Interview„Man merkt, dass es den Menschen momentan nicht gut geht“: Nancy Kemp-Arendt zur wachsenden Popularität der Petitionen

Interview / „Man merkt, dass es den Menschen momentan nicht gut geht“: Nancy Kemp-Arendt zur wachsenden Popularität der Petitionen
Seit 2018 Präsidentin des Petitionsausschusses der Chamber: Nancy Kemp-Arendt (CSV) Foto: Editpress/Alain Rischard

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Seit März 2014 gibt es in Luxemburg die Möglichkeit, Petitionen einzureichen. Damit habe das Land einen Schritt zu „mehr Partizipation und Demokratie gewagt“ und ein „Erfolgsmodell moderner Bürgerbeteiligung“ geschaffen, wie Chamber-Präsident Fernand Etgen einst meinte. Fest steht: Die Petitionen haben regen Zuspruch. Das Tageblatt blickt im Interview mit der Präsidentin der Petitionskommission, Nancy Kemp-Arendt (CSV), hinter die Kulissen. 

LINK Lesen Sie zum Thema auch das Editorial:
Der unsichtbare, rollende Stein: Wieso die Kommunikation über die Petitionen verbessert werden muss

Tageblatt: Nancy Kemp-Arendt, Sie sind seit 2018 Präsidentin des Petitionsausschusses der Abgeordnetenkammer. Warum sind Petitionen in Ihren Augen wichtig?

Nancy Kemp-Arendt: Die Menschen machen uns Politikern ja gerne den Vorwurf, dass wir zu weit weg von ihnen wären und über ihre Köpfe hinweg entscheiden. Mit den Petitionen haben sie ein Mittel, ihre Anliegen und Ideen dahin zu bringen, wo es zählt – in die Chamber, wo abgestimmt wird, wo Gesetze gemacht werden. Die Zahlen beweisen, dass die Leute das extrem gerne in Anspruch nehmen. Ich denke, das war vor 2014 nicht so. Natürlich trägt die neue Homepage und App zum Erfolg bei. Sie ist einfach zu bedienen, man kann direkt abstimmen und man kann endlich einfacher in den sozialen Netzwerken teilen. Das hilft den Petenten enorm. Unter dem Strich sind die Petitionen ein Mittel zur Stärkung der Demokratie. 

In der Tat hat man den Eindruck, dass lediglich diejenigen Petitionen die 4.500er-Schwelle überschreiten (Voraussetzung für eine Debatte im Abgeordnetenhaus; Anm. d. Red.), die in den sozialen Netzwerken regelrechte Unterschriftenkampagnen starten. Wie wichtig sind in Ihren Augen die sozialen Medien in diesem Kontext? 

Extrem wichtig. Für mich sind die Petitionen so etwas wie das Herz des Volkes. Wenn etwas in der Welt geschieht oder aber in der Chamber etwas beschlossen wird, dann sieht man die Woche darauf an den eingereichten Petitionen direkt die Reaktion der Menschen. Die sozialen Medien haben dabei einen riesigen Einfluss, oft kommt es zu einer Welle der Unterstützung. Aber nicht nur Unterstützung, es entstehen auch Diskussionen. Und das ist gut, denn das ist gelebte Demokratie. Wir Politiker werden so mit Themen konfrontiert, die wir möglicherweise übersehen hätten. Ich nehme das Beispiel Adapto oder aber die Klappbänke in öffentlichen Toiletten. Menschen mit Behinderung sind in der Chamber nicht vertreten. Wenn man also durch solche Petitionen die Sorgen und Probleme der Menschen mitbekommt, dann fragt man sich auf der einen Seite, warum man kein Ohr dafür hatte und ist auf der anderen Seite dankbar, dass man auf das Thema aufmerksam gemacht wurde. Man denkt sich, darauf musst du nächstes Mal aufpassen, es besser machen. Wir haben im Abgeordnetenhaus jede Menge Berufssparten, die nicht vertreten sind. Die Petitionen geben ihnen also eine Stimme, wenn man so will. Und die Abgeordneten müssen sich dann mit dem Thema beschäftigen.  

In anderen Worten, und etwas provokant gefragt: Die Petitionen ersetzen die Volksnähe der Abgeordneten? 

Nein, so ist es nicht. Aber es gibt Sachen, da hat man einfach nicht daran gedacht. Ein Beispiel: Es ist kaum eine Petition in diesem Jahr stärker kritisiert worden als die, die zwei Tage Urlaub für Frauen in der Menstruation gefordert hat. Die jungen Petentinnen haben bei der Debatte betont, dass es ihnen nicht um die zwei Tage Urlaub gehe, sondern um Verständnis, wenn sie ihre Regel haben. 70 Prozent der Frauen geht es einmal im Monat schlecht. Aber es wird nicht darüber geredet, es ist ein Tabuthema. Ich bin jetzt 25 Jahre im Parlament und wir haben noch nicht einmal über etwas gesprochen, was quasi jede Frau einmal im Monat beeinträchtigt. Es ging nicht um zwei freie Tage. Als Resultat wird es kostenlose Hygieneartikel in Schulgebäuden geben, das Thema soll verstärkt im Unterricht thematisiert werden, die Gesundheitskasse beschäftigt sich mit der Endometriose usw. Zuvor hatte eine andere Petition bereits bewirkt, dass der Steuersatz auf Hygieneartikel auf 3 Prozent gesenkt wurde. Ich will damit sagen, dass Petitionen einen Stein ins Rollen bringen können. Sie können Druck auf die Abgeordneten und auf die Regierung machen. Bei fast allen öffentlichen Debatten ist etwas Positives im Sinne des Petenten herausgekommen. Und auch diejenigen, die die Schwelle für eine Debatte nicht schaffen, können viel bewirken. Oft kommt z.B. eine parlamentarische Anfrage zum Thema. 

Es gibt aber auch solche, die nichts bewirken. Zum Beispiel zeigten sich die Initiatoren der Denkmalschutzdebatte schwer enttäuscht über das Resultat. 

Zu diesem Zeitpunkt war der Gesetzentwurf schon auf dem Instanzenweg und alle Vorschläge der Petenten sind in der zuständigen Kommission diskutiert worden. Das wäre ohne Petition wohl nicht der Fall gewesen. Gegen die Hauptforderung hatte der Staatsrat Einspruch eingelegt. Natürlich hängt es vom Willen der Politiker, vom Willen der Regierung ab, welche Forderungen in einem Gesetzestext einfließen. 

Zurück zur 4.500er-Schwelle und den Kampagnen in den sozialen Netzwerken: Die Referendums-Petition hat mit rund 18.500 Unterschriften sämtliche Rekorde gebrochen. Vergangene Parlamentssession gab es acht Debatten, in der laufenden sind es bereits elf. Einige Themen wurden zusammengelegt und gemeinsam debattiert. Müsste die Schwelle nicht überdacht werden und gegebenenfalls nach oben hin angepasst werden?

Prinzipiell ist ein Wechsel in den Thematiken durch die Pandemie festzustellen. Früher ging es viel um Umweltprobleme und Mobilität. Heute steht die Familie, die Gesundheit und die Frage, wie komme ich über die Runden, im Mittelpunkt.

Die gestiegene Anzahl hat viel mit der Pandemie zu tun. Und ich denke, wenn wir einmal da raus sind, wird sich die Zahl wieder einpendeln. Also würde ich gerne abwarten. Prinzipiell denken wir permanent in der Kommission über Anpassungen und Verbesserungen nach. Mich persönlich stört der Anstieg der Debatten nicht, denn er ist Ausdruck einer lebendigen Demokratie. Was die Regierungsparteien davon halten, weiß ich nicht. Ich könnte mir aber vorstellen, dass sie das stört, denn die meisten Petitionen werden von Menschen eingereicht, die mit den Entscheidungen der Politik nicht einverstanden sind.  

In den letzten beiden Jahren gab es in der Tat ein alles überragendes Thema: Corona. 

In Sachen Petitionen waren das zwei schwere Jahre, denn sehr viele Leute haben die Entscheidungen der Politik infrage gestellt. Prinzipiell ist ein Wechsel in den Thematiken durch die Pandemie festzustellen. Früher ging es viel um Umweltprobleme und Mobilität. Heute steht die Familie, die Gesundheit und die Frage, wie komme ich über die Runden, im Mittelpunkt. Das ist ein riesiges Problem, denn wir bekommen Petitionen, an denen man merkt, dass die Menschen Schwierigkeiten haben, ihre Rechnungen zu bezahlen. Und jetzt kommt durch den Ukrainekrieg der Sicherheitsfaktor hinzu. Man merkt, dass es den Menschen momentan nicht gut geht.   

Sie sagten, Petitionen können einen Stein ins Rollen bringen. Können Sie Beispiele von Petitionen nennen, die eine direkte Auswirkung auf das Leben der Menschen hatten? 

Da gibt es viele: die „Tiers payant“-Regelung bei Arztrechnungen, die Reglementierung des „Télétravail“, den Stopp der Privatisierung der öffentlichen Schulen, das Verbot von Tiertransporten, die Staatsgehälter via Post, die Tempo-30-Zone in Dörfern, die kostenlosen Schnelltests in Spitälern, das Motorradfahren in der Pandemie und und und …

Das sind jetzt die guten Beispiele. Sie sind seit Dezember 2018 Präsidentin der Kommission. Welche Petition haben Sie bis jetzt vermisst?

(lacht) Jeden Tag werden ein bis zwei Petitionen eingereicht. Da gibt es nicht viel zu vermissen. 

Gibt es auch Petitionen, bei denen Sie bedauern, dass die 4.500 Unterschriften nicht erreicht wurden? 

Ja, die gibt es. Vor allem die Petition mit den klappbaren Bänken in den öffentlichen Toiletten. Der Petent hat ein behindertes Kind und er hat sich so viel Mühe gemacht mit seinem Anliegen. Online waren genug Stimmen zusammengekommen, doch nach der Kontrolle (es werden Doppelsignaturen gestrichen und zudem überprüft, ob der Unterschreiber im nationalen Personenregister ist und das Mindestalter von 15 Jahren erfüllt; Anm. d. Red.) hatte die Petition die Schwelle knapp verfehlt. Der Mann war extrem enttäuscht darüber und wir haben gemeinsam am Telefon geweint. Aber auch ohne Debatte hat sich etwas geändert, einige Gemeinden haben reagiert. Das heißt, wir haben etwas fertiggebracht.

Die gleiche Frage, nur umgekehrt: Haben Sie sich schon einmal geärgert, dass eine Petition die 4.500 Unterschriften erreicht hat?

Nein, aber über einige Petitionen ärgere ich mich schon.

Zum Beispiel?

Die Forderung nach der Erhöhung der Geschwindigkeitsbegrenzung nachts. Mit der Begründung, dass sich ohnehin niemand an die geltenden Begrenzungen hielte. Für mich, und ich rede hier in meinem eigenen Namen, war das ein Aufruf für Gefahr.

Ist es denn so, dass die Kommission nicht über den Inhalt, sondern nur über die Form der Anträge schaut?

Nein, der Inhalt wird auch bewertet. Kürzlich hat jemand gefordert, dass seine Freundin ihre Haare nicht mehr rosa, sondern grün färben sollte. (lacht) So etwas wird natürlich abgelehnt. Es erfüllt zwar die Kriterien, macht sich aber quasi lustig über die Petitionen. Der gesunde Menschenverstand muss walten. 

Werden viele solcher, nennen wir sie mal Quatsch-Petitionen, eingereicht?

Nein. Und es ist nicht immer Quatsch, was sich danach anhört. Zum Beispiel kam vor kurzem eine, die hätte ich sofort unterschrieben. (lacht) Und zwar die Forderung, dass es die „Bûche de Noël“ ganzjährig geben soll. Die Kommission konnte sie natürlich nicht annehmen, denn ein Bäcker kann das ja machen, wenn er möchte. Wir sind uns in der Kommission einig, dass nicht „egal wat“ in den Petitionen verlangt werden kann, denn es würde dieses Instrument ad absurdum führen. Es muss ein nationales Interesse dahinter stehen. Da zählt die Haarfarbe der Freundin sicher nicht dazu.  

Ab und zu rutschen aber ziemlich abstruse Sachen mit durch. Das müssen Sie zugeben. 

Ja, wir versuchen so wenig wie möglich in der Kommission abzustimmen. Aber ab und zu geht es hart auf hart, da entscheidet dann die Mehrheit. Sehr oft werden Petitionen auch zur Reformulierung zurückgeschickt. 

Vor kurzen gab es eine Petition, die einen Schulanfang in der Sekundarstufe auf 9.00 Uhr nach hinten gelegt sehen wollte. Im Ausland gibt es eine rege Diskussion hierzu und durchaus wissenschaftliche Argumente dafür. Aber die Petentin erklärte ihre Motivation lapidar damit, dann eine Stunde länger liegen bleiben zu können. Sind nicht auch die Beweggründe ein Hindernis?

Es gab eine lange Diskussion in der Kommission, ob die Petition neu formuliert werden sollte. Ich war ganz klar dafür, denn als einziger Grund kann länger schlafen nicht gelten. Da hätte ich mir gewünscht, dass die Motivation ausgebaut wird. Z.B. dass es somit weniger Stau gibt oder dass die Schüler um 9.00 Uhr aufmerksamer sind. Und dass die verlorene Stunde am Nachmittag hinzukommt. Andere in der Kommission sind liberaler eingestellt, also ging sie durch. 

In anderen Worten, auch in der Petitionskommission wird Politik gemacht?

Meistens ist die politische Neutralität schon gegeben. Aber es gibt Petitionen, bei denen es schwierig ist, politisch neutral zu bleiben. Und es gibt unterschiedliche persönliche Auffassungen, wie streng man sein sollte. 

Impfgegner und auch Schwurbler haben die Petitionen entdeckt und zum Teil großen Erfolg gehabt. Wie denkt man darüber, wenn man eine komplett andere Meinung vertritt?

Wir müssen Menschen mit anderen Meinungen anhören, auch wenn es Meinungen sind, die infrage zu stellen sind. 

Auch wenn es Meinungen sind, die wissenschaftlich erwiesen falsch sind?

Ja, aber sie sind überzeugt, dass sie recht haben. Die Abgeordneten haben bei der Debatte gesagt: Wir respektieren ihre Meinung, aber wir haben wissenschaftliche Analysen, die uns zu einem anderen Schluss kommen lassen und wir bleiben bei unseren Schlussfolgerungen.

Da sitzt man dann als Präsidentin ein wenig zwischen den Stühlen, oder?  

Ich bin als Präsidentin der Kommission das Bindeglied zwischen den Petenten und den Abgeordneten. Die Petenten sollen sich in der Chamber wohlfühlen, denn sie sind unsere Gäste. Wichtig ist mir dabei, dass eine Debatte auf beiden Seiten mit Respekt abläuft.   

Apropos Respekt: Der kam in der letzten Debatte scheinbar zu kurz. Nach einem Holocaustvergleich verließen die Abgeordneten den Saal. Was war da los? 

Ich habe den Vergleich nicht gehört. Wir möchten, dass der Petent selber das Hauptwort führt und auch das Schlusswort hat. In diesem Fall hatte die Petentin einem Begleiter das Schlusswort gegeben. Ein Handy klingelte, es war viel Unruhe im Saal, und als ich wieder aufsah, waren einige Abgeordnete auf dem Weg nach draußen. Ich habe es nicht gehört, „Santé“-Direktor Dr. Schmit auch nicht. Ich habe dem Redner das Wort weggenommen und das war’s. Anschließend habe ich sie zur Rede gestellt. Sie haben es relativiert. Ich sagte ihnen: Ich habe es zwar nicht gehört, aber wenn Abgeordnete aufstehen und den Saal verlassen, dann haben sie etwas gesagt, was extrem gestört hat. Und sie müssten verstehen, dass wir nicht akzeptieren können, wenn Maßnahmen, die Abgeordnete als Volksvertreter und mit der Zustimmung einer großen Mehrheit der Bevölkerung getroffen haben, mit dem Holocaust verglichen werden.   

In Zukunft pochen wir verstärkt darauf, dass der Petent selber am meisten spricht und nicht andere für sich sprechen lässt

Kann man etwas in den Prozeduren oder am Ablauf der Debatten ändern, um so was in Zukunft auszuschließen? 

Wir werden ganz sich darüber reden. Meine Mittel, als Leiterin der Debatte einzugreifen, sind beschränkt. Ich kann höchstens jemandem das Wort wegnehmen. Aber ich habe keine Glocke, wie der Chamber-Präsident zum Beispiel, oder eine Stoppuhr zur Kontrolle der Redezeit. In diesem Fall hätte das aber nicht viel genutzt, weil ich es ja nicht mitbekommen hatte. In Zukunft pochen wir verstärkt darauf, dass der Petent selber am meisten spricht und nicht andere für sich sprechen lässt. Die Begleitpersonen sollen eine Hilfe sein, wenn sich der Petent z.B. nicht so gut ausdrücken kann. In der Pandemie waren sogenannte Experten aufgetreten, da haben wir reagiert. Der Petent soll sein Anliegen vortragen und auch das Schlusswort haben. Ein anderer kann als Ergänzung dazu etwas sagen, das ist kein Problem. Aber nicht das Hauptwort führen. Das haben wir festgehalten. Auch wollen wir in Zukunft besser auf die Redezeit achten. Und dass der Petent bei seinem Thema bleibt. Wenn es um Gratis-Covidtests geht, hat das nichts mit der Impfpflicht zu tun. Zudem müssen die Petenten drei Tage im voraus die Namen angeben, wer sie bei der Debatte begleitet. 

Seit Anfang 2021 haben die Petitionen eine eigene Homepage: www.petitiounen.lu
Seit Anfang 2021 haben die Petitionen eine eigene Homepage: www.petitiounen.lu Screenshot

Wie ist der genaue Werdegang einer Petition und was geschieht nach einer eventuellen Debatte mit der Petition?

Die Petition wird eingereicht, aber noch nicht auf der Homepage publiziert. Die Petitionskommission trifft sich fast jede zweite Woche und analysiert die Eingänge. Folgende Kriterien gelten: Ist der Titel verständlich (er kann in einer der drei Amtssprachen verfasst werden; Anm. d.Red.)? Ist klar verständlich, was der Petent will? Die Petition darf weder rassistisch noch diskriminierend sein. Und sie muss ein nationales Interesse haben und der Wahrheit entsprechen. Das Thema einer Petition darf sich innerhalb von zwölf Monaten nicht wiederholen. Der Petent muss 15 Jahre alt sein und eine Sozialversicherungsnummer haben. Wird die Petition von der Kommission akzeptiert, wird sie zwei bis drei Tage später der Präsidentenkonferenz vorgelegt. Erst wenn diese grünes Licht gibt, wird sie auf der Homepage (www.petitiounen.lu) publiziert. Danach hat sie 42 Tage, um die Schwelle der 4.500 Unterschriften, online oder schriftlich, zu erreichen. Schafft sie das, kommt es zur öffentlichen Debatte. Zuerst aber werden die Unterschriften kontrolliert. Oft wird eine Petition zur Reformulierung an den Petenten zurückgeschickt. Der hat dann einen Monat Zeit dazu.

Wer kontrolliert die Unterschriften?

Vier Mitarbeiter machen das. Das ist nicht viel. Bei der Petition zum Referendum über die Verfassungsreform hat die Überprüfung der 18.500 Unterschriften vier Wochen gedauert.

Warum sind bei den Debatten nicht mehr Abgeordnete dabei?

Nur die Mitglieder aus der betroffenen Parlamentskommission werden offiziell eingeladen, aber natürlich können die anderen Abgeordneten auch kommen. Die Kommissionsmitglieder tagen nach der Debatte kurz unter Ausschluss der Öffentlichkeit und entscheiden, was nach der Debatte passiert. Welches Ministerium, welche Kommission mit der Thematik befasst wird. Aber auch der Petitionsausschuss zieht Bilanz. Zunächst einmal mit den Petenten, ob sie mit dem Ablauf der Debatte zufrieden waren. Dann analysieren wir ein bis zwei Jahre nach der Debatte, was seitdem geschehen ist, was vom zuständigen Minister umgesetzt wurde.

Viel Kritik musste die Petition 1865 einstecken, die zwei Tage Arbeitsdispens pro Monat für Frauen in der Menstruation forderte. Das Resultat der Debatte war jedoch durchaus positiv, findet Kommissionspräsidentin Nancy Kemp-Arendt.
Viel Kritik musste die Petition 1865 einstecken, die zwei Tage Arbeitsdispens pro Monat für Frauen in der Menstruation forderte. Das Resultat der Debatte war jedoch durchaus positiv, findet Kommissionspräsidentin Nancy Kemp-Arendt. Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Petitionen und Debatten

Seit März 2014 gibt es in Luxemburg die Möglichkeit, Petitionen einzureichen. Dabei wird zwischen zwei Formen von Petitionen unterschieden. Neben einer für Unterschriften offenen, öffentlichen Petition gibt es auch einfache Petitionen (ohne Unterschriften). Es handelt sich dabei um ein Anliegen oder einen Vorschlag, der nach Prüfung durch die Kommission direkt an den zuständigen Minister oder den jeweiligen Parlamentsausschuss weitergeleitet wird.

Eine öffentliche Petition hat 42 Tage Zeit, 4.500 Unterschriften zu sammeln. Die sind nötig, damit es zu einer öffentlichen Debatte im Parlament kommt. Die erste Petition, die diese Schwelle überschritt, war im Mai 2014 die Petition Nr. 333, die sich gegen die Tram aussprach. Insgesamt schafften bisher 55 Petitionen mehr als 4.500 Unterschriften, es kam zu 50 öffentlichen Debatten. Rekordhalter ist Petition Nr. 2007 für ein Referendum über die Verfassungsreform. Sie totalisierte 18.645 Unterschriften.

Die Top 5 seit 2014:

1. „E Referendum iwwert ons Verfassung“ (Jahr: 2021),18.645 Unterschriften

2. „Lëtzebuerger Sprooch als 1. Amtssprooch an Nationalsprooch gesetzlech fir all Awunner zu Lëtzebuerg festleeën“ (2017), 14.500 Unterschriften

3. „Pour le droits aux écoles privées pour tous: des écoles privées dans le secteur du handicap et le secteur des enfants à besoins spécifiques“ (2016), 12.952 Unterschriften

4. „Erhalt und Modernisierung der Kirchenfabrik“ (2017), 11.679 Unterschriften

5. „Petition contre la vaccination obligatoire Covid-19 pour les citoyens“ (2022), 11.456 Unterschriften

Danielle Tara
5. April 2022 - 10.11

HTK :ech fannen emmer gudd wat dir schreift. Mai Thema Menstruatioun mengen ech west dir net vill…. Leider.

HTK
4. April 2022 - 8.54

Wenn man die "schwachsinnigen" Petitionen abrechnet wird die Sache übersichtlicher. WIe wär's mit einer Petition FÜR das Schweizer Modell? Ob es in der Schweiz zu einer Abstimmung für 2 Tage Menstruationsurlaub gekommen wäre? Aber wie heißt es so schön: " Man kann nie genug klagen." Aber ein Referendum war und ist für viele Politiker ein rotes Tuch.(Goerens&Co) Ein Minimum an Bildung sollte doch schon Voraussetzung sein. So schicken wir alle fünf Jahre unsere "Vertreter" ins Parlament in der Hoffnung,dass sie nicht vergessen wer sie dorthin geschickt hat.