Nach ZwischenfallNiederlande von inzwischen zwei ESC-Proben ausgeschlossen – angespannte Stimmung in Malmö

Nach Zwischenfall / Niederlande von inzwischen zwei ESC-Proben ausgeschlossen – angespannte Stimmung in Malmö
Joost Klein repräsentiert die Niederlande beim ESC Foto: Sarah Louise Bennett

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Dunkle Wolken ziehen über dem ESC auf. Die politische Debatte rund um die Teilnahme Israels kocht nach dem zweiten Halbfinale hoch. Auch Tali spürt die angespannte Lage vor Ort. 

Als die Künstler einlaufen, ist er noch dabei. Doch als Joost Klein aus den Niederlanden auftreten soll, werden bei der ersten Generalprobe am Freitag stattdessen die Requisiten von Israels Beitrag auf die Bühne gebracht. Bei den Journalisten vor Ort herrscht Verwunderung. Zunächst ist nichts zu erfahren, dann teilen die Produzenten nur mit: „Wir untersuchen derzeit einen Vorfall, der uns gemeldet wurde und in den der niederländische Künstler verwickelt ist. Er wird bis auf Weiteres nicht proben. Wir haben zu diesem Zeitpunkt keinen weiteren Kommentar und werden zu gegebener Zeit aktualisieren.“

Um was genau es sich beim Zwischenfall handelt, ist auch mehrere Stunden später nicht zu erfahren. Im Presseraum sind verschiedene Gerüchte zu gehören, die aber nicht bestätigt werden können. Es soll sich wohl um einen handgreiflichen Zwischenfall handeln. Erfahrene ESC-Journalisten gehen von etwas sehr Ernstem aus, wenn der Künstler nicht zur Probe auf die Bühne gelassen wird. Im Laufe des Nachmittags werden außerdem weitere Pressekonferenzen abgesagt. „Niemand will sprechen. Das ist ominös“, meint ein Journalist des deutschen Fernsehsenders RTL.

Um halb neun Abends, kurz bevor die zweite Generalprobe stattfinden soll, stellt die EBU klar: „Die Untersuchung des Vorfalls mit dem niederländischen Künstler ist noch nicht abgeschlossen. Es finden auch Gespräche zwischen der EBU und AVROTROS, dem teilnehmenden niederländischen Fernsehsender, statt.“ Man habe beschlossen, „dass Joost Klein auch während der Generalprobe zwei des Wettbewerbs, über die die Jurys in den 37 Teilnehmerländern abstimmen, nicht auftreten wird. Stattdessen wird sein Auftritt aus dem Halbfinale 2 verwendet.“

Die Stimmung vor Ort ist schon die ganze Woche angespannt. Sowohl bei der ersten als auch bei der zweiten Pressekonferenz war Israel ein Thema. Am Dienstagabend nutzte nur Bambie Thug aus Irland die Gelegenheit, um eine klare politische Botschaft loszuwerden. Sie war auf eine Kostümänderung angesprochen worden, die sie auf Order der EBU durchführen musste. Sie musste aufgemalte Schriftzüge in der alten keltischen Sprache Ogham entfernen, die „Free Palestine“ und „ceasefire“ bedeuten. Die irische Kunstschaffende streckte ihre Hand in einer Protestbewegung nach oben und wiederholte „Free Palestine“. 

Buhrufe und Tränen

Während den Proben, sowohl am Mittwoch wie Freitag und bei dem Halbfinale am Donnerstag kassierte die israelische Sängerin laute Buhrufe aus dem Publikum. „Free Palestine“ Rufe waren zumindest bei den Proben vor Fans in der Übertragung im Presseraum nicht zu hören. Im Delegationsraum sollen die niederländischen Vertreter ihre Meinung lautstark geäußert haben, wurde dem Tageblatt zugetragen. 

Die zweite Pressekonferenz bezeichnete ein Journalist von ESC kompakt gegenüber dem Tageblatt als „Kindergarten“. Vor allem Fan Media hätten politisch geladene Fragen gestellt, mehrere andere Künstler hätten mit Zwischenrufen gestört. Darunter auch Joost Klein. Der mischte sich in einen Wortwechsel zwischen einem Journalisten, der israelischen Kandidatin Eden Golan und Moderator Jovan Radmir ein. Der Journalist aus Polen hatte Golan gefragt: „Haben Sie jemals darüber nachgedacht, dass Sie mit Ihrer Anwesenheit ein Risiko und eine Gefahr für andere Teilnehmer und die Öffentlichkeit darstellen?“ Moderator Radmir stellte klar, dass Golan nicht auf die Frage antworten müsste. Da rief Klein: „Why not?“ Die Griechin Marina Satti gibt sich während den drei Fragen an die israelische Kandidatin betont gelangweilt und respektlos, gähnt und tut, als würde sie schlafen.

Die israelische Sängerin Eden Golan bei den Proben am Freitag
Die israelische Sängerin Eden Golan bei den Proben am Freitag Foto: Jessica Oé

Aus Delegationsquellen heißt es außerdem, dass Joost Klein unzufrieden mit seinem Startplatz im Finale gewesen sei. Er soll sich geweigert haben, zwischen Luxemburg und Israel aufzutreten. Dies kann das Tageblatt bisher nicht offiziell bestätigen.

Sollte es tatsächlich zu einer Disqualifikation der Niederlande kommen, wäre das historisch, bestätigt der in Luxemburg lebende Historiker und Eurovision-Experte Dean Vuletic gegenüber dem Tageblatt. „Ich kann mich nicht erinnern, dass das schon einmal passiert ist“, schreibt er über WhatsApp. Unpolitisch war der ESC noch nie, so der Historiker. „Das ist nur ein neues Kapitel in der komplexen politischen Geschichte der Eurovision, das zeigt, wie sehr der Wettbewerb schon immer mit der Politik der jeweiligen Zeit verwoben war“, so Vuletic. 

Die Diskussionen vor Ort schlagen sich auch auf die Künstler nieder, die augenscheinlich nicht in die derzeitigen Kontroversen involviert sind. Die Italienerin Angelina Mundo, die als Favoritin auf den Sieg am Samstagabend gilt, verlässt nach einem spontanen Interview mit mehreren Fan-Medien unter Tränen den Presseraum. Nachfragen bei den italienischen Kollegen ergeben, dass ein Fan sie sehr rüde nach den irrtümlichen veröffentlichen Resultate des italienischen Televoting im zweiten Halbfinale gefragt hat. Dort hatte das Publikum beim Halbfinale 12 Punkte an Israel vergeben. Eigentlich werden die Punkte der Halbfinals erst nach dem Ende des ESCs veröffentlicht. „Nun hat Angelina Stress wegen eines Fehlers des Broadcasters zu Hause“, so die Journalistenkollegin.

Angespannte Stimmung

Streit gibt es auch um eine Entscheidung des belgischen Broadcasters: Dieser schaltete bei der Übertragung des israelischen Beitrags weg und zeigte ihn nicht. Stattdessen erscheint eine Meldung, die den „Genozid“ im Gaza verurteilt. Das meldet das belgische Nachrichtenportal HLN. Eine historische und sehr ungewöhnliche Entscheidung. Denn normalerweise ist die Haltung der EBU, dass die beteiligten Sender entweder alles oder nichts des Contests übertragen. So wurde es auch Polen und anderen Oststaaten nicht erlaubt, als Conchita Wurst 2014 auftrat, den Auftritt des Drag-Künslters nicht zu zeigen.

Doch nicht nur bei den Künstlern und Broadcastern scheint die Stimmung geladen, sondern auch zwischen den Journalisten kam es zu angespannten Szenen. Während dem Auftritt Israels in der Probe buhten mehrere anwesende Medienleute, andere verließen den Saal. Am Ende des Liedes, während sich Golan beim „Publikum“ bedankte, schrie ein Blogger aus Spanien direkt vor der Bühne „Free Palestine“, seine Begleiter buhten lautstark. Mehrere Journalisten, die der Fahne nach zur britischen und israelischen Medien gehören, nahmen daran Anstoß und die Gruppen wechselten heftige Worte. 

Die Situation geht auch an Luxemburgs Vertreterin Tali nicht spurlos vorbei. „Es geht mir nicht aus dem Kopf“, sagt sie nach der ersten Generalprobe am Freitag. „Es macht mich sehr traurig, dass Menschen so gemein sind. Am Ende ist Golan nur eine junge, 20-jährige Frau. Sie hat nichts mit diesem umstrittenen, geopolitischen Konflikt zu tun. Sie ist nur hier, um das Gleiche zu tun wie ich und alle anderen Künstler. Ich kann mir nicht vorstellen, was sie gerade durchmacht.“ Auch zwischen den Künstlern spüre sie Spannungen. „Manche von ihnen beäugen mich seltsam, oder halten ihre Distanz. Aber keiner begegnet mir mit offenem Hass.“

Die letzten 24 Stunden haben auf jeden Fall bewiesen, dass der ESC 2024 alles andere als unpolitisch ist. Entgegen den Wünschen des Ausrichters SVT und der European Broadcasting Union spielt der Nah-Ost-Konflikt eine große Rolle, und trotz allen Versuchen, das Thema wegzudrängen, hat es den Eurovision voll im Griff. Die Bubble von „Frieden“ und „Zusammenarbeit“ ist geplatzt. Bleibt abzuwarten, ob heute Abend noch eine weitere Reaktion des Veranstalters kommt.

JJ
11. Mai 2024 - 19.07

Da haben wir's Der Exot kam nicht um zu singen Skandale kriegt man billiger Diese ganze Horrorshow hätte schon aus erhischen Gründen abgesagt werden müssen Singen ist gut aber es scheint mehr um Outfit und Skurrilität zu gehen.

CG
11. Mai 2024 - 15.20

Ich frage mich wieso Israel überhaupt zu europäischen Wettberwerben zugelassen ist, sei es Fussball, Handball usw und auch zum ESC denn es gehört je eigentlich nicht zu Europa.

Plop Poulpy
11. Mai 2024 - 12.10

Ass dar hai elo Musek oder politeschen Konflikt?

JJ
11. Mai 2024 - 8.35

Darf Israel auch nicht zur Olympiade,dieses politisch neutrale Sportevent? Und war der Libanon in München dabei ? Ich meine in den Arenen,nicht bei der Geiselnahme. Oder die Busse die in Israel samt Kindern in die Luft gesprengt wurden,hatten diese feigen Attentate irgendwelche Konsequenzen,ausser daß ein Arafat den Friedensnobelpreis erhielt?

Lucilinburhuc 4 Peace
10. Mai 2024 - 20.47

Womöglich brauchen wir in den nächsten 24 Stunden eine profilaktische de-eskalation? Ein Presseschreiben der Luxemburger Delegation? So in etw: "Dear Europe, no the colors of the Luxembourg flag are not indentical to the Dutch one. Our blue is lighter and comes close to the blue from Israel...."

luxmann
10. Mai 2024 - 20.26

Israel bei diesem wettbewerb zuzulassen war ein riesenfehler