DebatteParis und Berlin müssen „den Spuk der illiberalen Demokratie zurückdrängen“

Debatte / Paris und Berlin müssen „den Spuk der illiberalen Demokratie zurückdrängen“
Die Diskussionsteilnehmer auf dem Podium: (v.r.) Daniel Cohn-Bendit, Claus Leggewie, Charles Goerens, Anna-Lena Högenauer und Edouard Simon Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Der sogenannte und vielzitierte „deutsch-französische Motor“, der den europäischen Einigungsprozess eigentlich in Bewegung halten soll, war Gegenstand einer prominent besetzten Diskussionsrunde am Donnerstagabend in der Abtei Neumünster. Aktualitätsbedingt schoben sich jedoch die deutschen Wahlen und die Bilanz der scheidenden Kanzlerin Angela Merkel in den Vordergrund. Wobei es auch wieder um Europa ging.

Im September vergangenen Jahres hatten der ehemalige EU-Parlamentarier der Grünen und Revoluzzer-Legende Daniel Cohn-Bendit sowie der deutsche Politikwissenschaftler Claus Leggewie in einem Gastbeitrag in der FAZ sowie in Le Monde die Schaffung einer deutsch-französischen Föderation vorgeschlagen. Sie wollten ein „utopisches Modell skizzieren“, erklärte Claus Leggewie, „eine Gegenerzählung dem Versagen der Nationalstaaten in vielen Bereichen“ gegenüberstellen. Denn, so der Politologe weiter, „die Nationalstaaten sind bei der Lösung vieler Probleme vollständig überfordert“, und zählt beispielshalber den Klimawandel, die Sicherheit, den Verkehr und das Artensterben auf. Das Problem nur sei, der Nationalstaat werde „sakralisiert“, bedauert Claus Leggewie, der dennoch in beiden Ländern genügend Kräfte ausgemacht haben will, die eine derartige Föderation wollten.

Daniel Cohn-Bendit meint, Deutschland müsse noch über eine Beteiligung an der französischen Atombombe nachdenken
Daniel Cohn-Bendit meint, Deutschland müsse noch über eine Beteiligung an der französischen Atombombe nachdenken Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Eine deutsch-französische Föderation habe es in gewisser Weise auch schon gegeben, assistiert Daniel Cohn-Bendit. Und zwar vor dem von den USA und Großbritannien geführten Krieg gegen den Irak nach 9/11. Damals hatten Paris und Berlin dem US-britischen Kriegsgespann die Gefolgschaft verweigert. In diesem Kontext meinte Daniel Cohn-Bendit, Frankreich könnte seinen Sitz im Sicherheitsrat mit Deutschland „oder mit Europa“ teilen. Ein Problem sei allerdings die Atombombe. Paris hat in der Vergangenheit bereits angeboten, Deutschland an seinem atomaren Arsenal zu beteiligen. Was von Berlin aus immer wieder dankend abgelehnt wurde. Deutschland müsse noch darüber nachdenken, meinte Daniel Cohn-Bendit, der die doppelte Staatsbürgerschaft, die er bereits hat, als ersten konkreten Schritt ihres Vorhabens fördern will.

Sie hat Europa nie verstanden

Daniel Cohn-Bendit, über die deutsche Kanzlerin Angela Merkel

Er wolle Europa nicht auf das deutsch-französische Paar reduzieren, meinte seinerseits Edouard Simon, Forschungsdirektor am französischen Institut IRIS. Wichtiger sei derzeit vielmehr, West- und Osteuropa miteinander zu versöhnen. Das müssten Berlin und Paris hinbekommen, folgt man Anna-Lena Högenauer, die erklärte, dass der deutsch-französische Motor funktioniert, wenn die EU gespalten sei. Allerdings nur, wenn die deutsch-französischen Position jene der anderen Länder abdecke, so die Politikwissenschaftlerin von der Universität Luxemburg. Man müsse Deutschland und Frankreich Vertrauen schenken, meinte wiederum Charles Goerens. Denn es sei das einzige Paar, das andere Länder mitnehmen, auf diese eingehen würde, so der DP-Europaabgeordnete.

Große Erwartungen an Olaf Scholz

Dass es dabei allerdings auf die handelnden Personen ankommt, zeigten die verschiedenen Einschätzungen zu den Merkel-Jahren in der EU. Während es für Charles Goerens noch zu früh ist, über das europäische Erbe Merkels ein Urteil abzugeben, haben andere ihres schon gefällt. „Sie hat Europa nie verstanden“, findet Daniel Cohn-Bendit, der der scheidenden Kanzlerin zwar immer wieder attestiert, „Menschlichkeit“ zu haben, dafür „aber überhaupt keine politische Vision“. Anders als Emmanuel Macron, wie Edouard Simon erklärt, der seit François Mitterrand nach vielen Jahren wieder ein französischer Präsident mit „einer wahren europäischen Vision“ sei. Und zudem über eine „europäische Legitimation“ verfüge, wie Charles Goerens einwarf. Denn immerhin habe Macron die Präsidentschaftswahlen mit einem klaren Bekenntnis zur EU gewonnen.

Der Politikwissenschaftler Claus Leggewie wirft der deutschen Kanzlerin Angela Merkel vor, in Europa einen „Scherbenhaufen“ hinterlassen zu haben
Der Politikwissenschaftler Claus Leggewie wirft der deutschen Kanzlerin Angela Merkel vor, in Europa einen „Scherbenhaufen“ hinterlassen zu haben Foto: Editpress/Hervé Montaigu

In Frankreich seien die Erwartungen gegenüber einem möglichen nächsten Kanzler Olaf Scholz denn auch groß, meinte Edouard Simon. Vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht, was den Umgang mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt angehe. Aber auch was die Entwicklung in den Bereichen Sicherheit und Verteidigung anbelange, wo Deutschland aus seiner Vorsichtsposition herauskommen müsse, so der IRIS-Forscher. Der Franzose wollte Merkel jedoch nicht verantwortlich machen für „den Scherbenhaufen“, den zu hinterlassen Claus Leggewie die Kanzlerin zuvor beschuldigt hatte. Es habe sich mit den Rechten eine „absolute Bedrohung“, „eine faschistische Revanchebewegung“ in Europa installiert, so der deutsche Politikwissenschaftler. Mit den sogenannten Visegrad-Staaten gebe es eine Vetomacht in der EU und Polen und Ungarn würden die Vision eines christlichen, abendländischen Nationalstaates propagieren und nicht vor Rassismus und Migrantenfeindlichkeit zurückschrecken, so Claus Leggewie. Hier sieht Daniel Cohn-Bendit denn auch eine neue Aufgabe für den deutsch-französischen Motor. Paris und Berlin müssten „den Spuk der illiberalen Demokratie zurückdrängen“, die vor allem vom ungarischen Regierungschef Viktor Orban vertreten wird.

Wieder Mann
3. Oktober 2021 - 13.34

Schon komisch , wenn Leute wie Cohn-Bendit über illiberale Demokratie diskutieren,wie ernst man solche Debatten nehmen kann, er selber Archivmaterial bis 2031 über seine Person hat sperren lassen . Artikel in der FAZ zu pädophilen Äußerungen Jahre 2013 von Christian Füller/ Danys Phantasien und Träume / Die Grünen und ihr Umgang mit der Pädophlie / 2013 von Tichomirowa in der Frankfurter Rundschau oder zum Thema SED ,2019 im The Eurpoean , Cohn-Bendit fordert die Rückkehr der SED.

Klod
3. Oktober 2021 - 11.22

Mir scheint wichtiger den spuk eines giftzwergen namens daniel cohn bendit zurueck zu draengen