IPCC-BerichtKlimakatastrophe im Anmarsch: Was Luxemburg gegen die Erderwärmung tun kann

IPCC-Bericht / Klimakatastrophe im Anmarsch: Was Luxemburg gegen die Erderwärmung tun kann
Der Klimawandel hat sich in Luxemburg vor allem mit Überschwemmungen bemerkbar gemacht – wie hier im Jahr 2018 in Grundhof Archivfoto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Der neue Klimabericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) zeigt: Die Welt muss jetzt handeln, sonst ist die Klimakatastrophe programmiert. Doch welche Rolle spielt das kleine Luxemburg im großen Bild des Klimawandels?

„Wir können die Erwärmung bis Ende des Jahrhunderts noch auf 1,5 Grad limitieren – allerdings nur mit sehr ambitionierten Limitationen der Treibhausgasemissionen“, sagt Andrew Ferrone, Meteorologe und der Luxemburger Vertreter beim Klimarat, gegenüber dem Tageblatt am Dienstagnachmittag. Das geht aus dem neuen IPCC- Bericht hervor. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die globalen Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 40 Prozent sinken und bis 2050 ein „netto Null“ von CO2 erreichen. Heißt: Wir dürfen nur so viel CO2 ausstoßen, wie von den natürlichen Senken – Bäume etwa – absorbiert werden kann. „Es ist jetzt die Zeit zu handeln – wenn nicht jetzt, dann nie“, sagt der Meteorologe. Schon bei einer Steigerung von knapp über 1,5 Grad seien die Konsequenzen des Klimawandels katastrophal.

Der Meteorologe Andrew Ferrone war Luxemburger Vertreter beim Klimarat
Der Meteorologe Andrew Ferrone war Luxemburger Vertreter beim Klimarat Foto: Editpress

Die gute Nachricht: Der Großteil der Lösungen, die für das Abwenden der Klimakrise nötig sind, liegen laut Ferrone allerdings schon auf dem Tisch. „Aber wir müssen sie in einem viel größeren Stil wie bisher umsetzen“, sagt der Meteorologe. „Deswegen bleibe ich jetzt vorsichtig optimistisch, dass wir das Ziel erreichen.“

Nun sei Eigeninitiative gefragt, sagt Ferrone, obwohl er weiß, dass dies nicht immer einfach ist. „Verhaltensveränderungen können laut dem Bericht schon allein zwischen 40 und 50 Prozent der Ziele, die wir benötigen, erreichen – unser Verhalten ist also wichtig“, so Ferrone. „Und das, was nicht durch Verhaltensänderungen zu erreichen ist, das müssen wir dann mit technischen Maßnahmen erreichen.“

Deswegen komme es nun darauf an, was die Politiker aus dem IPCC-Bericht machen. Das Schreiben weise jedenfalls sehr viele Lösungen auf. Die Emissionen von Luxemburg machen 0,34 Prozent der EU-Gesamtemissionen aus und sind seit 2005 um fast 12 Prozent gesunken. Dies liegt unter dem EU-weiten Emissionsrückgang von 19 Prozent im gleichen Zeitraum. So steht es in einem Dokument des Europaparlaments von 2021. Luxemburg ist laut diesem Bericht mit Treibhausgasemissionen von 20,6 Tonnen CO2-Äquivalent (CO2e) pro Einwohner der EU-Mitgliedstaat mit den höchsten Pro-Kopf-Emissionen.

Was sind also die größten Klima-Verschmutzer in Luxemburg und was kommt auf das kleine Großherzogtum zu, falls die Temperaturen weiter steigen?

Die schlimmsten Klimaverschmutzer Luxemburgs

Transport

Der Inlandstransport ist und bleibt Luxemburgs größtes Sorgenkind. 50,36 Prozent der Treibhausgasemissionen sind im Großherzogtum laut der European Environment Agency auf den Transport zurückzuführen. Der IPCC-Bericht weist laut Andrew Ferrone unter anderem darauf hin, dass beim Personenverkehr das Elektroauto ein wichtiger Teil der Lösung ist. „Das muss natürlich mit erneuerbaren Energien aufgeladen werden“, sagt Ferrone. Doch: Elektroauto alleine reiche nicht aus. „Wir müssen auch unser Verhalten verändern.“ Damit Luxemburg das Klimaziel erreicht, müssten mehr Menschen öfter auf den öffentlichen Transport und auf das Home-Office zurückgreifen.

Im Luxemburger Energie- und Klimaplan steht, dass das Großherzogtum ein Transitland ist. „Rund 70 Prozent der Klimaemissionen aus dem Kraftstoffverkauf stammen von im Ausland zugelassenen Kraftfahrzeugen und der Anteil der Lastkraftwagen liegt bei fast 60 Prozent der Klimaemissionen aus dem Kraftstoffverkauf“, steht im Klimaplan.

Industrie

Der Industriebereich steht mit 15,13 Prozent auf Platz zwei der größten Luxemburger Klimaverschmutzer. Allerdings ist die Industrie laut Bericht relativ schwer zu dekarbonisieren. Trotzdem gebe es auch hier Möglichkeiten. So zum Beispiel das Elektrifizieren der industriellen Prozesse. Heißt: fossile Energieträger, die bei der Produktion benutzt werden, müssen durch Strom ersetzt werden.

Gleichzeitig gebe es Industriebereiche, die inhärent CO2 produzieren. Die Beton- und die Stahlproduktion würden zum Beispiel in diese Kategorie fallen und müssten mithilfe der Forschung klimafreundlicher gestaltet werden. Um Stahl grüner zu produzieren, gebe es die Möglichkeit, mit Hydrogen zu arbeiten. Dieses müsse allerdings aus erneuerbaren Energien gewonnen werden. „Oder man muss das CO2, das bei der Produktion entsteht, noch bevor es in die Atmosphäre freigegeben wird, wieder aus der Luft nehmen und abspeichern“, sagt Ferrone.

Internationaler Flugverkehr

Mit 14,81 Prozent der Luxemburger Treibhausgase fällt der internationale Flugverkehr knapp auf Platz drei. Auch hier gilt: Der Flugverkehr kann laut Bericht nur schwer dekarbonisiert werden. Hydrogen könnte als Alternative zum klassischen Sprit eingesetzt werden – falls dieses aus erneuerbaren Energien gewonnen wird. Eine weitere Möglichkeit: „Für Kurzstreckenflüge können auch Batterien eine Rolle spielen, aber das sieht momentan eher danach aus, als würde das nur mit den sehr kurzen Strecken möglich sein“, sagt Ferrone.

Trotzdem könne die Forschung das Problem nicht ganz allein lösen. Eigeninitiative sei auch in diesem Bereich wichtig. Vor allem bei Kurz- und Mittelstrecken könne man das Flugzeug durch den Zug ersetzen, „weil man den viel einfacher dekarbonisieren kann“, sagt Ferrone. Das sei in Europa auch schon zum größten Teil der Fall. Businessflüge müssten bestenfalls mit Internetkonferenzen in den eigenen vier Wänden ersetzt werden.

Wohnen und Gewerbe

13,42 Prozent der ausgestoßenen Treibhausgase in Luxemburg gehen auf das Wohnen und Gewerbe zurück. Kann dieser Bereich umweltfreundlicher gestaltet werden? Ja, aber es ist schwer, sagt der IPCC-Bericht. „Bei neuen Gebäuden ist es relativ einfach: Dort muss man in die Energieeffizienz investieren“, sagt Ferrone. Heißt: Isolation, Fotovoltaik und Heizungen, die keine fossilen Brennstoffe benutzen – dazu gehöre auch Gas. Geothermie und Hitzepumpen seien die klimafreundlichere Investition. Bei alten Häusern müsse die Politik dafür sorgen, dass energieneutral renoviert werde.

Landwirtschaft

Die Luxemburger Landwirtschaft ist für 5,82 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich – und landet damit auf Platz fünf. Auch bei der Agrikultur gibt es Potenzial, die Emissionen zu senken. Obwohl technische Lösungen existieren, würden auch Verhaltensveränderungen eine wichtige Rolle im Kampf gegen die Klimakrise spielen – vor allem was Essen betrifft. „Es ist klar, dass der Fleischkonsum in unserer Region zurückgehen muss, damit wir die Klimaziele erreichen“, sagt Ferrone. Das heiße nicht, dass jeder Vegetarier werden müsse, aber weniger Fleisch essen sei trotzdem nötig.

Energien

Der Energiesektor – ein Bereich, der in der EU den größten Teil der Treibhausgase produziert – landet laut der  European Environment Agency in Luxemburg mit 2,18 Prozent nur auf Platz sechs. Die Alternativen sind klar: Der Bericht zeige noch einmal, dass die Preise für erneuerbare Energien massiv gesunken sind – und das sowohl bei der Solar- als auch der Windenergie. „Sie sind in einem Bereich angekommen, in dem sie absolut konkurrenzfähig mit den fossilen Brennstoffen sind“, sagt Ferrone. Es ergebe jetzt also sowohl ökologisch als auch ökonomisch Sinn, in diese erneuerbaren Energieproduzenten zu investieren.

Falls wir jetzt nicht handeln, wird sich das Klima nicht mehr erholen
Falls wir jetzt nicht handeln, wird sich das Klima nicht mehr erholen Grafik: IPCC-Bericht 2022

Klima-Konsequenzen für Luxemburg

Hitzewellen

Die Temperaturen steigen laut Meteorologe Andrew Ferrone in Luxemburg schneller an als im globalen Vergleich. Die weltweite durchschnittliche Erwärmung betrage momentan 1,1 Grad – und im Großherzogtum 1,6 Grad. „Das erwarten wir uns auch, weil sich die Landoberfläche schneller erwärmt als die Ozeane“, sagt Ferrone. Trockenzeiten haben laut Ferrone im Großherzogtum sehr schnell zugenommen. Von 1961 bis 1990  sei es nur im Juni und Juli regelmäßig zu solchen Trockenperioden gekommen – zwischen 1991 und 2020 sei dies potenziell in zehn Monaten der Fall gewesen.

Niederschlag

„Die Extremereignisse werden weltweit zunehmen und länger dauern“, sagt Ferrone. Auch bei uns, meint der Meteorologe – sowohl in der Stärke als in der Frequenz. Das sei auch an den Überschwemmungen des vergangenen Jahres, die in Luxemburg, Deutschland und Belgien katastrophale Folgen hatten, zu erkennen. Ferrone habe an einer Studie zu den starken Regenfällen vom 14. und 15. Juli 2021 mitgearbeitet. Das Fazit: Der Klimawandel habe dieses Sommerhochwasser wesentlich wahrscheinlicher gemacht.

„Wir stellen auch in Luxemburg fest, dass es zu einer Zunahme von solchen Extremniederschlägen gekommen ist – vor allem im Sommer und im Frühling“, sagt Ferrone. Gleichzeitig habe sich beim durchschnittlichen Jahresniederschlag nicht viel verändert. Der Grund: Im Frühling und im Sommer regne es weniger oft, im Winter falle hingegen signifikant mehr Niederschlag. „Wir gehen zudem davon aus, dass diese Tendenz in Luxemburg, zumindest über die nächsten 20 bis 30 Jahre, weitergeht“, sagt Ferrone.

Dieschbourg: „Die Umsetzung muss schnell passieren“

Umweltministerin Carole Dieschbourg
Umweltministerin Carole Dieschbourg Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Laut Luxemburgs Umweltministerin Carole Dieschbourg („déi gréng“) zeigt der Klimabericht, dass es bereits viele einsatzbereite Klima-Maßnahmen gebe, auf die man nur zurückgreifen brauche. Man müsse dafür nicht erst neue Lösungen erforschen – Forschung sei zwar auch wichtig, allerdings seien bereits genügend Ansätze vorhanden, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, erklärt sie am Dienstag im Gespräch mit dem Tageblatt. Aber: „Die Umsetzung muss schnell passieren.“

Gerade mit Blick auf die aktuelle Ukraine-Krise lohne es sich zudem, darauf hinzuarbeiten, regionale Kreisläufe zu schließen, um weniger von fossilen Energien abhängig zu sein. Das hieße zum Beispiel, das „Solar- und Windpotenzial“ oder die „sanfte Mobilität“ voranzutreiben, welche laut dem Bericht in den vergangenen Jahren rentabler geworden seien. „Der Bericht gibt da klare Richtungen vor“, sagt die Ministerin. Luxemburg habe seine Klimaziele bereits im vorletzten Jahr „hochgesetzt“ – Dieschbourg nennt dabei unter anderem den Klimabürgerrat, der herausfinden soll, an welchen klimatechnischen Schrauben im Land noch gedreht werden kann. Dieser tage derzeit noch bis zum Sommer.

Ein weiterer Aspekt sei, dass man neben den klimatechnischen Maßnahmen auch darauf achten müsse, CO2 natürlich zu binden – beispielsweise durch das Ausbauen von Feuchtgebieten, das Schaffen von resilienten Wäldern und das Stoppen der Entwaldung. Und auch bei den Alltagsgewohnheiten der Menschen sieht Dieschbourg Verbesserungsmöglichkeiten: Ein geringerer Fleischkonsum und eine nachhaltigere Produktion des Fleisches seien ebenfalls wichtig. „Wir müssen unsere Gewohnheiten überdenken“, sagt Dieschbourg. „Man darf das auch nicht beschönigen, wir haben noch sehr viel vor uns. Aber wir können uns verbessern und wir können effizienter werden und mehr in Richtung Kreislaufwirtschaft oder sanfte Mobilität gehen, da ist noch viel Raum nach oben.“

? Expert
8. April 2022 - 10.22

Wenn Luxemburg weniger Treibhausgase produzieren würde wäre das Klima und somit die Welt gerettet. Alles weiter nichts als warme grüne Luft! Diese Grünen müssen aus der Regierung verschwinden. "Und die Umsetzung muss schnell passieren", genau wie die liebe Carole D. sagt.

carlocoin
6. April 2022 - 19.31

Wéi kann een esou eng Panik maachen? Ass do wirklech eppes am Anmarsch? Fihlt iech emol um Kapp.

Romain C.
6. April 2022 - 11.56

Bäume pflanzen, und nicht abholzen weltweit könnte nützlich sein.Ein 1,5 Grad Ziel ist praktisch nicht zu erreichen und bloß ein Traum der Experten die auch keine Ahnung haben.......Wie Klimaschädlich ist der Krieg in der Ukraine und anderswo?Luxemburg kann nicht viel zum Schutz beitragen da zu klein und unbedeutend.

HTK
6. April 2022 - 10.49

„Für Kurzstreckenflüge können auch Batterien eine Rolle spielen, aber das sieht momentan eher danach aus, als würde das nur mit den sehr kurzen Strecken möglich sein“, sagt Ferrone. Sehr,sehr kurze Strecken,wenn die Hälfte der Energie gebraucht wird nur um das Ding hochzukriegen. Der Wasserstoff ist seit 50 Jahren ein Stiefkind der Politik.Dabei könnten wir schon viel weiter sein. Dann bräuchten wir nicht dem Fleischesser ein schlechtes Gewissen zu machen,zumal die Plastikwüsten in Spanien nur der Gemüseherstellung dienen.Eine ökologische Katastrophe,die Versalzung des Grundwassers in dieser Region noch nicht eingerechnet.Wissen wir wieviel Methan ein Reisfeld ausströmt? Nein? Bis heute bräuchte auch kein Haus mehr mit Holz oder Öl geheizt zu werden,hätte man die Wärmepumpe und Solarzellen auch für kleine Geldbeutel erschwinglich gemacht. Das Zubetonieren des Landes durch Bauwahn trägt einen Großteil der Überflutungsergebnisse.Da braucht es keinen Experten. Durch Abwarten wurde noch nie ein Problem gelöst.