UmbruchPersonalkarussell vor dem Parteikongress: LSAP-Minister wollen kürzertreten

Umbruch / Personalkarussell vor dem Parteikongress: LSAP-Minister wollen kürzertreten
Brachte die Personaldiskussionen bei der LSAP mit seiner Ankündigung ins Rollen: Arbeitsminister Dan Kersch  Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Auf Arbeitsminister Dan Kersch folgt der Minister für soziale Sicherheit Romain Schneider: Zwei LSAP-Minister haben innerhalb von ein paar Tagen angekündigt, kein Regierungsmandat mehr nach den nächsten Wahlen anzustreben – oder aber gar nicht erst antreten zu wollen. Kurz vor dem LSAP-Kongress riecht es nach Umbruch in den Reihen der Luxemburger Sozialisten. Drei vom Arbeitsminister vorgestellte Gesetzesprojekte geraten auf der Pressekonferenz schon fast zur Nebensache.

Erst die Ankündigung von Arbeitsminister Dan Kersch, auf ein Regierungsmandat verzichten zu wollen, dann folgte am Mittwochmittag die Ansage von Romain Schneider, Minister für soziale Sicherheit, nicht mehr bei den Wahlen 2023 antreten zu wollen: Das LSAP-Personalkarussell kommt zwei Jahre vor den Wahlen so langsam auf Touren. Arbeitsminister Dan Kersch hat am Rande einer Pressekonferenz noch einmal zu seiner Ankündigung Stellung genommen. „Déi Leit, déi d’Pensioun mat 60 erfonnt hunn, ware keng Dommer“, sagt Dan Kersch. Die Entscheidung habe er nicht von heute auf morgen getroffen, diese habe schon länger im Raum gestanden. „Es war zudem eine der besten Ideen meiner Partei, die Mandatszeit für Minister auf zehn Jahre begrenzen zu wollen“, sagt Kersch. Er sei auch nicht unschuldig daran gewesen, dass die Mandatsbegrenzung ins Parteiprogramm aufgenommen werden würde. Außerdem hat Romain Schneider, Minister für soziale Sicherheit, am Mittwochnachmittag gegenüber dem Tageblatt bestätigt, nicht mehr bei den nächsten Wahlen antreten zu wollen.

Dan Kersch brachte aber auch gesundheitliche Bedenken zum Ausdruck. „Ich verheimliche nicht, dass das alles auch eine vorsichtige Umschiffung des Druckes ist, der die letzten zwei Jahre auf uns lastete“, sagt Kersch. Er habe miterlebt, wie drei Regierungsmitglieder ihre Arbeit aus gesundheitlichen Gründen niederlegen mussten. „Wenn man dann in ein bestimmtes Alter kommt, fragt man sich natürlich, ob man das noch alles schafft“, sagt Kersch. Gerüchte, dass er Druck auf seine Partei ausüben würde, damit er endlich aufhören könne, seien jedoch genaue das: Gerüchte. „Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich nicht bis 70 Jahre Politik machen will.“

Als weiteres Argument führt der LSAP-Minister parteiinterne Bedenken an. „Es gibt in nächster Zukunft einen LSAP-Kongress, auf dem eine Statutenänderung beschlossen werden soll, die eine Doppelspitze ermöglichen soll“, sagt Kersch. Diese Debatte solle ohne Druck und Außeneinwirkung seiner möglichen Spitzenkandidatur geführt werden. „Ich will eine offene Diskussion.“ Er sei lange Zeit selbst gegen eine Doppelspitze innerhalb der Partei gewesen, habe seine Meinung jedoch geändert. Es habe sich herausgestellt, dass die Doppelspitze eine gute Entwicklung sei. Auf die Frage, ob er nach seinem Rücktritt von seinem Ministerposten als Politiker in der Chamber weitermachen wolle, antwortete Dan Kersch nur ausweichend. „Wenn ich einmal aus der Regierung ausscheide, entscheidet das schlussendlich meine Partei. Dafür müsste ja ein gewählter Abgeordneter aus dem Südbezirk auf seinen Ministerposten nachrücken“, sagt Kersch. „Wenn es aber um Personalentscheidungen geht, ist meine Partei immer für Überraschungen gut.“ Bis dahin sei er aber immer noch voller Tatendrang.

Drei Gesetzesprojekte vorgestellt

Pandemie-Kurzarbeit in Zahlen

1,164 Milliarden Euro hat der Luxemburger Staat an Kurzarbeit-Geldern seit Beginn der Pandemie ausgeschüttet. Von diesen 1,164 Milliarden Euro waren aber nur 769 Millionen Euro wirklich fällig, was bedeutet, dass der Staat, den Ausführungen des Arbeitsministers zufolge, 394,7 Millionen an Vorschüssen zu viel ausgezahlt hat. Von den 394,7 Millionen Euro an Überschüssen konnten bereits 97,85 Prozent der ausgezahlten Vorschüsse, was einem Wert von 386 Millionen Euro entspricht, wieder eingetrieben werden. Insgesamt bleiben noch 8,5 Millionen Euro einzutreiben, wobei man sich schon bei zahlreichen Rückforderungsanträgen bereits in der Prozedur befinde. 734.893 Euro werde man laut Dan Kersch nicht wieder eintreiben können, da sich die entsprechenden Betriebe in einem Konkursverfahren befinden oder bereits Konkurs angemeldet haben. 577.000 Euro seien an 83 Betriebe ausgezahlt worden, die aus vulnerablen Sektoren wie der Horeca, dem Tourismus oder der Eventbranche stammen. Hier werden die letzten Mahnungen in den nächsten Tagen und Wochen verschickt.

Der Grund, warum Arbeitsminister Dan Kersch eigentlich zur Pressekonferenz geladen hatte, war ein anderer. Kersch stellte die neusten Zahlen zur Kurzarbeit vor und kündigte gleichzeitig drei neue Gesetzesprojekte an. Ein Gesetzesprojekt soll es Arbeitgebern in Ausnahmefällen und erst nach einer sektoriellen „Tripartite“ ermöglichen, Arbeitnehmer für 1.714 Arbeitsstunden pro Jahr, was einem ganzen Jahr entspricht, in Kurzarbeit zu schicken. Bisher war das gesetzliche Maximum auf 1.022 Arbeitsstunden festgelegt, was aber während der Coronakrise bereits außer Kraft gesetzt worden war. „Es soll das absolute Ausnahmemittel bleiben“, sagt Kersch. „Es gibt zahlreiche Mittel, Kurzarbeit zu vermeiden, die vorher ausgelotet werden sollen.“ Der vorliegende Gesetzestext soll noch in diesem Jahr zur Abstimmung ins Chamber-Plenum.

Der zweite Gesetzentwurf, der vom Arbeitsminister vorgestellt wurde,  betrifft Mobbing am Arbeitsplatz. In Zusammenarbeit mit der Vereinigung „Mobbing asbl“ habe man festgehalten, den Tatbestand des Mobbings im Arbeitsrecht festzuschreiben. Für die Definition des Begriffes Mobbing habe man sich auf eine bereits bestehende Jurisprudenz berufen. „Jeder Akt, der durch seine Systematik und Wiederholung die Würde eines Arbeitnehmers betrifft, wird als Mobbing verstanden“, sagt Kersch. Die Arbeitnehmer können sich bei Mobbing-Vorfällen an die Gewerbeaufsicht ITM wenden, die innerhalb von 45 Tagen einen Bericht des Vorfalles erstellen soll. Man habe sich aber anders als bei sexuellen Übergriffen gegen eine Beweisumkehr entschieden. „Mit dem Gesetzentwurf wurden neue Prozeduren und eine neue Rechtssicherheit für den Arbeitnehmer geschaffen“, sagt der LSAP-Politiker.

Das dritte Gesetzesvorhaben, das von Arbeitsminister Dan Kersch vorgestellt wurde, ist das Recht auf Unerreichbarkeit („Droit à la déconnexion“), das ebenfalls im Arbeitsrecht verankert werden soll. „Jeder Betrieb muss dann zukünftig mit den Sozialpartnern über das Recht auf Unerreichbarkeit diskutieren“, sagt Kersch. „Existiert ein Kollektivvertrag, muss das Recht auf Unerreichbarkeit dort festgeschrieben werden.“ Durch die Arbeitszeitregelung habe es das Recht auf Unerreichbarkeit schon indirekt gegeben – mit dem vorliegenden Gesetzentwurf müsse auch über Kompensationsmaßnahmen und die technische Umsetzung diskutiert werden.

Dan Kersch kündigte zudem an, dass das CovidCheck-System auch auf Betriebe ausgeweitet werden könnte. „Unsere Priorität ist noch immer eine möglichst hohe Impfrate“, sagt Kersch. Jedoch sei er dem Vorschlag gegenüber offen, wenngleich die Gewerkschaften bereits ihre Bedenken ausgedrückt hätten.