Gemeinderat EschPremiere im Exil: Schlagabtausch um den PAP „Rout Lëns“

Gemeinderat Esch / Premiere im Exil: Schlagabtausch um den PAP „Rout Lëns“
Im Exil: Der Gemeinderat tagte am Freitag erstmals im Ausweichquartier in Belval Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Erstmals tagte der Escher Gemeinderat im Belvaler Ausweichquartier, wobei der Teilbebauungsplan „Rout Lëns“ und Gutscheine zur Unterstützung der Escher Horeca-Betriebe im Mittelpunkt standen. 

Der am 15. August 1937 eingeweihte Sitzungssaal im Escher Rathaus wird renoviert, weshalb der Gemeinderat bis zum nächsten Februar, also bis zur Eröffnung von Esch2022, in Belval tagt. Am Freitag war die große Premiere im Konferenzsaal der Uni-Bibliothek. Der ist doch recht eng geraten, weshalb die Sitzungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden sollten. Das aber ist gegen das Gesetz, sodass nun doch einige wenige Zuschauer zugelassen werden können. Übertragen wird der Gemeinderat aber auch wie gewohnt im Livestream.

Die Sitzung stand ganz im Zeichen des Teilbebauungsplans (PAP) „Rout Lëns“. Auf dem Areal der früheren Brasseurschmelz auf „Terres Rouges“ entsteht ein völlig neues Stadtviertel für bis zu 3.000 Einwohner. Einige Beanstandungen waren im Vorfeld beim Schöffenrat eingegangen. Daraus resultieren laut Urbanistin der Stadt, Daisy Wagner, zwei direkte Änderungen im PAP: Anstatt 10 Prozent der Wohnfläche für erschwinglichen Wohnraum zu reservieren, sind es nun 30. Auch Stellplätze für Fahrräder sind nunmehr vorgesehen. 

Und dennoch war die Mobilität Hauptthema bei der anschließenden Diskussion. „Ich habe das Gefühl, dass das Projekt zu isoliert betrachtet wird“, sagte zum Beispiel Stéphane Biwer (LSAP), die eine „lebendige Verbindung zum Stadtzentrum“ vermisse. Biwer wünsche sich außerdem mehr Informationen zu der Schule, die die Gemeinde dort baut. Aber auch die Frage, wie man gedenke, den erschwinglichen Wohnraum zu managen, stehe noch im Raum. „Grundsätzlich können wir mit dem Projekt leben, da aber noch so viele Informationen fehlen, enthalten wir uns bei der Abstimmung“, so Biwer.

Line Wies („déi Lénk“) kritisierte das Projekt als Ganzes. Ihre Partei stehe privaten Bauunternehmern kritisch und skeptisch gegenüber. „Wir haben das Gefühl, dass Eric Lux (der Bauherr, Anm. d. Red.) alles machen darf, was er will.“  Die Macht von Becca, Lux, Giorgetti und Co. werde einfach so hingenommen. „Das ist typisch für Luxemburg und ein Skandal“, meinte Wies. Zudem werfe die Erreichbarkeit Fragen auf, und es fehle ein kohärentes Mobilitätskonzept. „Ich weiß nicht, wem ich weniger trauen soll, dem Bauherrn oder den Verantwortlichen der Gemeinde“, schloss Line Wies. Das brachte Schöffe Pim Knaff (DP) ziemlich auf die Palme; es folgte ein kurzer Schlagabtausch, der wegen nicht angeschalteter Mikrofone der Öffentlichkeit erspart blieb, was dann vielleicht auch besser so war.

Was machen mit dem erschwinglichen Wohnraum?

Luc Theisen (CSV), Präsident der Verkehrskommission, verwies auf das Mobilitätskonzept der Gemeinde und sprach von einer durchgehenden Fußgängerzone von „Rout Lëns“ bis zum anderen neu entstehenden Viertel in Esch-Schifflingen. „Es ist ein gutes Konzept mit dem Schwerpunkt auf der sanften Mobilität. Ein von Anfang an durchdachtes Konzept“, so Theisen. Mandy Ragni („déi gréng“) hob die „einmalige Chance für das sozial schwache Brill-Viertel“ hervor, während Bruno Cavaleiro (CSV) die Ehre der Bauunternehmer verteidigte: „Sie zu verteufeln, bringt nichts. Schließlich sind sie es, die uns als Land voranbringen.“ Und außerdem sei die Gemeinde nicht der Besitzer des Grundstücks. 

Schöffe Pim Knaff hatte sich noch nicht gänzlich beruhigt und ging auf seine eigene Art mit „déi Lénk“ ins Gericht. Anschließend unterstrich er die 30 Prozent erschwinglichen Wohnraum und erinnerte daran, dass das Gelände 40 Jahre lang brach lag. Der neue (noch nicht in Kraft getretene) „Pacte logement 2.0“ der Regierung sieht übrigens für neue Stadtviertel 30 Prozent erschwinglichen Wohnraum vor. Der zuständige Schöffe Martin Kox („déi gréng“) sprach von einem „nachhaltigen Projekt in jeder Hinsicht“. Was den erschwinglichen Wohnraum angeht, so gehe die Gemeinde „in die Richtung, die 30 Prozent zu übernehmen und über die GLS (,Gestion locative sociale‘) zu managen“. Mit den Stimmen der schwarz-grün-blauen Mehrheit wurde der PAP „Rout Lëns“ nach fast zweistündiger Diskussion angenommen. Die LSAP enthielt sich, während sich „déi Lénk“ dagegen aussprach.

Keine 50-Euro-Bons

Eine Motion hatte die LSAP auf die Tagesordnung gesetzt. Der durch Lockdown und Corona-Regeln arg gebeutelte lokale Horeca-Sektor sollte mit Gutscheinen unterstützt werden, ähnlich der Übernachtungsbons der Regierung. 25 Euro für Alleinstehende und 50 Euro bei mehrköpfigen Haushalten sollten den Bürgern, den Cafés und Restaurants zugutekommen. Für den Schöffenrat keine Option, wie Bürgermeister Georges Mischo (CSV) unterstrich: „Wir halten den Vorschlag für nicht sozial und sogar populistisch“, sagte der Bürgermeister und zählte daraufhin alle Corona-Hilfen auf, die die Gemeinde bis jetzt ausschüttete. Er kam dabei auf einen Gesamtbetrag von rund zwei Millionen Euro. Außerdem habe man beschlossen, dem Gemeindepersonal Horeca-Gutscheine von 50 Euro als Bonus wegen der ausgefallenen Personalfeier zukommen zu lassen. Vera Spautz (LSAP) wehrte sich gegen den Vorwurf des Populismus und legte dem Schöffenrat ans Herz, nicht immer gleich so aufgeregt auf Vorschläge der Opposition zu reagieren. Gegen die Ja-Stimmen von LSAP und „déi Lénk“ wurde die Motion abgelehnt.

Bereits zu Beginn der Gemeinderatssitzung hatte es Diskussionen über Punkt 4.2 gegeben, den die LSAP gerne von der Tagesordnung genommen hätte, weil das Thema weder in der Urbanismus- noch in der Finanzkommission zur Sprache gekommen war. Es geht dabei um das Grundstück in der rue de Belval, auf dem die Firma Oxylux seit vielen Jahren ihre Stickstoff- und Sauerstofftanks hat. Dort will sich in Zukunft Renault niederlassen und von Oxylux den Mietvertrag übernehmen. Der Gemeinde sind in dieser Sache die Hände gebunden, weil der Mietvertrag 1972 mit einer Laufzeit von 99 Jahren abgeschlossen wurde. Natürlich wäre man lieber den benachbarten Escher Betrieben Decker-Ries und Bonaria entgegengekommen, die beide Interesse an dem Areal bekundet hatten. Doch juristisch sei man an den Mietvertrag gebunden, weshalb Oxylux am längeren Hebel säße, so Georges Mischo.