, die im Normalfall eigentlich nicht mehr einzuholen waren, gehört ins Kapitel der „glorieuse incertitude du sport“ und der fantastischen Geschichten, die den Sport so erlebenswert machen.

Van Aert, Pidcock … oder Roglic?

Obwohl Van der Poel für Organisator Van Vliet und dessen Rennen eine Art Lebensversicherung ist, ließ das neue Zugpferd des holländischen Radsports sich nicht dazu überreden, als Titelverteidiger morgen an den Start zu gehen. Wie vor langer Zeit angekündigt, stellte Van der Poel nach der Flandern-Rundfahrt sein Rennrad in die Ecke und holte die Mountainbike-Maschine hervor. Er kehrt in Albstadt (D) in den Weltcup zurück und will in Tokio Olympiasieger in dieser Disziplin werden. Auf Drängen seines Sponsors bestreitet er auf der Straße allerdings die Tour de Suisse, die holländischen Meisterschaften und die Tour de France.

In Abwesenheit Van der Poels rücken mit Wout Van Aert und Thomas Pidcock zwei andere Cyclocross-Spezialisten in den Vordergrund. Beide dominierten in der Woche den „Brabantse Pijl“, der als Generalprobe für das „Amstel“ gilt, wobei der erst 21-jährige Engländer mit einer überraschenden Spritzigkeit im Endspurt aufwartete. Van Aert seinerseits nahm das „Amstel“ ins Visier, als Paris-Roubaix abgesagt wurde. Neben den beiden zählen Marc Hirschi, Julian Alaphilippe, Primoz Roglic, Jakob Fuglsang, Matteo Trentin und Michael Matthews zu den meistgenannten Favoriten.

Mit Bob Jungels (Ag2r), Luc Wirtgen und Tom Wirtgen (beide Bingoal) sind auch drei Luxemburger Fahrer am Start. Kevin Geniets, der am Mittwoch stürzte und sich eine Beinverletzung zuzog, legt eine Pause ein. Auch Michel Ries ist nicht dabei. Für Bob Jungels ist es bereits die 6. Teilnahme am holländischen Rennen. Bisher klassierte er sich als 38. (2014), 23. (2015), 43. (2016), 39. (2017) und 33. (2018). Die beiden Wirtgen-Brüder dagegen schnuppern zum ersten Mal „Amstel“-Luft

Die Fakten zum Rennen

* 55. Amstel Gold Race, 17. Rennen der UCI WorldTour 2021.
* 219 km mit 38 Steigungen (13 x Geulhemmerberg, 13 x Bemelerberg, 12 x Cauberg).
* Start um 12.08 Uhr in Valkenburg (Holland Casino Kurpark), definitiver Start nach 4,7 km neutralisierter Strecke beim Hotel Lamerichs. Ankunft zwischen 17.15 und 17.45 Uhr im Rijksweg in Berg en Terblijt.
* 25 Mannschaften mit je 7 Fahrern am Start: Ag2r La Mondiale (Fra); Astana Pro Team (Kaz); Bahrain Victorious (Brn); Bora Hansgrohe (Ger); Cofidis (Fra); Deceuninck-Quick-Step (Bel); EF Education Nippo (USA); Groupama FDJ (Fra); Ineos Grenadiers (Gbr); Intermarché Wanty-Gobert Matériaux (Bel); Israel Start-Up Nation (Isr); Jumbo Visma (Ned); Lotto Soudal (Bel); Movistar Team (Esp); Team Bike Exchange (Aus); Team DSM (RSA); Team Qhubeka Assos (RSA); Trek-Segafredo (USA); UAE Team Emirates (UAE); Alpecin Felix (Bel); Bingoal Pauwels Sauces WB (Bel); Gazprom Rusvelo (Rus); Sport Vlaanderen-Baloise (Bel); Team Arkéa-Samsic (Fra); Uno X Pro Cycling Team (Nor).
* 40.000 Euro Preisgeld total; 16.000 Euro für den Sieger, 8.000 für den Zweiten, 4.000 für den Dritten, 2.000 für den Vierten, 1.600 für den Fünften, usw.
* UCI WorldTour-Punkte: 1. 500 Punkte; 2. 400; 3. 325; 4. 275; 5. 225; 6. 175; 7. 150; 8. 125: 9. 100; 10. 85 Punkte.
* Erster Sieger: Jean Stablinski (Fra/1966).
* Rekordsieger: Jan Raas (Ned) mit 5 Erfolgen (1977, 1978, 1979, 1980, 1982) vor Philippe Gilbert (Bel) mit 4 Siegen (2010, 2011, 2014, 2017).
* Ein Luxemburger im Palmarès: Frank Schleck (2006).
* Palmarès der letzten Jahre: 2000: Erik Zabel (Ger); 2001: Erik Dekker (Ned); 2002: Michele Bartoli (Ita); 2003: Alexandre Vinokourov (Kaz); 2004: Davide Rebellin (Ita); 2005 Danilo Di Luca (Ita); 2006: Frank Schleck (Lux); 2007 Stefan Schumacher (Ger); 2008: Damiano Cunego (Ita); 2009: Sergei Ivanov (Rus); 2010: Philippe Gilbert (Bel); 2011: Philippe Gilbert (Bel); 2012: Enrico Gasparotto (Ita); 2013: Roman Kreuziger (Cze); 2014: Philippe Gilbert (Bel); 2015: Michal Kwiatkowski (Pol); 2016: Enrico Gasparotto (Ita); 2017: Philippe Gilbert (Bel); 2018: Michael Valgren Andersen (Dan); 2019: 1. Mathieu Van der Poel (Ned), 2. Simon Clarke (Aus), 3. Jakob Fuglsang (Dan); 2020: nicht ausgetragen.
* Drei Luxemburger Fahrer am Sonntag am Start: Bob Jungels (Ag2r), Luc Wirtgen (Bingoal), Tom Wirtgen (Bingoal).
* Definitive Startliste am Samstag um 18 Uhr nach der Sitzung der Sportdirektoren.
* Wettquoten: Van Aert 4,50; Alaphilippe 7,00; Pidcock 9,00; Roglic 11,00; Trentin 15,00; Matthews 17,00 Hirschi 21,00; Valverde 21,00; Schachmann 23,00; Fuglsang 26; … Jungels 126,00.
* Wetter: Heiter bis wolkig, 9 Grad am Morgen beim Start, 12 Grad am Nachmittag.
* Direkte Fernsehübertragung bei La Une (14.10), Tipik (11.05 Frauen), Eurosport (11.05 Frauen; 14.00 Männer), FR3 (15.10). (P.L.)