Armeeskandal„Eine Sache des Prinzips, die nicht nur mich betrifft“: Christian Schleck zum ersten Mal im Interview

Armeeskandal / „Eine Sache des Prinzips, die nicht nur mich betrifft“: Christian Schleck zum ersten Mal im Interview
Niemals aufgeben: „Es geht nicht nur um mich, sondern um eine Prinzipiensache“, so Christian Schleck Foto: Editpress/Julien Garroy

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Christian Schleck ist Soldat und arbeitet im Rekrutierungsbüro der Armee. Er ist auch Präsident der Armeegewerkschaft. Er wirft General Alain Duschène vor, versucht zu haben, ihn unrechtmäßig zu versetzen und ihn bei der Ausübung gewerkschaftlicher Arbeit zu behindern. Im Rahmen der sogenannten „Affäre Schleck“, welche die Medien seit über einem Jahr beschäftigt, wird der Rücktritt der Minister Henri Kox und François Bausch gefordert, ein General soll vors Militärgericht und bei der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ist Klage eingereicht worden. Corona-bedingt ist es ruhig geworden um die Vorwürfe. Doch sie stehen immer noch im Raum. Was ist heute Stand der Dinge? Das wollen wir vom Betroffenen selbst wissen. Der steht zum ersten Mal persönlich Rede und Antwort. „Ich werde nicht aufgeben!“, so Christian Schleck im Tageblatt-Gespräch.*

Tageblatt: Christian Schleck, immer noch kämpferisch?

Christian Schleck: Ja natürlich, denn es geht um eine Prinzipiensache, die nicht nur mich betrifft.

Wenn wir in unserem Gespräch „Sie“ sagen, meinen wir natürlich nicht nur Sie persönlich, sondern auch die Armeegewerkschaft, deren Präsident Sie sind, sowie das „Syndicat professionnel de la force publique“ (SPFP), deren Vizepräsident Sie sind. Kämpferisch müssen Sie in der Tat auch sein, denn die wesentlichen Fragen in Ihrem Dossier sind bis heute nicht wirklich beantwortet. Erster Punkt: General Duschène. Am 29. September geht der Armeechef in Rente. Ihm werfen Sie vor, Sie in diese Lage gebracht zu haben. Deshalb haben Sie auch seinen Rücktritt gefordert. Daraus wird nun ja nichts mehr. Auf Basis des „Code pénal militaire“ haben Sie im März aber auch Anzeige gegen ihn erstattet. Was kann man sich darunter vorstellen?

Es handelt sich beim „Code pénal militaire“ um ein armeespezifisches Gesetz, das sich ausschließlich um Militärangelegenheiten kümmert, die dann vor einem Militärgericht geregelt werden. Es funktioniert eigentlich wie ein „normales“ Straftribunal, mit den gleichen Verfahrensprozeduren, nur dass dieses Gericht nicht permanent zusammensitzt.

Wann wird es zu einer Verhandlung kommen?

Das kann ich Ihnen jetzt nicht sagen. Es bewegt sich aber alles im normalen Zeitrahmen und die Prozedur muss ihren normalen Lauf nehmen. Es handelt sich ja auch um ein voluminöses Dossier.

Okay, warten wir ab. Zweiter Punkt: die Internationale Arbeitsorganisation (ILO). Die ILO, mit Sitz in Genf, ist als Organisation der Vereinten Nationen eine Art Hüterin der Gewerkschaftsarbeit, der Gerechtigkeit und der Menschen- und Arbeitsrechte. So gesehen also eigentlich genau die richtige Adresse für Ihr Anliegen. Wann haben Sie Klage eingereicht?

Im Juli dieses Jahres.

Was ist kurz erklärt der Hauptpunkt der Klage?

Es geht um den Versuch des Armeechefs, den Präsidenten der Armeegewerkschaft durch Einschüchterung und Schikane bei seiner gewerkschaftlichen Arbeit zu behindern.

Bei der normalen Prozedur wollten Sie es wegen Corona nicht belassen, jetzt sind Sie in einer Art beschleunigten Prozedur. Wann rechnen Sie mit einer Antwort?

Auch das kann ich jetzt nicht sagen, aber auch da bewegen wir uns im normal üblichen Zeitrahmen. Wir gehen allerdings davon aus, dass es schnell gehen wird. Wir erwarten uns eine erste Reaktion von der ILO innerhalb des nächsten Monats. Auf dem normalen Weg hätte unter den gegebenen Umständen eine erste Reaktion möglicherweise bis Januar 2021 auf sich warten lassen.

Wie könnte die Antwort der ILO aussehen?

Der erste Schritt wird sein, dass die ILO den Luxemburger Staat um eine Stellungnahme bittet. Anschließend muss der Generaldirektor des Gremiums entscheiden, was zu tun ist. Möglich ist, dass Luxemburg ermahnt wird, die Gewerkschaftsarbeit stärker zu respektieren. Dazu könnte auch gehören, so hoffen wir, dass ich meinen früheren Posten wieder zurückbekomme mit den gleichen Befugnissen wie vorher.

Ist das, was die ILO sagt, bindend? 

Also wenn dem Staat von der ILO empfohlen wird, sein Verhalten anzupassen, dann hoffen wir doch sehr stark, dass der Staat das auch umsetzt. Das Prinzip der gewerkschaftlichen Freiheit ist enorm wichtig und darf nicht mit Füßen getreten werden. Das gilt ja nicht nur in meinem Fall. Für dieses Prinzip steht schließlich die ILO. 

Lassen Sie mich zum besseren Verständnis nachhaken. Sie haben im Rekrutierungsbüro der Armee gearbeitet, dann mussten Sie Ihrem dortigen Arbeitsplatz eine gewisse Zeit fernbleiben, das ist die Geschichte des Versuches, Sie zu versetzen. Nun sind Sie wieder auf Ihrer alten Stelle, aber mit weniger Befugnissen?

Richtig, ich sitze an meinem alten Arbeitsplatz, in meinem Büro, aber mit weniger Aufgaben als vor meiner angeblich nicht stattgefundenen Versetzung. So darf ich mich zum Beispiel nicht mehr um die Kommunikation kümmern.

Kommunikation?

Also die ganze Öffentlichkeitsarbeit betreffend die Armee.

Und wie wird das begründet?

Es gibt keine konkrete Begründung dafür, weder schriftlich noch mündlich. Es wurde einfach gemacht.

Deshalb ist das dann auch Bestandteil der Klage bei der ILO?

Ja!

Dritter Punkt. Im Raum hängt immer noch die Forderung, dass die Minister Henri Kox und François Bausch zurücktreten sollen. Warum geht es da? 

Um Aussagen des damaligen beigeordneten Armeeministers Henri Kox im Parlament im Kontext meiner Versetzung. Er sagte, er habe ein Schreiben, das besagen würde, ich sei damals mit meiner Versetzung einverstanden gewesen. Das entsprach aber nicht der Wahrheit. Es gibt kein solches Schreiben, weil ich nie ein solches unterzeichnet habe. General Duschène hat das aber in einem Brief behauptet und Minister Kox hat ihm geglaubt. Henri Kox und François Bausch haben eine Lüge des Chefs der Armee gedeckt, statt ihn zur Rechenschaft zu ziehen. Beide Minister haben ihre Verantwortung nicht wahrgenommen, deshalb bleiben wir als SPFP bei der Rücktrittsforderung.

Die Minister Kox und Bausch sehen das aber anders. Beide erklären die Sache als beendet.

Da muss ich aber hinzufügen, dass irgendeiner die Verantwortung übernehmen muss. Es kann nicht sein, dass in der Öffentlichkeit ungestraft behauptet werden kann, ich hätte etwas getan, was ich nicht getan habe.

Es ist nachvollziehbar, dass Sie um Ihre Ehre kämpfen. Worum geht es Ihnen noch, was motiviert Sie weiterzukämpfen? 

Weil es um ein Grundprinzip geht, weit über meine Person hinaus. Und die Tatsache, dass nicht nur das SPFP, sondern auch die CGFP („Confédération générale de la fonction publique“) mein Anliegen unterstützen, zeigt, dass es wichtig ist, gewerkschaftliche Freiheit immer und überall zu garantieren und zu verbessern. Deshalb wollen wir als Gewerkschaft hier nicht aufhören, sondern ein Zeichen setzen. Auch im Interesse all jener, die die Faust in der Tasche ballen und sich bislang nicht getraut haben, mit ihren Problemen an die Öffentlichkeit zu gehen.

Eine letzte Frage. Am Dienstag übernimmt der 52-jährige Steve Thull den Posten des Armeechefs. Freuen Sie sich auf ihn? 

Ja. Mit dem neuen Chef, glauben wir, wird ein neuer, frischer Wind wehen. Ich bin auch überzeugt, dass er mit seiner Motivation die Armee in eine positive Zukunft führen kann. Wir freuen uns vor allem auch, weil, das ist das Wichtigste, wir davon ausgehen, dass der Dialog mit ihm besser wird.

*Das Interview haben wir am vergangenen Donnerstag aufgezeichnet.

Es wurde einfach gemacht

Christian Schleck, Soldat und Präsident der Armeegewerkschaft