Sébastien Thill nach seinem Hammer gegen Real„Eigentlich war ich ganz schön müde“

Sébastien Thill nach seinem Hammer gegen Real / „Eigentlich war ich ganz schön müde“
Sébastien Thill war am Dienstagabend der gefeierte Held Foto: imago

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Durch sein Traumtor gegen Real Madrid hat sich Sébastien Thill in ganz Europa einen Namen gemacht. Im Tageblatt-Interview kommt er auf die Stunden danach zurück und verrät, dass er vor seinem Volltreffer eigentlich schon recht geschlaucht war.

Tageblatt: Wie würden Sie das, was gestern in Madrid passiert ist, mit einem Wort beschreiben?

Sébastien Thill: Unbeschreiblich.

Ihr Sonntagsschuss hat noch am Dienstagabend die Runde durch Europa gemacht. Wie war die Nacht danach? 

Sébastien Thill: Eigentlich sehr ruhig. In der Kabine wurde ordentlich gefeiert. Danach sind wir sofort ins Flugzeug gestiegen und in Richtung Tiraspol geflogen. Während des Fluges war es sehr ruhig. Jeder war erschöpft nach den körperlichen Anstrengungen und den Emotionen. Am Mittwochmorgen gegen 8.00 Uhr sind wir dann in unserem Trainingskomplex angekommen und sofort ins Bett gegangen.

Die Frage, ob es das wichtigste Tor Ihrer Karriere war, erübrigt sich wohl …

Bei meinem ersten Länderspiel für Luxemburg haben wir gegen Mazedonien gewonnen und ich habe ein wunderschönes Tor geschossen, das die Partie entschieden hat. Mit Niederkorn habe ich mit einem schönen Freistoß die Glasgow Rangers aus der Europa League geschossen. Dieses Tor gegen Real Madrid hat aber einen größeren Hype ausgelöst und toppt einfach alles. Ich bin zudem der erste Luxemburger, der ein Tor in der Champions-League-Gruppenphase geschossen hat. Das ist dann wohl auch ein Beitrag für die Geschichtsbücher und eine tolle Sache.

Was ging Ihnen beim Jubel durch den Kopf?

Unglaubliche Freude. Das ganze Stadion war still. Wer hätte denn schon gedacht, dass wir gegen Real Madrid gewinnen können?

Nach dem Tor haben Sie sich das Trikot vom Leib gerissen und sind in Richtung Eckfahne gelaufen. Warum gerade dorthin?

Weil meine Frau und meine Freunde in dieser Ecke saßen. Fünf Jugendfreunde aus Rodange waren nach Madrid gereist. Ich habe ihnen vor dem Spiel gesagt, dass sie eine luxemburgische Fahne mitbringen sollen, damit ich sie sofort erkennen kann. Das war aber nicht nötig, denn sie waren beim Warmmachen so laut, dass ich sie sofort gesehen habe.

Waren Sie überrascht, dass Sie so viel Zeit hatten, diesen Ball anzunehmen?

Eigentlich war ich zu diesem Zeitpunkt bereits ganz schön müde. Aber ich habe noch einmal ein paar Extra-Meter gemacht, da ich gesehen habe, dass keiner an der Grenze des Strafraums stand. Dann habe ich den Ball bekommen und hatte genügend Zeit, mich in Stellung zu bringen, um den perfekten Schuss abzugeben. Warum ich in der 90. Minute von meinem Gegenspieler alleingelassen wurde, weiß ich auch nicht. Vielleicht hat Real uns einfach unterschätzt und ist davon ausgegangen, dass wir eh kein Tor schießen werden.

Wie waren die Jungs von Real Madrid denn so?

Alle waren sehr nett. Nach dem Spiel hat jeder sein Trikot getauscht. Nur ich nicht, da ich meine Trikots fast immer behalte. Diesmal habe ich es der Freundin eines Kumpels geschenkt, die auch im Stadion war. In der zweiten Halbzeit hatte ich ein kleines Gespräch mit Luka Modric. Nach dem Elfmeter habe ich ihm gesagt, dass sie das Glück hatten, Real zu sein. Sheriff hätte diesen Elfmeterpfiff nicht bekommen. Er hat daraufhin nur gelacht.

Ihr Handy hat seit dem Tor nicht mehr aufgehört zu klingeln. Welche Nachricht hat Ihnen am meisten bedeutet?

Eigentlich hat keine Nachricht herausgeragt. Ich freue mich vor allem, wenn meine Freunde mir schreiben. Auch solche, mit denen ich schon länger keinen Kontakt hatte. Ehemalige Mitspieler aus Petingen haben mir zum Beispiel geschrieben, dass es für sie eine Freude war, mal mit mir zusammengespielt zu haben. Ich habe derzeit noch über 300 ungelesene Nachrichten. Ich hoffe, dass ich in den nächsten Tagen jedem antworten kann.

Auf Ihrer linken Wade prangt ein Tattoo, das Sie zeigt, wie Sie von der Champions League träumen. Dieser Traum hat sich erfüllt. Was kommt jetzt?

Ich habe nicht mehr sehr viel Platz auf meinem Körper zum Träumen. Nur am Rücken ist noch ein wenig Platz frei für ein größeres Tattoo-Projekt. Und der Hals ist auch noch unbemalt. Aber bis zu meiner Hochzeit werde ich meinen Hals nicht tätowieren. Ich will ja an diesem Tag ordentlich aussehen.

Lassen Sie sich immerhin das Datum des Tores tätowieren?

Eine gute Idee, dafür hätte ich eigentlich Platz.

Sheriff steht nun mit sechs Punkten an der Spitze der Gruppe D – vor Real Madrid und Inter Mailand. Muss nun die Achtelfinal-Teilnahme das Ziel sein?

Nein. Wir nehmen weiterhin ein Spiel nach dem anderen. Es besteht kein Druck, sich für die nächste Runde zu qualifizieren. Aber wir wollen natürlich alle Spiele gewinnen, ob der Gegner nun Real Madrid oder Inter Mailand heißt.

Derzeit sind Sie noch von Niederkorn an Sheriff Tiraspol ausgeliehen. Wird dieser Treffer neue Türen öffnen?

Ich hoffe es. Sheriff Tiraspol ist bekannt als Sprungbrett für junge Spieler oder Spieler, die davor vereinslos waren. Die Champions League ist außerdem eine große Bühne. Ich kann mir vorstellen, dass viele meiner Mitspieler in den kommenden Monaten Angebote erhalten werden.