Krim-Referendum hat begonnen

Krim-Referendum hat begonnen

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Mehr als 1,8 Millionen Menschen auf der Schwarzmeer-Halbinsel Krim sind am Sonntag zur Abstimmung über die nationale Zugehörigkeit ihrer Teilrepublik aufgerufen.

Die Bürger werden gefragt, ob sie Russland beitreten wollen. Die mehr als 1200 Wahllokale sind von 7.00 Uhr bis 19.00 Uhr MEZ geöffnet. Noch in der Nacht zum Montag werden die Ergebnisse des umstrittenen Volksentscheids erwartet.

Die Krim-Führung will die Abspaltung von der Ukraine erreichen, um sich dann Russland anzuschließen. Die EU und die USA sowie die Ukraine kritisieren das Referendum als Bruch internationalen Rechts. Die Autonome Republik Krim ist bisher Teil der Ex-Sowjetrepublik Ukraine, der sie 1954 zugeschlagen wurde. Moskau betont das Selbstbestimmungsrecht der mehrheitlich russisch-stämmigen Krim-Bevölkerung und will eine „Rückkehr“ der Halbinsel zum Mutterland durchsetzen. Die Krim-Stadt Sewastopol ist seit mehr als 200 Jahren Sitz der russischen Schwarzmeerflotte.

„Illegal“

Die Verfassungsrechtsexperten des Europarats halten das Referendum für illegal, weil es sowohl gegen die Verfassung der Ukraine als auch gegen die Verfassung der Region Krim verstoße. Zudem entsprächen die Umstände der Abstimmung nicht den demokratischen Standards, meint die sogenannte Venedig-Kommission in einem Papier, das der dpa vorliegt. Die „Venedig-Kommission“ soll ihr Rechtsurteil der Vollversammlung am 21. und 22. März vorlegen.

Das ukrainische Parlament erklärte in einem symbolischen Protest gegen das Referendum das Parlament der Krim für aufgelöst. Zuvor hatte Interimspräsident Alexander Turtschinow die Beschlüsse auf der Krim für unzulässig erklärt. Umgekehrt erkennt die Führung der Schwarzmeerhalbinsel die nach dem Sturz des Präsidenten Viktor Janukowitsch gebildete Regierung in Kiew nicht an. Der Oberste Sowjet der Krim in Simferopol hatte stattdessen das Referendum angesetzt und die Unabhängigkeit von der Ukraine beschlossen.

Sanktionen

Die USA und die EU-Staaten wollen auf das Referendum rasch mit weiteren Sanktionen reagieren. Im UN-Sicherheitsrat verhinderte Russland am Samstag per Veto eine Resolution zur Krim-Krise. Moskaus Botschafter Witali Tschurkin stimmte wie erwartet gegen den von den USA vorgelegten Entwurf. China enthielt sich. In dem Papier sollten alle Staaten aufgerufen werden, das Krim-Referendum nicht anzuerkennen.

Die EU-Außenminister wollen an diesem Montag Kontensperrungen und EU-Einreiseverbote für Personen beschließen, die sie für das Referendum verantwortlich machen. US-Vizepräsident Joe Biden wird von Montag bis Mittwoch nach Polen und ins Baltikum reisen, um mit den dortigen Regierungen über die Unterstützung der territorialen Integrität der Ukraine zu beraten.

Kein Waffenembargo

Der französische Präsident François Hollande sagte am Samstag in Paris: „Weder Frankreich noch die Europäische Union werden die Gültigkeit dieser Pseudo-Abstimmung anerkennen.“ Er schloss aber ein Waffenembargo gegen Russland vorerst aus. Auf die Frage, ob Paris die Lieferung bereits von Russland bestellter Kriegsschiffe aussetzen würde, sagte er: „Das ist die dritte Sanktionsstufe. Wir sind bei der ersten.“

Italiens Regierungschef Matteo Renzi sagte bei einem Treffen mit Hollande in Paris, das Referendum sei zwar „rechtlich wertlos“, doch es müsse „alles getan werden, um zurück zum Verhandlungstisch zu kommen“.

Proteste

In Moskau gingen am Samstag jeweils Zehntausende Gegner und Befürworter des Krim-Referendums auf die Straße. Kreml-Gegner protestierten mit Parolen wie „Hände weg von der Ukraine!“ und „Schluss damit, Schande über Russland zu bringen!“ gegen die Krim-Politik des Präsidenten Wladimir Putin. Darunter waren der frühere Vize-Regierungschef Boris Nemzow und die Punkband Pussy Riot. Kremltreue Kräfte forderten den Anschluss der Krim an Russland.

Die frühere ukrainische Ministerpräsidentin Julia Timoschenko warnte vor einer weiteren Eskalation des Konflikts: „Dieses aggressive Machtstreben gegenüber der Ukraine birgt nicht nur eine Gefahr gegenüber dem ukrainischen Staat, auch andere Teile Osteuropas sind gefährdet“, sagte die Politikerin dem „Tagesspiegel“ (Sonntag). Sollte Putin „nach dem Beitritt der Krim seinen Angriff auf unser Land fortsetzen, rufe ich die demokratische Welt dazu auf, das stärkste Instrument anzuwenden, um diesen Angreifer zu stoppen“, fügte Timoschenko hinzu.

Rechte der Minderheiten

Europarat-Generalsekretär Thorbjørn Jagland nannte den „Schutz der Rechte aller Minderheiten unabdingbar für die Einheit, Unabhängigkeit und territoriale Unversehrtheit der Ukraine“. Der 1949 gegründete Europarat, zu dessen 47 Mitgliedern auch Russland und die Ukraine gehören, soll die Demokratie auf dem Kontinent stärken. Seine Venedig-Kommission berät die Staaten in Verfassungsfragen.

Der Venedig-Kommission zufolge widerspricht das Krim-Referendum der Verfassung der Ukraine, die Abstimmungen über eine Sezession nicht zulasse. Es widerspreche zudem der Verfassung der Krim, die die Rechte der Teilrepublik in den Rahmen der ukrainischen Verfassung stelle. Die Bedingungen für eine demokratische Abstimmung seien angesichts der massiven Präsenz paramilitärischer Kräfte und der kurzen Vorbereitungszeit von zehn Tagen nicht gegeben.