EU-GipfelDie 27 wollen ihren Teil an Vakzinen und keinen Export-Krieg

EU-Gipfel / Die 27 wollen ihren Teil an Vakzinen und keinen Export-Krieg
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel Foto: Aris Oikonomou/Pool/AFP/dpa

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Wegen der EU-weit wieder steigenden Zahl an Covid-19-Infektionen wurde das Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs kurzerhand in einen Videogipfel umfunktioniert. Wodurch sich die Diskussionen auf einen Tag beschränkten und bereits in der Nacht zum Freitag abgeschlossen wurden. Hauptthema waren die Bekämpfung der Covid-19-Pandemie sowie außenpolitische Themen.

Den Streit um die Verteilung von Impfstoffen zwischen den Mitgliedstaaten konnten die 27 EU-Staats- und Regierungschefs nicht lösen (siehe untenstehenden Artikel). Und die im Vorfeld lange geplante Diskussion über die zukünftigen Beziehungen mit Russland fand auch dieses Mal nicht statt. So nutzten die Europäer ihr digitales Zusammentreffen zumindest dazu, um sich, im Sinne der weltweiten Solidarität, als derzeit größten Lieferanten für Corona-Impfstoffe darzustellen. Damit sollte vor allem jenen Kritikern frühzeitig der Wind aus den Segeln genommen werden, die den EU-Europäern wegen ihres diese Woche verschärften Transparenz- und Genehmigungsmechanismus für die Ausfuhren von Corona-Impfstoffen Vorwürfe machen.

Die 27 begrüßten, dass die EU-Kommission ihren Mechanismus verstärkt hat und forderten die Pharmaunternehmen auf, „die Planbarkeit ihrer Impfstoffherstellung (zu) gewährleisten und vertragliche Lieferfristen“ einzuhalten. Von Exportverboten wollte freilich niemand reden, auch nicht die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die nach den Gesprächen vor allem die Transparenz in diesem Zusammenhang in den Vordergrund stellte. Denn seit der Mechanismus Ende Januar in Kraft getreten sei, seien von der EU aus Impfstoffe in 33 Länder exportiert worden und nur eine Lieferung von 381 sei nicht genehmigt worden. Und „seit dem 1. Dezember bis heute“ seien 77 Millionen Impfstoffdosen exportiert worden, führte die Kommissionspräsidentin weiter aus, um zu dokumentieren, dass es nicht die Absicht der EU sei, anderen Impfstoffe vorzuenthalten. Die EU-Staaten wollten nur, was ihnen zustehe, war die Botschaft.

Auch wenn der Druck in vielen EU-Ländern groß ist, möglichst schnell viel Impfstoff zu bekommen, mahnten einige Staaten zur Vorsicht bei Exportverboten. Darunter auch Luxemburg, das sich damit Ländern wie Belgien und den Niederlanden anschloss, wo Corona-Vakzine hergestellt werden und die vermeiden wollen, dass sie durch Ausfuhrverbote in Export-Kriege hineingezogen zu werden.

Doch der Kontrollmechanismus dient auch als Drohkulisse gegenüber Großbritannien, das bislang weitaus mehr geimpft hat als eines der 27 EU-Länder und bislang bereits 10,9 Millionen Impfdosen aus der EU bezogen hat. Selbst hat das Vereinigte Königreich jedoch noch keine einzige Impfdose in die EU geliefert. Möglicherweise kommen sich die beiden nun über den vor einigen Tagen in einem Werk in Italien gemachten Fund von 29 Millionen AstraZeneca-Impfdosen in ihrem Streit näher. Nachdem anfangs darüber berichtet wurde, dass diese, oder zumindest ein Teil davon, für die Insel bestimmt gewesen seien, heißt es nun, dass 16 Millionen Dosen an die EU gehen sollten. Die übrigen 13 Millionen Dosen sind für die internationale Initiative „Covax“ bestimmt, über die ärmeren Staaten in der Welt Corona-Impfstoff zur Verfügung gestellt werden soll und an der die EU maßgeblich beteiligt ist.

Russland ganz kurz

Ausführlich beschäftigt sich die Schlusserklärung der 27 mit der Türkei (siehe gestrige Ausgabe), mit der wieder eine „positive Agenda“ angestrebt werden soll. Immerhin hat Ankara seine Provokationen im östlichen Mittelmeer rund um Erkundungsbohrungen nach Gas, mit denen vor allem Zypern und Griechenland verärgert wurden, eingestellt. Der Türkei wird bei weiterem Wohlverhalten eine intensivere Zusammenarbeit in einer Reihe von Bereichen in Aussicht gestellt. Erste Beschlüsse werden allerdings erst im Juni getroffen. Und können jederzeit rückgängig gemacht werden, denn die „Deeskalation bleibt fragil“, wie Ursula von der Leyen meinte.

Eigentlich wollten die 27 bei ihrem März-Gipfel auch über die strategische Ausrichtung ihrer Beziehungen zu Russland reden. Dazu reiste der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell vor einigen Wochen eigens nach Moskau, um auszuloten, inwieweit die russische Führung dazu bereit sei, wieder in einen Dialog mit den westlichen Nachbarn einzusteigen. Der Empfang allerdings war eisig, die Behandlung, die der Spanier erfuhr, „demütigend“, wie später bilanziert wurde. Zudem ließ der russische Außenminister Sergej Lawrow dieser Tage bei einem Besuch in China wissen, dass Russland nur noch mit einigen EU-Staaten in Kontakt bleiben wolle. Doch es dürfte nicht unbedingt an all dem gelegen haben, dass Russland nur mehr in den letzten beiden Sätzen der siebenseitigen Schlusserklärung des Gipfeltreffens erwähnt und von den 27 lediglich als „Informationspunkt“ behandelt wurde, wie EU-Ratspräsident Charles Michel erklärte. Das Thema ist so wichtig, dass die EU-Chefs es wohl lieber in gegenseitiger physischer Präsenz besprechen wollen. Oder sollten sie gar der Technik misstrauen? Immerhin sind Cyberangriffe aus Russland einer der Hauptstreitpunkte der EU mit Moskau.