EditorialEuropa gegen die Mutanten: Die EU-Staaten ringen wieder um eine gemeinsame Linie 

Editorial / Europa gegen die Mutanten: Die EU-Staaten ringen wieder um eine gemeinsame Linie 
Eine Frau in Lissabon, wo die britische Virusvariante gerade grassiert: Mehr oder weniger sind wir wieder da, wo wir vor etwas weniger als einem Jahr schon einmal waren. Zwischen den EU-Staaten läuft in der Pandemiebekämpfung kaum etwas synchron. Foto: AFP/Patricia de Melo Moreira 

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Europa kämpft gegen Mutanten. Da sind wir jetzt, nach Jahr eins der Pandemie. Nach Lockdown, Nasenabstrich, Nerzkadaver und den vielen anderen hässlichen Begriffen aus dem Jahr 2020 spült das Jahr 2021 nun diesen aus den Tiefen des Sprachgebrauchs in unseren Alltag. Zur Begrüßung sozusagen.

Und diese Mutanten haben es in sich. Die britische Virusmutation breitet sich offenbar rasend schnell aus. In Großbritannien, Irland oder Portugal hat die hochansteckende Coronavirus-Variante B117 die Infektionszahlen förmlich explodieren lassen. In Portugal könnte der Anteil bereits nächste Woche auf 60 Prozent steigen. In den drei Staaten stehen die Gesundheitssysteme vor dem Kollaps. Eine ernstzunehmende Bedrohung, ohne Zweifel.

Wie reagiert Europa? Die EU-Staaten kämpfen nicht nur gegen Mutanten – sondern streiten auch wieder untereinander. Deutschland wird vorgeworfen, sich entgegen allen Absprachen auf EU-Ebene eigenen Impfstoff bestellt zu haben. Die ganze europäische Impfstrategie, sowohl von EU-Ebene aus wie in den einzelnen Staaten, gleicht einem einzigen Schlamassel in Schneckentempo, während gleichzeitig offenbar Panik aufgrund heranrauschender Mutanten ausbricht. Unterdessen fordert Belgien ein Verbot touristischer Reisen, Griechenland will einen Impfpass für Flugreisen.

Als würde das nicht reichen, ging es am Donnerstagabend beim Video-EU-Gipfel erneut um mögliche Grenzschließungen. Angela Merkel hatte diesen Geist am Dienstag nach der Verlängerung des Lockdowns in Deutschland aus der Flasche gelassen. Während Ungarn, Österreich und Dänemark ihre Grenzen längst wieder kontrollieren, forderte die Bundeskanzlerin von den Nachbarländern, „synchron“ bei den Maßnahmen zu sein, andernfalls drohten „Vorkehrungen“.

Voilà, mehr oder weniger sind wir wieder da, wo wir vor etwas weniger als einem Jahr schon einmal waren: Zwischen den EU-Staaten läuft in der Pandemiebekämpfung kaum etwas synchron. Jeder macht sein eigenes Ding. Im Frühsommer hatte schließlich Deutschland seine Meinung durchgesetzt. Die Risikogebiete waren geboren, bald könnten die Hochrisikogebiete folgen.

Während Risikogebiete ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner gelten und das Reisen bereits im Sommer durch Quarantäne- und Testpflicht erschwerten, könnten Hochrisikogebiete ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 200 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner zutreffen – und Grenzschließungen nach sich ziehen.

Luxemburg fürchtet demnach wieder um die vielen Pendler in Gesundheitsberufen. Auch sie dürften in dem Fall nur noch mit negativem Covid-Test die Grenze zurück nach Deutschland passieren – und müssten sich dann alle 48 Stunden testen lassen, um in Luxemburg arbeiten zu können.

Zurzeit liegt Luxemburgs Sieben-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner Tageblatt-Berechnungen zufolge bei 133, der Wert von 200 wurde hierzulande letztmals am 26. Dezember überschritten. Auch sonst stimmen Luxemburgs Zahlen optimistisch, alles kann demnach nicht falsch gemacht worden sein. Weitere Lockerungen dürften in naher Zukunft aber keine zu erwarten sein. Dafür ist die Sorge dann doch zu groß. Vor B117. Vor geschlossenen Grenzen. Und am meisten vor einer Kombination aus beidem.

grenzgegner
23. Januar 2021 - 0.23

@Scholer: Offensichtlich ist Ihnen der ironische Unterton völlig entgangen. Wenn Deutschland die Grenzen schließen möchte, dann sollte das Luxemburg auch tun können. Tatsächlich müsste dann in Deutschland niemand mehr die Gefahr fürchten, dass durch offene Läden und Schulen das Virus auch nach Deutschland gelangt... Also würde Luxemburg den Deutschen nur einen Gefallen tun, und dabei noch das Gesicht wahren, schliesslich ist man ja ein souveräner Staat (wenn Europa mal gerade nicht so wichtig ist...)

J.Scholer
22. Januar 2021 - 18.26

@grenzgegner: Sprechen Sie etwa den deutschen Bürgern ihre Mündigkeit ab? Ich glaube die uns besuchen , sind erwachsen genug selber zu entscheiden.Wir zwingen keinen deutschen Bürger uns zu besuchen.Nebenbei zu ihrer Bemerkung der Bedrohung .In unserer Zeitgeschichte war Luxemburg nie eine Bedrohung für seine Nachbarländer, was andere nicht behaupten können .

grenzgegner
22. Januar 2021 - 13.31

@J.Scholer: Wie wäre es, wenn Luxemburg mal Selbstbewusstsein zeigt und von sich aus die Grenzen schliesst? Dann sind die Deutschen auch nicht mehr den Bedrohungen durch offene Läden und Schulen ausgesetzt....

Luki.S.
22. Januar 2021 - 13.29

Wow, elo och nach Mutanten.

HTK
22. Januar 2021 - 11.00

Mit "Synchron" hatten die EU-Verantwortlichen seit der Gründung ihre Probleme.Da waren Nasen wie Mag Thatcher und Berlusconi,heute heißen sie Johnson oder Orban. Aber auch die kleinen Nationalismen brechen bei der geringsten Störung(Corona) durch.In Wirklichkeit haben wir als erste Generationen seit 1945 einen Frieden in Europa der vorher nie möglich war."Die EU und die freie Marktwirtschaft sind Garant für diesen Frieden. Niemand schießt auf seine Kunden.!" sagte einst Dieter Nuhr in seinem Satire-Programm.Recht hat er.Und mit dem Stand der heutigen Forschung ist auch ein Virus nicht mehr so gefährlich wie vor 100 Jahren.Wir haben nur keine Zeit und keine Geduld mehr.Die sind uns abhanden gekommen.

J.Scholer
22. Januar 2021 - 8.02

Mit Blick auf den heutigen „ Regierungsrot“ ,ob Luxemburg unter der Knute Deutschlands einbricht und strengere Regeln , Auflagen , erneute Geschäftsschließungen proklamiert.