„Europa spüren“

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Rund 250 Gymnasiasten aus Luxemburg, Belgien, Deutschland und Frankreich bekamen die europäische Politik am Freitag im Europäischen Gerichtshof aus erster Hand erklärt.

„Ich hatte nicht gedacht, dass die so locker, so entspannt sind“, meinte nach der etwa zweistündigen Diskussion ein Schüler unter zustimmendem Kopfnicken von Klassenkameraden aus dem Dietrich-Boenhoffer-Gymnasium aus Schweich. Die beiden Spitzenpolitiker, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, kamen bei ihrem jungen Publikum gut an. „Ziel ist es, das Eis zu brechen“ und „Europa zu spüren“, hatte denn auch der Gastgeber und Dritte im Bunde, der Präsident des Europäischen Gerichtshofes, Koen Lenaerts, einleitend zu Beginn gemeint.

Nach 2014 war es die zweite Auflage dieser Veranstaltung, die jungen Menschen einen schrankenlosen Zugang zu maßgeblichen EU-Politikern geben soll. Wohl nicht zufällig wurde dazu der 11. November gewählt, der Jahrestag des Waffenstillstands im Ersten Weltkrieg, was Schulz und Juncker dazu nutzten, um die Grundidee der Europäischen Union samt einem Bezug auf die Kriege in unmittelbarer Nachbarschaft Europas (Ukraine, Syrien) eindrücklich darzustellen.

Keine Politikverdrossenheit

Dass die Jugendlichen durchaus mitbekommen, inwiefern die Politik ihr Leben beeinflusst und sie nicht unweigerlich vom Phänomen der Politikverdrossenheit betroffen sind, zeigten ihre Fragen, mit denen sie die Präsidenten herausforderten. Etwa wie es kommt, dass gerade ältere Wähler mit ihrem Wahlverhalten – Beispiel Brexit und Trump – über die Zukunft der jüngeren Generationen entscheiden können. Was Martin Schulz dazu brachte, die Jugendlichen darauf aufmerksam zu machen, dass „jede Stimme zählt“. Das heißt, auch die der jungen britischen Wähler, die zwar beim Referendum mit einer großen Mehrheit für den Verbleib in der EU gestimmt hätten. Allerdings habe sich nur eine Minderheit an der Abstimmung beteiligt.

Die Flüchtlingskrise war ebenso ein Thema wie die Frage, was gegen das schlechte Image der EU getan werden kann. Jean-Claude Juncker musste erklären, dass eigentlich die EU-Staaten für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zuständig sind, die EU dennoch versuche, dazu beizutragen, die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Und zwischendurch versuchten die Redner immer wieder die Botschaft rüberzubringen, dass die europäische Idee auf einem gemeinsamen Dialog und der Zusammenarbeit auf Basis gemeinsamer Werte fuße.

Terrorgefahr und Klimaschutz

Die drohende Terrorgefahr und der Klimaschutz beschäftigten die Jugendlichen ebenso wie die Frage, wie ein europäischer Staat aussehen könnte und wie sich die Beziehungen zur Türkei entwickeln. Wobei Jean-Claude Juncker deutlich machte, dass er hinsichtlich der Türkei „keine Lust“ mehr habe, sich „weiterhin sehr vorsichtig zu äußern“. Die Türken rief er auf, in einem „Selbstfindungsprozess“ herauszufinden, „ob sie noch Mitglied der EU werden wollen oder nicht“.

Obwohl sie gerne noch über Ungarn oder die beiden Freihandelsabkommen TTIP und CETA diskutiert hätten, waren die Gymnasiasten aus Schweich beeindruckt von den beiden Politikern. Begeistert zeigten sich am Ende auch Schüler aus dem hauptstädtischen Lycée Aline Mayrisch, die ohnehin noch unter dem Eindruck ihrer Teilnahme am Model European Parliament vor rund einer Woche in Kopenhagen standen, wo sie mit Gleichaltrigen aus den EU- und Beitrittskandidaten-Ländern europäische Themen diskutiert hatten. Diese Erfahrung und die Veranstaltungen am EuGH weckten das Bewusstsein dafür, „wie wichtig Europa ist und dass es sich lohnt, dafür zu kämpfen“, meinte eine Schülerin.