AnalyseWie die DP es schafft, eine breite Mitte an Wählern zu bedienen

Analyse / Wie die DP es schafft, eine breite Mitte an Wählern zu bedienen
Xavier Bettel hat seine Partei einem „außergewöhnlichen Modernisierungsprozess“ unterzogen Foto: Editpress/Julien Garroy

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Wie so oft in den vergangenen Jahren gehört die DP zu den Wahlgewinnern. Die Partei von Xavier Bettel kommt auf 14 Abgeordnete. Ähnlich viele Mandate hatten die Liberalen schon einmal, als sie eine Regierung mit der CSV eingingen. Über die Wandlungsfähigkeit einer Partei.

„Back to basics“, mit diesen Worten kommentierte der DP-Politiker Charles Goerens am Wahlsonntag die ersten Hochrechnungen bei RTL. Als seine Partei 2013 mit der LSAP und den Grünen ein Mitte-links-Bündnis anstrebte, hielt Goerens dies für eine Schnapsidee. Er, der damals als Erstgewählter im Norden gerne Minister in einer CSV-DP-Regierung geworden wäre, verabschiedete sich aus der nationalen Politik. „Back to basics“ heißt es nun auch für Goerens’ DP. Nach zehn Jahren Blau-Rot-Grün wurden die Liberalen bei den Wahlen am 8. Oktober zwar gestärkt, dennoch bleibt ihnen nur die Rolle des Juniorpartners an der Seite der CSV.

Mit 14 Sitzen ist die DP nicht nur weiterhin zweitstärkste Kraft auf dem Krautmarkt, sie hat im Vergleich zu 2018 zwei Sitze hinzugewonnen. Im Zentrum wurde der vor fünf Jahren verloren gegangene sechste Sitz zurückgeholt, im Süden – ein Bezirk, der nicht gerade als Hochburg der Liberalen gilt – konnte ein vierter Sitz gewonnen werden. Die Bettel-Partei legte prozentual in allen vier Wahlbezirken zu. National stand am Ende ein Plus von 1,79 Prozent gegenüber den vorigen Wahlen.

Personalisierter Wahlkampf

Besonders im Süden (+2,31 Prozent) und im Osten (+2,26 Prozent) konnte die DP ihr Ergebnis im Vergleich zu 2018 verbessern. Im Zentrum konnte Xavier Bettel mit über 34.018 persönlichen Stimmen erstmals Jean Asselborn im größeren Südbezirk übertrumpfen. Im Süden hießen die beiden Erfolgsgaranten Max Hahn und Claude Meisch.

Vor allem Hahn, der erst vor kurzem das Familienministerium von Corinne Cahen übernommen hat, konnte seinen Regierungsbonus ausspielen und über 8.000 persönliche Stimmen mehr sammeln als noch 2018. Im Osten waren es Parteipräsident und Minister Lex Delles sowie die DP-Generalsekretärin und neue Echternacher Bürgermeisterin Carole Hartmann, die die zwei Sitze sicherten. Echternach, die Heimatgemeinde des ewigen CSV-Ministers Fernand Boden, wurde zur neuen Hochburg der DP. Sie wurde wie bereits bei den Gemeindewahlen stärkste Partei.

Während sämtliche Parteien auf einen stark auf die Spitzenkandidaten zugeschnittenen Wahlkampf setzten, trieb die DP die Personalisierung auf die Spitze. Als Paulette Lenert (LSAP) Xavier Bettel in der Runde der Spitzenkandidaten auf RTL vor den Wahlen darauf hinwies, dass auf den Plakaten der DP lediglich „Xavier“ stehen würde, meinte Bettel: „Jo, mee dat sinn ech.“ Er steht für seine Partei wie kein anderer Politiker.

Die DP war die einzige Partei, die in diesem Wahlkampf auf bekannte Namen setzte. Mit Raphaël Stacchiotti und Mandy Minella war sie auch die einzige, die auf ehemalige Sportler ohne politische Erfahrung setzte. Minella wird aller Voraussicht nach in die Chamber nachrücken, wenn die Regierung erst mal steht. Sollten Claude Meisch und Max Hahn zu Ministerehren kommen, wovon auszugehen ist, wird die ehemalige Tennisspielerin als Sechstgewählte auf der Südliste Teil der 14-köpfigen DP-Fraktion sein.

Nach dem Höhenflug der Absturz

Somit ist die DP nah an ihrem Ergebnis von 1999, als sie mit 15 Abgeordneten das letzte Mal als Juniorpartner mit der CSV eine Regierung bildete. Nach den fünf Jahren der Regierung Juncker-Polfer folgte allerdings der Absturz. 2004 waren es noch zehn, 2009 neun Mandate.

Es war das Jahr, in dem Xavier Bettel die Parteipräsidentschaft übernahm. Unter seiner Führung durchlebte die Partei einen „außergewöhnlichen Modernisierungsprozess“, wie die DP 2015, zum Ende von Bettels Präsidentschaft, in einem Presseschreiben mitteilte. Sein Meisterwerk war ohne Zweifel die Bildung der Dreierkoalition.

Xavier Bettel machte aus der ehemaligen Partei des Kapitals und des Patronats eine Partei, die sich wie keine andere in der Mitte der Gesellschaft verankert und für jeden etwas im Angebot hat. Ein politischer Allzweckladen, wie Pol Schock 2019 im Tageblatt schrieb. Diese Philosophie wurde auch von Bettels Nachfolgerin an der Parteispitze, seiner Vertrauten Corinne Cahen, weitergeführt. Heute sind es Lex Delles und Carole Hartmann, über die Bettel die Partei weiterhin fest im Griff hat. Genau diese „Sowohl-als-auch“- Ausrichtung hat der DP in den vergangenen Jahren den Erfolg gebracht, den sie sowohl bei Nationalwahlen als auch bei Gemeindewahlen oder Europawahlen einfahren konnte.

Pragmatischer „Allzweckladen“

Da wären wir wieder bei Charles Goerens. Der Europaabgeordnete zog sich 2013 zwar aus der nationalen Politik zurück, doch der offene Bruch mit Bettel führte nicht dazu, dass Goerens komplett von der Bildfläche verschwand. Bei der DP geht man solche Situationen pragmatischer an als bei manch anderer Partei. Goerens sicherte seiner Partei 2014 einen Sitz in Brüssel und holte gemeinsam mit Monica Semedo 2019 sogar einen zweiten Sitz für die Liberalen. Nach Mobbingvorwürfen ist Semedo zwar nicht mehr DP-Mitglied, aber von dieser Affäre blieb nicht viel an der Partei haften. Ebenfalls eine charakteristische Eigenschaft der DP.

Charles Goerens (r.), hier im Gespräch mit Meris Sehovic von „déi gréng“, war kein Freund von Blau-Rot-Grün
Charles Goerens (r.), hier im Gespräch mit Meris Sehovic von „déi gréng“, war kein Freund von Blau-Rot-Grün Foto: Anouk Flesch

Der „Allzweckladen“ DP hat für jeden etwas im Sortiment. Nun war es an der Zeit, mal wieder alte Werte ins Angebot zu nehmen. Als sich anbahnte, dass es für Blau-Rot-Grün eng werden könnte und Menschen in Krisenzeiten bekanntlich eher Konservative stärken, haben sich Parteigranden, die ihren Einfluss aus dem Hintergrund geltend machen, für einen liberaleren und konservativeren Kurs der Partei ausgesprochen.

Was in anderen Parteien zu Zerreißproben führt, ist bei der DP kaum der Rede wert. Die CSV hat zehn Jahre nach einer Ausrichtung in der Opposition gesucht, dabei einen Spitzenkandidaten und einen Präsidenten verbrannt. Die LSAP, die in der Vergangenheit bekanntlich eine lebendige Diskussionskultur pflegte, kann auf eine ganze Reihe an Kongressen und auf öffentlich ausgetragene Richtungsstreitigkeiten zurückblicken. Bei DP-Kongressen ist man eher darauf bedacht, Tagesordnungen schnell abzuhaken. Wenn ein neues Präsidium gewählt wird, ruft Xavier Bettel schon mal dazu auf, keine einzelnen Stimmen abzugeben, sondern ein ganzes Team zu wählen. „Da si mir och eng Stonn éischter um Apero. Dir kënnt mir Merci soen.“

Für jedes Profil den passenden Politiker

Die Partei kann sich aber für weitaus mehr bei Bettel bedanken. Er war es, der die Partei so breit aufgestellt hat und demnach von einer sozialen, umweltfreundlichen zu einer konservativeren und liberaleren Ausrichtung wechseln kann. Die DP verfügt über Politiker, die beides glaubhaft verkörpern. Ob eine Lydie Polfer in der Hauptstadt ein Bettelverbot durchsetzen will oder ein Max Hahn sich für eine inklusivere Gesellschaft einsetzt, die DP bietet die ganze Palette an und strahlt dabei noch eine Leichtigkeit aus, die ihresgleichen sucht.

Die Frage, die sich jahrelang stellte: Wie wird die DP reagieren, wenn die Zeiten schlechter werden? Nach Pandemie, Inflations- und Energiekrise sieht es etwas düsterer aus und die Partei besinnt sich auf liberalere und konservativere Werte. So schafft man es, weiterhin an der Macht zu bleiben – und hatte für dieses Ziel auch keinerlei Probleme, den Posten des Premierministers der CSV zu überlassen.

Das Wahlprogramm der DP weist in vielen Bereichen große Überschneidungen mit dem Wahlprogramm der CSV auf. Knackpunkte, die eine Koalition scheitern lassen könnten, gibt es nicht. Demnach wird die DP versuchen, ihren unbeschwerten Höhenflug der vergangenen Jahre fortzusetzen. Altgediente Parteimitglieder freuen sich aber jetzt erst einmal über die Rückkehr zu den Wurzeln ihrer Partei. Bleibt abzuwarten, ob die Liberalen nach fünf Jahren an der Seite der Christsozialen immer noch unbeschwert ihren Apéro nach dem Kongress genießen können. Dann wird sich zeigen, ob sie die Lehren aus dem 1999er-Bündnis mit der CSV gezogen haben. Damals wurden sie ähnlich abgestraft wie die Grünen jetzt.

Sam
23. Oktober 2023 - 13.31

Die wirklich Mächtigen setzen sich nicht in Fernsehdebatten Ich denk' an Ablasshandel, Aberglauben, Mythen und Märchen.

jojoschmi66
21. Oktober 2023 - 13.19

Die DP hat die LBTQ+ Community von den Grünen übernommen!