Forum / Luxemburg modernisieren, jetzt!

Der Wahlkampf ist in vollem Gange, die Konterfei der einzelnen KandidatInnen hängen, die Parteien versuchen sich zu positionieren, es geht um die Wirtschaft selbstverständlich, um die sozialen Ungleichheiten und um den Klimaschutz. Es wäre jedoch ebenso wichtig, den Fortschritt unseres Landes zu fördern und die demokratische Kontrolle zu verbessern, indem wir die Bürger stärker in die Gesetzgebung einbeziehen und veraltete Strukturen und Institutionen resolut modernisieren.

In den vergangenen beiden Legislaturperioden ist diesbezüglich viel passiert: Die Trennung von Staat und Kirche wurde vollzogen, die „Maison du Grand-Duc“ wurde geschaffen, eine neue Verfassung ist in Kraft getreten und seit dem 1. Juli gibt es den „Conseil national de la Justice“. Mit der neuen Verfassung wurde ebenfalls die gesetzgeberische Bürgerinitiative eingeführt, mit der die BürgerInnen eigene Gesetzesvorlagen einreichen können. Jetzt ist es an der Zeit, auch die verbliebenen Institutionen zu entstauben.
Der Staatsrat ist reformbedürftig
Zu Recht wurde diesen Sommer über Intransparenz und mögliche Interessenkonflikte berichtet und kontrovers diskutiert. Es wäre sicherlich notwendig, die Fragen bezüglich der Zusammensetzung und Ernennung der Mitglieder sowie der gesamten Funktionsweise des Staatsrates zu hinterfragen und an das 21. Jahrhundert anzupassen. Nur eine ernst gemeinte Transparenz wird mögliche Missstände vorbeugen können.
Der Beobachter wundert sich darüber hinaus, dass nicht auch die manchmal zu langen Fristen beanstandet werden, die einzelne Gesetzestexte im Staatsrat benötigen, bis sie begutachtet wurden. Als Beispiel sticht hier besonders das Gutachten über den „Remembrement ministériel“ und über den Baulandvertrag hervor. Dieses wichtige Gesetz, das einen wesentlichen Unterschied in der Wohnungspolitik macht, wurde 2017 noch vom damaligen Innenminister Kersch eingereicht und im Jahr 2020 von Ministerin Bofferding nachgebessert. Erst am 28. Juli 2023 wurde das ergänzende Gutachten des Staatsrates veröffentlicht.
Sicher, der Staatsrat, wie andere staatliche Institutionen auch, wurde besonders stark in der Pandemie beansprucht. Quasi im Wochentakt wurden immer neue, komplexere Gesetzestexte zur Begutachtung eingereicht. Dennoch haben Staatsrat und Abgeordnetenkammer bewiesen, dass es auch schnell und gründlich gehen kann. Es gilt, an diese Erfahrungen anzuknüpfen und den langwierigen Begutachtungsprozess zu beschleunigen.
Parlamentarier als Vollzeitjob
Eine andere Institution, bei der Reformbedarf besteht, ist die Abgeordnetenkammer. Pünktlich zu jeder Gemeindewahl stellt sich die Frage des Kumulierens der Ämter vom Bürgermeister und Abgeordneten. Eigentlich sollte die Frage weit über das hinausgehen und der Vollzeitabgeordnete müsste angestrebt werden. Ist es angesichts der schier unendlichen Menge an Gesetzestexten, europäischen Direktiven und Reglementen heute noch vertretbar, dass das Abgeordnetenmandat als Halb- oder Teilzeitjob angesehen wird? Nein, die Abgeordnetenkammer hätte daran zu gewinnen, wenn ihre 60 Mitglieder sich uneingeschränkt ihrer Arbeit als Parlamentarier widmen und unser Land auch im Ausland angemessen repräsentieren könnten.
In diesem Kontext stellen sich natürlich eine Menge zusätzlicher Fragen: Können Tätigkeiten in Zukunft noch neben dem Abgeordnetenmandat angenommen werden und wenn ja, welche? Wie steht es um die soziale Absicherung? Um die Wiedereingliederung in die Arbeitswelt nach Ende des Mandats? Diese Fragen sollen nicht von dem eigentlichen Ziel ablenken, den Parlamentarismus zu professionalisieren.
Eine solche Modernisierung bedarf selbstverständlich auch einer größeren Reform des Wahlgesetzes und könnte weitere wichtige Fragen klären: Wie steht es mit den Unvereinbarkeiten auf kommunaler Ebene? Wie können wir, auch ohne das Wahlrecht auf Nicht-Luxemburger auszudehnen, diese aktiv am politischen Prozess teilhaben lassen? Außerdem wäre es endlich an der Zeit, unsere vier Wahlbezirke zu einem einzigen zusammenzubringen. Im Verlauf dieses Modernisierungsprozesses müssen wir uns stets von folgendem Leitmotiv leiten lassen: Wie können wir die partizipative Demokratie stärken und alle Bürger besser in die legislativen Prozesse einbeziehen?
Neben all diesen Reformen müssen wir endlich eine konsequente Evaluierung der öffentlichen Politik anstreben. Zu oft stimmen die Abgeordneten weitreichende Gesetzestexte, ohne dass im Nachhinein eine sachliche Bewertung stattfindet. Wurden die angestrebten Ziele des Gesetzes erreicht? Wo steckt noch Verbesserungspotenzial? Mit dem neu geschaffenen wissenschaftlichen Dienst wurden hierzu im Parlament erste Schritte eingeleitet, weitere müssen folgen.
Demnach darf der Reformprozess des Luxemburger Staats nicht auf halber Strecke stehen bleiben. In der nächsten Legislaturperiode muss dieser Prozess weitergeführt werden. Die neue Verfassung eröffnet uns viele Möglichkeiten. Es ist wichtig, dass ein solch großes Unterfangen umfassend diskutiert und die Zivilgesellschaft konsequent einbezogen wird. Dazu braucht es sowohl konsensfähige und couragierte Politiker als auch eine fortschrittliche Regierung.
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Als ob wir nicht schon genug modernisiert wären!