WHOLuxemburg als Vorzeigebeispiel? Initiative der kleinen Länder tagt in Luxemburg

WHO / Luxemburg als Vorzeigebeispiel? Initiative der kleinen Länder tagt in Luxemburg
Gesundheitsministerin Paulette Lenert und Hans Henri P. Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Die Weltgesundheitsorganisation hat am Donnerstag und Freitag in Luxemburg getagt – zumindest der Verbund der kleinen Länder in Europa. Gemeinsam sollten Schwachstellen und Herausforderungen in den Gesundheitssystemen kleinerer Staaten erarbeitet und Lösungswege aufgezeigt werden.

Medikamentenbeschaffung, Finanzierung des Gesundheitssystems, Personalmangel – Probleme, die insbesondere in kleineren Ländern Europas und auch in Luxemburg keine Fremdwörter mehr sind. Mit dem mittlerweile neunten „High-Level Meeting of the Small Countries Initiative: Advancing Health and Well-being“ haben die Gesundheitsminister aus elf kleineren Ländern Europas in Luxemburg gemeinsam über die Herausforderungen der Zukunft diskutiert. Auch die Seychellen, Barbados und Bhutan waren der Einladung nach Luxemburg gefolgt.

Im Anschluss an die Tagung unterzeichneten die versammelten Mitgliedstaaten die Luxemburger Erklärung, in der sie sich zu weiteren Fortschritten bei der Verbesserung der Gesundheit und des Wohlergehens der Bevölkerung verpflichten. Dazu zähle unter anderem die Begrenzung der nichtübertragbaren Krankheiten, die durch Tabak, ungesunde Ernährung oder auch Bluthochdruck verursacht werden. Auch sollen der Zugang zu Medikamenten erleichtert, die Anstrengungen im Bereich mentale Gesundheit verstärkt und das im Gesundheitssektor tätige Personal gestärkt werden. „Es ist für jeden schwierig, genügend Personal zu finden und es über längere Zeit zu binden“, sagte Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) nach der Unterzeichnung. „Bei vielen Themen können wir voneinander lernen und gemeinsame Prioritäten festlegen.“ 

Anlässlich des WHO-Gipfeltreffens im „Cercle Cité“ in Luxemburg hat sich das Tageblatt mit dem WHO-Regionaldirektor für Europa, Hans Henri P. Kluge, über die Gesundheitssysteme kleinerer Länder und die ihnen inhärenten Probleme unterhalten. 

Tageblatt: Herr Kluge, warum ist es wichtig, dass kleine Länder gerade im Gesundheitssektor zusammenkommen und über ihre Probleme beraten?

Hans Henri P. Kluge: Die Gesundheitssysteme kleinerer Länder sind mit teils sehr speziellen Problemen konfrontiert. Es hat etwas Zeit gekostet, um das zu realisieren. Kleine Länder, kleine Probleme? Genau das Gegenteil ist der Fall. Nehmen wir beispielsweise das Problem des Personals. Verlässt bereits ein Spezialist das Land, kann es zu Problemen kommen. Darüber habe ich mich eben noch mit dem Gesundheitsminister der Seychellen unterhalten. Der Zugang zu neuer innovativer Medizin ist zudem sehr teuer – und als kleinere Länder hat man einfach nicht die Power, um mit der Pharmaindustrie zu verhandeln. Deshalb ist es für kleinere Länder wichtig, zusammenzukommen und sich über mögliche „best practices“ und Lösungswege auszutauschen.

War die Pandemie insbesondere für kleinere Länder eine Zäsur in der Art, wie sie ihr Gesundheitssystem denken und für die Zukunft aufstellen wollen?

Absolut. Besonders für Luxemburg war es wichtig, dass die Grenzen nicht geschlossen wurden, damit das Gesundheitspersonal weiterhin nach Luxemburg gelangen konnte. Das war natürlich nur aufgrund guter diplomatischer Beziehungen möglich. Ein zweiter wichtiger Punkt war die gemeinsame Beschaffung von Vakzinen während der Pandemie. Stellen Sie sich vor, jedes Land hätte seine Vakzine selbst einkaufen müssen? Luxemburg ist das reichste Land innerhalb der Gruppe der kleinen Länder – andere hätten sich komplett hinten anstellen müssen. Die Idee, dass keiner vor dem Virus sicher ist, bis jeder vor dem Virus sicher ist, stellt ein Umdenken in der Gesundheitspolitik dar. Die Frage, die sich jetzt stellt: Sind wir besser auf eine nächste Pandemie vorbereitet?

Wir brauchen einen paneuropäischen Mechanismus, der im Fall einer nächsten Pandemie greifen muss

Dr. Hans Henri P. Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa

Und sind wir das?

Wir brauchen einen paneuropäischen Mechanismus, der im Fall einer nächsten Pandemie greifen muss. 27 Länder sind Mitglieder in der EU – ich betreue aber als WHO-Regionaldirektor 53 Länder, darunter auch Moldawien, die Ukraine oder Georgien. Dieser paneuropäische Mechanismus würde dann in allen Ländern greifen, um eine einheitliche Politik zu gewährleisten. Nehmen Sie doch die Corona-Pandemie als Beispiel: In einigen Ländern galt die Maskenpflicht, in anderen wiederum nicht. Das war alles sehr konfus. In dem Punkt könnte die WHO mit einer grenzübergreifenden Plattform für eine einheitliche Gesundheitspolitik auf dem ganzen Kontinent sorgen.

Wie schreiten die Arbeiten in dem Punkt denn voran?

Das hängt davon ab, ob Sie Optimist oder eher Pessimist sind. (lacht) Ich sage, das Glas ist halb voll. Nehmen wir beispielsweise die gemeinsame Vakzin-Beschaffung während der Pandemie. Ein nächster Schritt wäre beispielsweise, die Idee der gemeinsamen Beschaffung der Europäischen Kommission auf seltene und dann auch teure medizinische Therapien anzuwenden, für die sich kleinere Länder zusammentun könnten. Zudem brauchen wir eine Art internationaler Pandemievertrag, der Solidarität zwischen den Ländern garantieren könnte. Damit könnten wir Situationen vermeiden, in denen verschiedene Länder Masken für sich selbst gehortet haben. Der Vertrag steht noch nicht, aber wir arbeiten daran. Ein weiterer Fortschritt wurde mit der Resolution der WHO-Mitgliedsländer erzielt, die sich für eine nachhaltigere Finanzierung der WHO ausgesprochen haben. Das ist nämlich die Achillesferse der WHO: 20 Prozent unserer Budgets stammen von den Mitgliedstaaten – die anderen 80 Prozent stammen von Großspendern wie beispielsweise Bill Gates. Diese Spenden sind aber oft an die Bekämpfung einer bestimmten Krankheit gebunden. Die Mitgliedsländer müssen also ihre sogenannten „unspezifischen Beitragszahlungen“ erhöhen, damit wir in Zukunft noch schneller agieren können.

Dr. Hans Henri P. Kluge, hier im Interview mit dem Tageblatt, ist seit dem 1. Februar 2020 WHO-Regionaldirektor für die Region Europa
Dr. Hans Henri P. Kluge, hier im Interview mit dem Tageblatt, ist seit dem 1. Februar 2020 WHO-Regionaldirektor für die Region Europa Foto: WHO/Ramy Srour

Bleibt aber die Frage des Personals …

Genau, ein weiterer Punkt ist der Aufbau einer Reservebelegschaft. Großkatastrophen wie die Pandemie, aber auch Terroranschläge haben gezeigt, dass wir einfach nicht genug Krankenschwestern haben. Im Militär gibt es beispielsweise Reservebelegschaften – warum also nicht auch bei Krankenschwestern? Da stellt sich aber die Frage der Finanzierung und der Ausbildung. Einige Länder haben während der Pandemie für die Vakzin-Vergabe auf Medizinstudenten zurückgegriffen. Das wäre ein weiterer Ansatz, aus dem wir lernen können. Leider wollen viele Länder – Luxemburg gehört da glücklicherweise nicht dazu – nicht mehr darüber reden. Das müssen wir jedoch, um die richtigen Lehren aus der Pandemie ziehen zu können. Dazu zählt unter anderem das Prinzip des „One Health“. Das bedeutet, dass der Gesundheitssektor zukünftig eng mit der Landwirtschaft und insbesondere der Tierhaltung wie auch dem Umweltsektor zusammenarbeiten muss. Der Kontakt zwischen Schweinen, Hühnern oder anderen Tieren in Asien mit dem Menschen wird weiterhin existieren – und somit ist die nächste Pandemie nur eine Frage der Zeit.

Luxemburg hat zudem die Gefahr der Fettleibigkeit bei Kindern erkannt und steuert aktiv dagegen an. Das scheint mir die nächste Pandemie zu werden, ist doch mittlerweile eines von drei Kindern fettleibig.

Dr. Hans Henri P. Kluge

Sie haben als Regionaldirektor der WHO die Übersicht: Wie steht Luxemburgs Gesundheitssystem im Vergleich zu anderen kleinen Ländern da? Was sind die Stärken Luxemburgs, wo muss die Regierung nachbessern?

Wir müssen dafür nur die Daten und insbesondere zwei Indikatoren vergleichen. Sowohl die allgemeine Lebenserwartung als auch beim ungedeckten medizinischen Bedarf steht Luxemburg im europäischen Vergleich sehr gut da. Zudem wird in Luxemburg das Prinzip der „allgemeinen Krankenversicherung“ hochgehalten. In vielen Ländern gibt es mehr und mehr Privatisierungstendenzen. Wir sind nicht gegen private Initiativen – allerdings muss der öffentlichen Hand immer die Rolle der Aufsicht und Qualitätskontrolle zukommen. Es darf nicht sein, dass ein Zwei-Klassen-System entsteht. Luxemburg hat zudem die Gefahr der Fettleibigkeit bei Kindern erkannt und steuert aktiv dagegen an. Das scheint mir die nächste Pandemie zu werden, ist doch mittlerweile eines von drei Kindern fettleibig. Dann ist auch die Rückerstattung der Psychotherapie ein wichtiger Faktor. Dann leistet Luxemburg mit kostenlosen Verhütungsmitteln einen wichtigen Beitrag in der Fürsorge der reproduktiven Gesundheit. Luxemburgs Einwohner dürfen das nicht als Selbstverständlichkeit ansehen. Durch den Ukraine-Krieg ist das leider wieder ein wichtiges Thema geworden: Millionen ukrainische Frauen sind auf der Flucht und erhalten nicht überall die gleiche medizinische Fürsorge.

Wo muss Luxemburg noch nachbessern?

Die Herausforderungen für Luxemburg sind die gleichen wie fast überall auch. Wir haben seit der Pandemie einen Backlog an Patienten, den es abzuarbeiten gilt. Etwa zwei Jahre lang haben wir uns fast ausschließlich auf Covid-19 konzentriert – währenddessen Operationen, Krebs-Fürsorge und andere Therapien aufgeschoben wurden. Jetzt gilt es, das mithilfe eines zweigleisigen Systems wieder aufzuarbeiten, wo einerseits die alltägliche Fürsorge gewährleistet und das System besser auf eine nächste Krise vorbereitet werden muss. Dann gilt es, zukünftig einen gesunden Lebensstil zu fördern. Krebs, Diabetes, kardiovaskuläre Krankheiten sind die großen Krankheiten. Diese werden mit vier Risikofaktoren in Verbindung gebracht: Alkohol, Tabak, Mangel an Bewegung und eine ungesunde Ernährung. Dafür aber müsste die gesamte Lebensmittelindustrie mitziehen. Neben Tabak ist Bluthochdruck eine sehr gängige Todesursache. Ein großer Risikofaktor für hohen Blutdruck ist Salz. Dabei macht das Salz, das wir unseren Speisen hinzufügen, nur etwa sieben Prozent unseres täglichen Konsums aus. Der Rest befindet sich bereits in den Lebensmitteln, die wir kaufen. In dem Fall müssen wir mit dem Privatsektor zusammenarbeiten und die nötigen Regulierungen erlassen.

Phil
14. Mai 2023 - 9.54

D'Madame Lenert sech mol em d'Gesondheetsproblemer hei am Land këmmeren. Et kann dach net sin, dass wann een en Termin fir en IRM ufreet, fréistens am Februar 2024 (!) un d'Rei kënnt.... ouni d'Waardezäit op d'Resultat. Bis dohinner kann d'Begriefnes schon längstens eriwwer sin!

Miette
13. Mai 2023 - 22.42

Wann een just een Thema am Liewen huet , geet engem no an et kritt een et nett verschafft. Net einfach?

Kaz GPT
13. Mai 2023 - 13.48

Här Hottua, äre Kommentar hott naischt mam Artikel ze din. Firwat en also publzéieren? Just fir opzefalen? Wann Dir alt nach geschriwen hätt, datt di kleng europäisch Länner sech sollte fir Taiwan staark mmache, wat vu Festlandchina international isoléiert gëtt an dowéinst nët mi an d'WHO ragelooss gëtt, hätt Dir winstens iwert de Présent geschwat, a wiert nët als Ewig-gestriger hei opgedaucht. Und dann auch noch in deutscher Sprache...

Robert Hottua
13. Mai 2023 - 12.23

Ab 1933 hat das meinungsbestimmende, unfehlbare päpstliche "Luxemburger Wort" der eugenisch-rassenhygienischen Konzeption von Gesundheit und Medizin begeistert zugestimmt. Eugenik, Wissenschaft und Ideologie zugleich, hat eine biologisch fruchtbarkeitsregulierende Bevölkerungsoptimierung als wissenschaftliches Ziel. Nur genetisch starke Menschen haben laut dieser Ideologie ein Lebensrecht. Durch die Vorstellung, dass das menschliche Erbgut durch Auslese verbessert werden könnte und sollte, hat die eugenische Rassenhygiene rassistische Tendenzen im luxemburgischen Gesundheitswesen verstärkt. Mit der nichthippokratischen, fürsorgefreien Kategorisierung von "lebenswertem" und "lebensunwertem" Leben hat sie zur Ausgrenzung und Vernichtung von Menschen beigetragen. Diese fundamentale Tatsache muss von einer internationalen Wahrheits- und Versöhnungskommission untersucht werden. Es besteht die Möglichkeit einer unsichtbaren Tradition. "Worte haben Konsequenzen." (Joe BIDEN) MfG, Robert Hottua