HandballDer Regelhüter: FLH-Schiedsrichterchef Patrick Simonelli im Gespräch

Handball / Der Regelhüter: FLH-Schiedsrichterchef Patrick Simonelli im Gespräch
Patrick Simonelli ist Präsident der FLH-RefCom (Referees Commission) Foto: Editpress/Fernand Konnen

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Am vergangenen Wochenende fand mit dem Pokal-Final-Four das größte Event der Saison im nationalen Handball statt. RefCom-Präsident Patrick Simonelli blickt im Gespräch mit dem Tageblatt aus Sicht des Schiedsrichters darauf zurück, kommt aber auch auf eine Szene aus dem Ligaspiel zwischen Düdelingen und den Red Boys vor einigen Wochen zu sprechen, die für hitzige Diskussionen sorgte.

Tageblatt: Am Wochenende fand mit dem Pokal-Final-Four das größte Event im nationalen Handball statt. Wie fällt Ihre Bilanz als Chef der FLH-Schiedsrichter aus?

Patrick Simonelli: Insgesamt waren die Leistungen der Schiedsrichter gut bis sehr gut. Das bestätigte uns auch der EHF-Delegierte Denis Reibel, der vor Ort war. Er war überrascht, dass es in unserem kleinen Land so viele gute Schiedsrichtergespanne gibt. Lediglich beim Damenfinale am Sonntagabend wurde am Ende mit einigen Entscheidungen gehadert. Ich selbst war leider nicht vor Ort, habe es aber am Bildschirm verfolgt. Im Großen und Ganzen war aber auch diese Leistung in Ordnung. Ich muss auch sagen, dass ich mit den Gespannen, die die Jugendspiele geleitet haben, sehr zufrieden bin. Da waren einige sehr gute Entdeckungen dabei. Man sieht, dass sich auch auf dieser Ebene etwas tut.

Warum war der EHF-Delegierte beim Damenfinale am Sonntagabend nicht mehr anwesend?

Das hatte rein private Gründe. Auch er hat einen gefüllten Kalender und konnte aufgrund eines geplanten Familienurlaubs nicht bis zum Schluss des Final Four bei uns bleiben. 

Gibt es für die Schiedsrichter eigentlich eine spezifische Vorbereitung auf das Final Four?

Wir versuchen, die Schiedsrichter in ihrer Routine zu lassen und sie nicht zusätzlich zu stressen. Die Gespanne, die diese Endspiele pfeifen, sind es gewohnt, Spitzenspiele zu leiten. Sie brauchen keine spezielle Vorbereitung. Wenn in den Tagen oder Wochen davor etwas Besonderes passiert wäre, hätten wir natürlich darauf reagiert. Aber das war in diesem Jahr nicht der Fall. Seit 2016 haben wir beim Final Four zudem immer den EHF-Delegierten dabei. Das ist immer mit einem Schiedsrichterlehrgang verbunden.

Die Hauptaufgabe des Delegierten besteht unter anderem darin, zu verhindern, dass es zu einem Protest kommt. Er kann im Spiel nur dann eingreifen, wenn ein Formfehler vorliegt, der zu einem solchen führen könnte.

Patrick Simonelli, über das HBD-Red-Boys-Spiel am 23. März

Allgemein scheint der Ton gegenüber den Schiedsrichtern in den Hallen immer rauer zu werden. Wie empfinden Sie das?

Das ist eine allgemeine Entwicklung im Sport, nicht nur im Handball, die nicht von der Hand zu weisen ist. Die Schiedsrichter, die Partien der AXA League leiten, haben damit weniger Probleme. Ich finde es schwierig, wenn das auf Jugendniveau vorkommt bei Schiedsrichtern, die gerade erst anfangen. Wenn sie beschimpft oder gar physisch angegriffen werden, ist das nicht nur nicht in Ordnung, sondern hier muss der Verband mit aller Härte durchgreifen. Und zwar zum Schutz aller Akteure: Spieler, Vereinsoffiziellen, Delegierten etc.

Am 23. März kam es im AXA-League-Spiel zwischen dem HBD und den Red Boys zu einer viel diskutierten Szene. Die Schiedsrichter haben eine Rote Karte eines Red-Boys-Spielers und einen Siebenmeter für den HBD zurückgenommen, nachdem Sie als Delegierter eingegriffen hatten. Können Sie schildern, wie es dazu kam und was es genau damit auf sich hatte?

Die Hauptaufgabe des Delegierten besteht unter anderem darin, zu verhindern, dass es zu einem Protest kommt. Er kann im Spiel nur dann eingreifen, wenn ein Formfehler vorliegt, der zu einem solchen führen könnte. In Düdelingen waren wir ganz klar im Fall eines Regelverstoßes der Schiedsrichter, denn sie haben zuerst auf Freiwurf ohne Anpfiff für die Red Boys entschieden, dann aber auf einmal Freiwurf in die andere Richtung gepfiffen. Das darf aber erst gemacht werden, wenn ein Fehler bei der Ausführung passiert ist. Der Spieler der Red Boys hatte in dem Moment aber keinen gemacht. Er hat nur verzögert. Ein Fehler wäre passiert, wenn der Red-Boys-Spieler den Ball auf den Boden gelegt und wieder aufgehoben oder damit gedribbelt hätte. Nur in diesen beiden Fällen hätten die Schiedsrichter sofort Freiwurf in die andere Richtung geben können. Um die Verzögerung ahnden zu können, hätte der Freiwurf zuerst angepfiffen werden müssen – der Spieler hätte damit gewusst, dass ihm ab diesem Moment nur noch drei Sekunden Zeit bleiben, um den Freiwurf auszuführen. Man kann aber nicht sofort in die andere Richtung pfeifen, ohne den Spieler zu warnen.

Schlimmer wurde es dadurch, dass wir in den letzten 30 Sekunden des Spiels waren. Der Spieler, der den Ball in der Hand hatte, dachte, der Pfiff der Schiedsrichter wäre der Anpfiff des ersten Freiwurfs. Er machte also einen Pass auf seinen Mitspieler und der warf aufs Tor. Das hat dazu geführt, dass die Schiedsrichter für den Schützen die Rote Karte zogen und auf der anderen Seite einen Siebenmeter gaben (wegen besonders groben unsportlichen Verhaltens in den letzten 30 Sekunden). Aufgrund der vorangegangenen Situation sind wir da bei einem klaren Regelverstoß. Der Spieler hätte ohne den vorangegangenen, gegen die Regeln verstoßenden Pfiff keinen Fehler gemacht. Dem Delegierten bleibt also keine andere Möglichkeit, als einzugreifen und die Schiedsrichter darauf hinzuweisen. 

Wer hat in einer solchen Situation das letzte Wort?

Es ist an mir als Delegierter, die Schiedsrichter darauf aufmerksam zu machen, dass sie einen Fehler machen. Ich kann ihnen aber nicht sagen: Ihr müsst den Red Boys jetzt den Ball zurückgeben. Sie haben das letzte Wort und die Entscheidung bleibt bei ihnen. Sie haben danach selbst die Entscheidung getroffen, den Freiwurf neu ausführen zu lassen. Dadurch konnten natürlich auch die Rote Karte und der Siebenmeter auf der Gegenseite nicht stattfinden. Man muss ihnen diese Korrektur hoch anrechnen. Einen Fehler machen, kann jedem passieren. Einen Fehler machen, dies vor voller Halle akzeptieren und dann die richtigen Korrekturen vornehmen: Diese Größe hat nicht jeder. Ich stelle mich natürlich auch immer selbst in Frage, deswegen habe ich die IHF (internationaler Handballverband) mit sämtlichen Erklärungen per Mail kontaktiert. Ihre Regelexperten haben bestätigt, dass alles korrekt ablief und der Eingriff richtig war.