Indopazifik-RegionZunehmende Spannungen – Wie sich China auf den Ernstfall vorbereitet

Indopazifik-Region / Zunehmende Spannungen – Wie sich China auf den Ernstfall vorbereitet
Chinesisches Kriegsschiff bei einem Besuch in Kambodscha, im Rahmen der bisher größten gemeinsamen Militärübungen Foto: AFP

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Seit Monaten legt China Vorräte an kritischen Mineralien und Gold an. Ein australischer Strategieexperte hält dies für „klug“. Es bestehe „ein erhebliches Risiko“ für einen Konflikt zwischen den USA und China und damit für eine Neuformulierung der Vormachtstellung in der Region, meint er.

Was könnte einen Krieg in der Indopazifik-Region auslösen? Eine Fehlkalkulation im Südchinesischen Meer, ein chinesischer Angriff auf Taiwan … Peking hat deutlich gemacht, dass das demokratische Taiwan über kurz oder lang in den Schoß der „chinesischen Mutter“ zurückgeholt werden soll, notfalls mit militärischen Mitteln. Über das Wann kann jedoch nur spekuliert werden. Aufgrund der chinesischen Vorliebe für symbolträchtige Daten haben Experten das Jahr 2027 ins Spiel gebracht, wenn Chinas Volksbefreiungsarmee 100 Jahre alt wird oder auch das Jahr 2049, wenn China den 100. Jahrestag seiner Gründung feiert.

Der chinesische Staatschef Xi Jinping, der gerade erst auf Charmeoffensive in Europa war und letzte Woche Schulter an Schulter mit Russlands Wladimir Putin stand, hatte bei einem USA-Besuch im letzten Jahr noch abgewiegelt: Er höre in den Vereinigten Staaten all diese Berichte darüber, „wie wir einen Militäreinsatz im Jahr 2027 oder 2035 planen“. Dabei gebe es keine derartigen Pläne. „Niemand hat mit mir darüber gesprochen.“ Gleichzeitig soll er aber auch die Umstände angesprochen haben, wann China tatsächlich militärische Maßnahmen ergreifen würde. Darunter sind anscheinend eine formelle Unabhängigkeitserklärung Taiwans sowie die Einführung oder Entwicklung von Atomwaffen.

Wie viel Gewicht man diesen Aussagen beimessen darf, ist jedermanns eigener Einschätzung überlassen. Fakt ist jedoch, dass in gewissen Kreisen die Nervosität deutlich gestiegen ist. So sagte US-Außenminister Antony Blinken im Herbst 2022 bereits, China wolle sich „viel schneller“ mit Taiwan vereinen, als die USA erwartet hätten. Anfang 2023 sickerte ein Memo von General Mike Minihan, dem Leiter des Air Mobility Command, durch. „Ich hoffe, dass ich falsch liege“, hieß es darin. „Mein Bauchgefühl sagt mir, dass wir 2025 gegen [China] kämpfen werden.“ Nach diesem letzten Statement intervenierte das Pentagon laut des Mediums Defense News. Beamte hätten begonnen, ein neues Narrativ zu wiederholen – nämlich: Der Konflikt mit China sei „weder unmittelbar bevorstehend noch unvermeidlich“.

Gold- und Ölvorräte angelegt

Letzten Monat löste dann der frühere Chef des US-Marinegeheimdienstes, Michael Studeman, erneut Spekulationen aus, als er in der Militärzeitschrift War on the Rocks einen Kommentar veröffentlichte, in dem er aufzählte, warum sich China seiner Meinung nach auf einen „Sturm auf Taiwan“ vorbereitet. Unter den Anzeichen, die Studemann aufzählte, sind unter anderem die schnell wachsenden Reserven an Öl. Außerdem wies er darauf hin, dass China seit mehr als einem Jahr Gold auf den Weltmärkten aufkaufe.

Zudem war China nach Angaben des World Gold Council im Jahr 2023 mit 374 Millionen Tonnen der größte Goldproduzent hinter Russland, wie Robert Huish, ein Experte für International Development Studies an der kanadischen Dalhousie University, im März in einem Aufsatz anmerkte. Russland habe sich seit 2013 auf westliche Sanktionen vorbereitet und es auf diese Weise geschafft, seine Wirtschaft von Transaktionen zu isolieren, für die US-Dollar erforderlich sind, schrieb der Professor. Der frühere Geheimdienstmann Studemann interpretiert diese „aktuellen Entwicklungen“ deswegen dahingehend, „dass Taiwan in einstelligen Jahren mit einer existenziellen Krise konfrontiert sein wird, höchstwahrscheinlich in der zweiten Hälfte der 2020er oder der ersten Hälfte der 2030er Jahre“.

Öl und Gold sind zudem nicht die einzigen Rohstoffe, die China derzeit anhäuft. Obwohl es keine offiziellen Zahlen der chinesischen Regierung gibt, so geht Gregory Wischer von Dei Gratia Minerals davon aus, dass die Volksrepublik große Vorräte an Aluminium, Antimon, Cadmium, Kobalt, Kupfer, Gallium, Germanium, Indium, Molybdän, Seltenen Erden, Tantal, Zinn, Wolfram, Zink und Zirkonium angelegt hat – und dabei deutlich mehr als beispielsweise die USA besitzt, wie er in einer Analyse für die australische Denkfabrik ASPI schrieb.

„Es besteht ein erhebliches Risiko für einen Konflikt zwischen den USA und China“, sagte Hugh White, ein Strategieexperte der Australian National University (ANU) in Canberra, im Videotelefonat. Dies wäre „eine katastrophale Störung“ des Weltgefüges. Versetze man sich in die Position Pekings, so sei „eine gewisse Vorratshaltung deswegen eine sehr kluge Reaktion“.

Militär erweitert und modernisiert

Doch Peking bereitet die Volksrepublik nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht auf den Ernstfall vor. Bereits im Januar verwies Tom Harper, Dozent für Internationale Beziehungen an der University of East London, in einem Aufsatz darauf hin, wie sehr das chinesische Militär in den letzten fünf Jahren erweitert und modernisiert worden sei. Tatsächlich ist die chinesische Marine laut des Pentagon-Berichts „Military and Security Developments Involving the People’s Republic of China“ vom Oktober 2023 die inzwischen größte der Welt. Die Flotte verfügt über rund 370 Kriegsschiffe und U-Boote und soll in den nächsten Jahren auf 400 Schiffe anwachsen. Insgesamt soll das Land über 500 einsatzbereite Atomsprengköpfe (Stand Mai 2023) verfügen, bis 2030 sollen es über 1.000 werden.

Laut Harper verschaffen zudem die Fortschritte in der Hyperschallraketentechnologie Peking einen Vorteil, da die USA noch kein Äquivalent stationiert hätten. Bezeichnend sei zudem die zunehmende Wahrnehmung der USA als Feind in der chinesischen Öffentlichkeit. „Dies ist auch ein häufiges Thema unter chinesischen Internetnutzern, von denen viele tendenziell nationalistischer sind als die Regierung selbst.“ Harper kommt zu dem Schluss, dass Peking sich zunehmend auf einen möglichen Konflikt vorbereite, „für den Fall der Fälle“.

Trump wäre „weniger vorhersehbar“

Ähnlich sieht dies der australische Stratege White. Seiner Meinung nach will China die dominierende Macht in Asien und im Westpazifik werden. China wolle so stark werden, dass Amerika sich – sollte die Situation aufkommen – eher zurückziehen würde, als einen Krieg zu beginnen. „Tatsächlich denke ich, dass Biden wahrscheinlich einen Rückzieher machen würde, wenn er vor einer schrecklichen Entscheidung stünde“, meinte White. Sollte Donald Trump die anstehenden US-Wahlen gewinnen, wäre seine Entscheidung „weniger vorhersehbar“ und daher in gewisser Weise gefährlicher, so der Experte. Gleichzeitig würden seiner Meinung nach vermutlich deutlich weniger Parteien die USA im Ernstfall unterstützen, als man auf den ersten Blick vermuten möchte. Weder Südkorea noch Japan würden nach Whites Meinung in ein Kriegsgeschehen eingreifen. „Und das letzte Mal, dass eine europäische Macht im Westpazifik entscheidendes strategisches Gewicht ausübte, war 1914“, sagte der australische Experte.

In Taiwan, das ein möglicher Kriegsauslöser sein könnte, leben die Menschen ihr Leben trotz allem relativ normal weiter. „Die Taiwanesen verfolgen die politische Entwicklung in China mit großem Interesse“, schrieb Wen-Ti Sung, ein China- und Taiwan-Experte der ANU, der von Taipeh aus arbeitet, in einer E-Mail. Sie seien „nicht beunruhigt“, aber „wachsam“. Insbesondere seit Beginn des Ukraine-Krieges würden durchaus Vorbereitungen im Zivilschutz und beim Thema Cybersicherheit getroffen. Trotzdem hält er am Narrativ fest, das auch das Pentagon derzeit favorisiert: Dass eine chinesische Invasion „durchaus vermeidbar ist“.

China muss „Einschüchterung Taiwans beenden“

Der neue taiwanische Präsident Lai Ching-te hat China dazu aufgefordert, die „politische und militärische Einschüchterung Taiwans“ zu beenden. Zudem müsse Taiwan, „angesichts der vielen Bedrohungen und Infiltrationsversuche Chinas“, seine „Entschlossenheit bei der Verteidigung der Nation demonstrieren“, sagte Lai anlässlich seiner Amtseinführung am Montag. Für die selbstverwaltete Insel habe eine „glorreiche Ära der Demokratie begonnen“. Der neue Präsident appellierte an China, die „globale Verantwortung für die Aufrechterhaltung von Frieden und Stabilität in der Straße von Taiwan“ mit Taiwan zu teilen. Seine Regierung werde nicht provozieren und den Status Quo wahren, sagte er weiter. Lai wurde am Montag, vier Monate nach der Wahl, im Präsidialamt in Taipeh vereidigt. Wie seine Vorgängerin Tsai Ing-wen ist der bisherige Vizepräsident ein entschiedener Verfechter der Demokratie in Taiwan.

„Unabhängig davon, wie sich die interne politische Situation in Taiwan entwickelt, an der historischen und gesetzlichen Tatsache, dass beide Seiten der Straße zu einem China gehören, ändert sich nichts“, sagte hingegen ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums. China betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz, die wieder mit dem Festland vereinigt werden soll, notfalls mit militärischer Gewalt. Die Drohgebärden der Volksrepublik gegenüber Taiwan haben in den vergangenen Monaten zugenommen, vor allem im Seegebiet zwischen China und der Insel. Die chinesische Regierung stufte Lai als „Separatisten“ ein, der neue Präsident hatte wiederholt eine entschlossene Haltung gegenüber Peking angekündigt. (AFP)

luxmann
21. Mai 2024 - 9.27

Die guten alten zeiten des 19.und erster haelfte des 20.jahrhunderts wo China sich auf seinem eigenen gebiet und im umfeld von europaeischen kolonialmaechten und spaeter auch den USA herum kommandieren liess sind sicher vorbei und werden auch nie wieder kommen.