„Pink Floyd“-StarVon wegen Dark Side: David Gilmour wird heute 75 Jahre alt

„Pink Floyd“-Star / Von wegen Dark Side: David Gilmour wird heute 75 Jahre alt
Party in der Scheune: David Gilmour beim Musizieren mit seiner Tochter Romany und Polly Samson Foto: Screenshot YouTube

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Für die Binsenweisheit, dass Geld allein nicht glücklich macht, es dem Glück aber auch nicht gerade im Weg stehen muss, mag David Gilmour ein schönes Beispiel sein: Gerade während der Pandemie ließ der sonst eher scheue, sehr britische Gitarrist und Sänger von Pink Floyd die Welt erstaunlich nah heran an sich und seine Familie – und was man da zu sehen bekommt, ist ein Mann, der offenbar sehr reich und sehr glücklich ist. Beides ist, auch in diesem Fall, durchaus keine Selbstverständlichkeit.

Gilmour, der am 6. März 1946 im Akademikerstädtchen Cambridge in die Familie eines Genetik-Professors geboren wurde, hatte sicherlich alle Voraussetzungen, bei durchschnittlicher Lebensführung zumindest niemals tiefer als unter die arrivierte Mittelschicht zu rutschen – doch natürlich sollte dieses Leben alles andere als durchschnittlich bleiben, nachdem erst in Cambridge und dann in London eine kreative Explosion stattgefunden hat, die David Gilmour mit Pink Floyd zu Rockgiganten machen sollte.

Fans wissen natürlich, dass Gilmour kein Gründungsmitglied der Pink Floyd war, er gehörte aber zum erweiterten Dunst- und Freundeskreis der Combo – und war schon zu Schulzeiten mit dem „Crazy Diamond“ Syd Barrett befreundet, den er ersetzte, als Barrett sich immer mehr als verrückt, aber weniger als Diamant zeigte.

Das Wagnis, ein Rockstar zu werden, hätte natürlich schiefgehen können und tatsächlich erfuhr Gilmour in den frühen Jahren, etwa während eines Trips durch Spanien und Frankreich mit Syd Barrett ganz kurzzeitig, wie sich Geldsorgen und ein leerer Magen anfühlen – und musste sogar in einem Krankenhaus aufgepäppelt werden.

Kaum zu glauben, aber in den späteren Jahren, als Pink-Floyd längst in der Stratosphäre des Rockstar-Ruhms angekommen waren, musste sich Gilmour nochmals Sorgen machen: Nach vielen falschen Investments durch windige Berater war „Pink Floyd Ltd.“ vom Bankrott bedroht. Um dem zu entgehen, fing die Band jetzt mit den grotesken Winkelzügen an, die als nötig angesehen wurden, um Gewinne zu sichern und Steuern zu vermeiden (luxemburgisch: „zu optimieren“): Gelder wurden plötzlich fernab der britischen Heimat geparkt, manche der Musiker durften lange Zeit keinen Fuß mehr auf britischen Boden setzen. Diesen skurrilen Kapriolen und dem Gigantismus ihrer Shows setzte der Sci-Fi-Autor Douglas Adams später mit der fiktiven Band „Desaster Area“ ein Denkmal: Die waren nicht nur so laut, dass ihre Konzerte praktisch nicht zu überleben waren, sondern ließen sich, um Steuern zu sparen, sogar vorübergehend für tot erklären.

Diese Episoden hat Gilmour aber längst hinter sich: Mit der Neuauflage von Pink Floyd ohne Roger Waters, aus der ein paar Alben, Tourneen und sehr viele Tantiemen hervorgegangen sind, ist er wieder so sicher und diesmal wohl unumkehrbar reich geworden, dass er sogar Steuern zahlen kann. In Interviews hat er wiederholt sein schlechtes Gewissen darüber geäußert, wie absurd gut er gestellt ist – was wohl der Grund dafür ist, dass er ziemlich viel spendet: 2003 hat er sogar den kompletten Erlös aus dem Verkauf seines Hauses in London einer Obdachlosenorganisation gegeben (die ihr geplantes Projekt dann nicht einmal ordentlich durchgezogen hat). Und 2019 ließ er 120 Gitarren über Christie’s versteigern – und spendete auch hier den Rekorderlös von 21 Millionen Dollar für einen guten Zweck. Gilmour hatte gelernt, dass man das ganze Geld nicht braucht, wenn man sowieso schon sehr viel davon hat – und dass im Leben mehr zählt als ein kapriziöses Leben am Limit. Das musste ihm aber erst jemand klarmachen.

Und dann kam Polly

Nach einer gescheiterten Ehe mit einem Modell begeisterte sich Gilmour in den 80ern beunruhigenderweise gleichzeitig für das Fliegen und Kokain und feierte nach praktisch jedem der hunderten Auftritte während der „Momentary Lapse of Reason“-Tour ausschweifende Partys. So erinnert sich der (damals neue) Bassist Guy Pratt in seinem Buch daran – und über seine Überraschung, als das wenige Jahre später, während der „Division Bell“-Tour, plötzlich völlig anders war: Da gab es Selters statt Sekt und Partys auch eher nicht mehr. „Schuld“ daran war Gilmours neue Partnerin, die Autorin Polly Samson, die Gilmour erdete und von einem Kurs abbrachte, den er heute „selbstzerstörerisch“ nennt.

Heute sind die beiden glücklich verheiratet, wechseln sich bei ihren kreativen Tätigkeiten fair ab, damit sich der andere um die Kinder kümmert, und ab und zu  machen sie auch mal was zusammen (Samson schreibt die Texte für Gilmour, er vertont ihr Hörbuch). Ansonsten sind sie von einer Kinder- beziehungsweise Enkelschar umgeben, mit der offenbar viel gelacht, gereist, gekocht und musiziert wird. Das konnte man in den vergangenen Monaten ausgiebig verfolgen: Samson hatte nämlich den Roman „Theater For Dreamers“ geschrieben, der in die Künstlerboheme auf die Insel Hydra entführt, in der Leonard Cohen einst seine Karriere begründete. Doch pandemiebedingt mussten alle PR-Aktivitäten für das Buch ausbleiben, weshalb die Familie Gilmour-Samson auf einem Dachboden ihres Anwesens eine Reihe seltsamer Streams aufgenommen hat, die zwischen Buch-Lesung und Talk pendeln. Ab und zu darf dabei auch der Patriarch eine Akustische hervorholen, um ein Liedchen zu spielen, während um ihn herum Babys brabbeln, Hühner gackern (!) oder Hunde die Deko umwerfen.

Fantastisch ist das, weil man natürlich erkennt: Auch ohne gigantische Bühne, fliegende Schweine, Laserkanonen und dutzende Effektgeräte verströmt dieser Mann eine ganz eigene Klasse und Magie, selbst wenn er, wie ein Teenie am Lagerfeuer, „Morning has broken“ covert: Es ist das Timbre dieser sonoren Stimme und dieses besondere Gitarrenspiel, das ganz viele „magisch“ nennen, weil es nicht unbedingt virtuos ist, jedenfalls schon gar nicht rasant, dafür aber jedem Ton genau den Raum und Charakter gibt, den er braucht. In einem Film der BBC erklärt Gilmour, wie er zu seinem Stil kam: Dass seine Eltern ihn früh zum Musizieren ermunterten und dass er sich mit einem Buch von Pete Seeger die ersten Griffe beibrachte – Jahre, bevor ihn das Schicksal ihn endgültig mit Nick Mason (der bald wieder in Luxemburg auftreten sollte) und Richard Wright bekannt machte.

Ob der ebenfalls aus Cambridge stammende Roger Waters ihm wohl heute gratuliert? Die legendäre Fehde zwischen dem Pink-Floyd-Bassisten (und Texter und Komponist vieler Klassiker) kocht immer mal wieder hoch, bevor es wieder Zeichen der Versöhnung gibt, wie etwa Gilmours Auftritt bei einem „The Wall“-Konzert von Roger Waters.

Vielleicht überkommt Roger Waters ja heute auch ein bisschen Neid: So gelöst und in sich ruhend wie der Sanguiniker Gilmour wäre der getriebene Zyniker sicher auch gerne manchmal.

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HTK
7. März 2021 - 9.06

" Shine on us you crazy diamond." Thank you and happy B.