Verhandeln mit Putin

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Bewegte Zeiten sind für die Nato fordernde Zeiten. Wegen der Politik von Russlands Präsident Putin ist das mächtigste Militärbündnis der Welt so bedeutend wie lange nicht mehr.

Militärisch Stärke demonstrieren und gleichzeitig Gesprächsbereitschaft signalisieren: Diesen Spagat in der Haltung gegenüber Russland und seinem Präsidenten Wladimir Putin hat am Freitag der Nato-Gipfel gemacht. Denn der Westen hat durchaus ein Interesse an einer Zusammenarbeit mit Moskau – etwa im Syrien-Konflikt wegen der Bedrohung durch die IS-Dschihadisten oder bei Libyen wegen der Flüchtlingskrise.

„Die Nato will keinen neuen Kalten Krieg“, sagt Bündnisgeneralsekretär Jens Stoltenberg. „Der Kalte Krieg ist Geschichte und das soll er bleiben.“ Doch vieles erinnert derzeit an das Wettrüsten zwischen Ost und West des Eisernen Vorhangs: Beide Seiten rüsten massiv auf, verschieben Truppen Richtung Grenze und belauern sich argwöhnisch bei Manövern und Patrouillen in der Ostsee oder am Schwarzen Meer.

Bis zu 4000 Soldaten

Estland, Lettland, Litauen, Polen: In jedem der vier Länder stationiert die Nato ab dem kommenden Jahr ein Bataillon mit bis zu tausend Soldaten – Deutschland übernimmt dabei die Führung in Litauen. Einst gehörten die Osteuropäer zum von Moskau geführten Warschauer Pakt, jetzt fühlen sie sich akut von Russland bedroht. Denn die russische Annexion der Krim hat gezeigt, dass Grenzen in Europa wieder verschoben werden können.

Die Militärs im Bündnis sprechen mit Blick auf die Bataillone von einem „Stolperdraht“. Würde Russland tatsächlich eines der Länder angreifen, würde es dort sofort auf Nato-Soldaten treffen. Und müsste damit rechnen, dass das Bündnis sofort Verstärkung in Gang setzt – unter anderem durch die neue „Speerspitze“ der Allianz, eine schnelle Eingreiftruppe, deren Soldaten teils binnen 48 Stunden samt Waffen und Ausrüstung verlegt werden können.

Nato-Russland-Grundakte „aushebeln“

Der russische Gesandte Oleg Krasnitskiy wirft der Militärallianz vor, mit der Truppenstationierung die Nato-Russland-Grundakte „auszuhebeln“. In ihr hatte die Nato 1997 zugesagt, auf eine dauerhafte und umfangreiche Stationierung von Kampftruppen in Osteuropa möglichst zu verzichten – allerdings ist demnach eine Verstärkung „für den Fall der Verteidigung gegen eine Aggressionsdrohung“ möglich.

Die Nato könne aus einer „Position der Stärke“ heraus den Dialog mit Moskau führen. Der Dialog lag wegen des Ukraine-Konflikts fast zwei Jahre auf Eis. Erst im April trat der 2002 gegründete Nato-Russland-Rat auf Ebene der Botschafter wieder zusammen. Ein weiteres Treffen soll kommenden Mittwoch stattfinden. Putin machte dafür Anfang Juli Vorschläge, die in der Nato durchaus als konstruktiv gesehen werden.

Der russische Präsident sprach sich dafür aus, dass künftig alle Militärflugzeuge bei Flügen über der Ostsee Transponder benutzen, die ihre Identifizierung durch die Luftraumüberwachung erlauben. Putin zufolge schalten die Geräte nicht nur russische, sondern auch Nato-Flugzeuge nicht ein, was die Gefahr von gefährlichen militärischen Zwischenfällen oder gar Kollisionen mit Zivilmaschinen erhöht. Die Nato bestreitet, dass ihre Maschinen Transponder ausschalten, sieht aber bei dem Treffen am Mittwoch gleichfalls die „Risikoreduzierung“ und „Vorhersehbarkeit“ ganz oben auf der Agenda.