MeinungParteitag der AfD: Eine Partei von gestern – und von vorgestern

Meinung / Parteitag der AfD: Eine Partei von gestern – und von vorgestern
Mitarbeiter der Polizeibehörde überwachten auf dem Parteitag der AfD die Einhaltung deutscher Gesetze in Sachen Gesundheitsschutz Foto: Kay Nietfeld/dpa

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Zu allen Zeiten gab es Menschen, die die Vergangenheit verklärten. „Wir wollen unsern alten Kaiser Wilhelm wiederhaben“, sangen sie in den 1920er Jahren. Heute bietet die AfD für solche Wähler ein politisches Angebot. „Holen wir uns unser Land zurück, das wir kennen und wiederhaben wollen“, rief der Vorsitzende Jörg Meuthen am Samstag beim Parteitag in Dresden aus. „Deutschland. Aber normal“, lautet der Wahlkampfslogan.

Was normal ist, bestimmen die Rechten. Sie verwerfen in ihrem aktuellen Wahlprogramm alles, wirklich alles, für das die letzten Generationen politisch gestritten haben, die Frauen, die Liberalen, die Umweltschützer, die Gewerkschaften, auch die Unternehmer. Zurück zum Abstammungsprinzip im Staatsbürgerschaftsrecht, Strafmündigkeit ab zwölf Jahren, Wiedereinführung der Wehrpflicht inklusive „Traditionspflege“, dazu die nahezu besessene Beschäftigung mit dem Islam. Die Zuwanderung soll nach dem Vorbild Japans extrem begrenzt werden. Deutschland – ein Inselstaat, der sich abschotten kann?

Im Westen gibt es eine Schicht, die seit den 1970er Jahren nicht klargekommen ist mit all den als „Öko-, Gender-, Multikulti- und Sozialklimbim“ empfundenen Veränderungen. Sie will die gute alte Adenauerzeit wiederhaben. Und im Osten hadert ein Teil der Menschen seit der Wiedervereinigung mit der kulturellen Offenheit ihres neuen Heimatlandes. Das Wahlprogramm der AfD spricht sie alle an: kein Kohleausstieg, kein Klimaschutz, keine EU und kein Euro, kein gendern und keine Quoten. Die Familie bestehe aus Vater, Mutter, Kinder, sagte Meuthen ebenfalls. Schon seine Fraktionschefin Alice Weidel lebt und liebt anders.

Gegen Tests, gegen Impfungen

Neben den Gestrigen gibt es nur noch die Vorgestrigen um Björn Höcke. Sie wollen die Aufarbeitung der NS-Zeit beenden und sind gleich stark mit den Gestrigen. Beide Lager blockieren sich gegenseitig, es reichte in Dresden nicht einmal mehr dazu, sich auf Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl zu einigen. Zu Höckes Gruppe gehört auch Sachsens Landeschef Urban, der der politischen Konkurrenz in seiner Rede drohte: „Wir werden sie schlachten.“ Er fand das witzig, weil die Messehalle auf einem ehemaligen Schlachthofgelände steht. Keiner protestierte. Auch nicht, als Urban von Dresden als „Stadt des Widerstandes“ sprach. Teile der Partei und ihrer Anhänger haben sich radikalisiert. Sie sind ein Fall für den Verfassungsschutz. Und was das Heute angeht, die Corona-Krise: Da hat sich die Mehrheit des Parteitages auf Betreiben Höckes klar auf die Seite der Verweigerer gestellt. Gegen Tests, gegen Impfungen, gegen alle Einschränkungen.

So etwas mag zehn Prozent der Menschen in Deutschland anziehen, eben Leute, die entweder gestrig, vorgestrig oder Corona-Leugner sind. Plus ein paar Protestwähler, je nach Lage. Viel größer dürfte die Anhängerschaft nicht sein. Diese AfD ist nicht anschlussfähig an irgendeine andere Kraft im Bundestag. Antworten für die Gegenwarts- und Zukunftsfragen hat sie nicht. Stimmen für sie sind verlorene Stimmen. Das ist das Ergebnis von Dresden.

jonas
12. April 2021 - 14.04

„Wir wollen unsern alten Kaiser Wilhelm wiederhaben“, sangen sie in den 1920er Jahren." In Bayern aber nicht, die wollen ihren König Ludwig wiederhaben.