VerbraucherIn der Eurozone steigen die Preise immer schneller

Verbraucher / In der Eurozone steigen die Preise immer schneller
Auch die Preise für Lebensmittel sind zuletzt deutlich gestiegen Foto: dpa/Markus Scholz

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Die Inflationsrate in der Eurozone hat im Mai ein neues Rekordhoch erreicht. Die Verbraucherpreise legten um 8,1 Prozent zu, wie die Statistikbehörde Eurostat diese Woche auf Basis einer ersten Schnellschätzung mitgeteilt hat.

Die Inflationsrate im Euroraum war im Monat Mai damit so hoch wie noch nie seit Beginn der Datenreihe im Jahr 1997. Im Vormonat April hatte sie erst bei 7,4 Prozent gelegen.

Seit Sommer 2021, in der Folge der wirtschaftlichen Erholung vom Corona-Stillstand, sind die Preise stetig am Steigen. Im Juli hatte die Inflationsrate im Euroraum erst bei 2,2 Prozent gelegen. Einen weiteren Schub hatte die Preissteigerungsrate zuletzt durch weitere harte Corona-Maßnahmen in einigen Regionen in China sowie durch den Krieg in der Ukraine erhalten.

Angetrieben werden die Preissteigerungen dabei vor allem von höheren Kosten für Energieprodukte. Diese lagen im Schnitt 39,2 Prozent über den Preisen von vor einem Jahr, so Eurostat. Gestiegen sind jedoch nicht nur die Priese für Energieprodukte, auch die Preise für Waren aus dem Bereich „Lebensmittel, Alkohol und Tabak“ lagen mit einem Plus von 7,5 Prozent deutlich über dem Niveau von vor einem Jahr. Rund 4,2 Prozent teurer sind auch „Industriegüter ohne Energie“ sowie „Dienstleistungen“, wo ein Plus von 3,5 Prozent gemessen wurde.

Inflation in Luxemburg bei 9,1 Prozent

Dass hohe Inflationsraten kein Schicksal sind, sondern das Ergebnis von Geld- und Fiskalpolitik, zeigt der Blick ins Ausland. So lag die Inflationsrate im April in der Schweiz nur bei 2,3 Prozent, während sie in der Türkei, wo die politische Führung sich für niedrige Zinsen starkmacht, bei stolzen 70 Prozent lag.

In Luxemburg ist die Preissteigerungsrate im Mai laut der europäischen Berechnungsmethode auf satte 9,1 Prozent, nach 9 Prozent im Vormonat, gestiegen. Auch das ist der höchste Wert seit Beginn der Datenserie (Anfang 1997). Im Juli 2021 lag die Rate noch bei 3,3 Prozent.

Bleibt noch zu erwähnen, dass die von Eurostat errechnete harmonisierte Inflationsrate (HPCN) nicht die gleiche ist wie die vom Statec errechnete nationale Inflationsrate (IPCN), auf der die Indexberechnungen basieren. Letztere belief sich im April auf 7 Prozent, nach 6,1 Prozent im Monat zuvor. Im Gesamtjahr 2022 rechnet Statec mittlerweile mit einer Inflationsrate von 5,8 Prozent.

Der Unterschied zwischen der europaweit harmonisierten Inflationsrate und dem IPCN liegt in der unterschiedlichen Gewichtung einiger Waren und Dienstleistungen, in beispielsweise der Kategorie „Hotels, Cafés, Restaurants“, wo die Konsumausgaben von Nichtinländern herausgerechnet werden. Wie sich der IPCN im Mai entwickelt hat, wird Statec am 8. Juni bekannt geben.

Europas Zentralbank wartet auf den Sommer

Mit den neuen Zahlen wird das mittelfristige Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von zwei Prozent erneut deutlich überschritten. Die Inflationsrate ist inzwischen mehr als viermal so hoch wie gewünscht. Angesichts des anhaltenden Inflationsschubs forderten Europas Währungshüter, rasch mit Zinsanhebungen gegenzusteuern. Ihre Rufe dürften jetzt noch lauter werden.
Die hohe Preissteigerungsrate sei „keine gute Nachricht für die EZB“, sagt beispielsweise Thomas Gitzel, Chefvolkswirt von der VP Bank. „Die Inflationsdynamik ist ungebrochen hoch. Beim Gang zum Supermarkt musste der europäische Konsument zuletzt deutlich tiefer in die Tasche greifen. Die Inflationsraten erreichen nun beinahe US-amerikanisches Niveau – mit dem Unterschied, dass die Fed die geldpolitische Wende bereits eingeläutet hat. Die EZB kauft derweil weiterhin Wertpapiere und die Zinsen befinden sich noch immer im negativen Bereich. Die europäischen Währungshüter sind zu spät dran. (…) Es geht um sehr viel – um die Glaubwürdigkeit der Geldpolitik und die Stabilität des Euro.“
„Wieder ein neuer Höchststand bei der Inflation, wieder ist die Inflation auch jenseits der teureren Energie- und Nahrungsmittel gestiegen“, kommentierte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer die neuen Daten. „Ich verstehe nicht, warum die EZB mit der Abschaffung ihrer Negativzinsen bis Ende des dritten Quartals warten möchte.“ EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte kürzlich in Aussicht gestellt, dass die Währungshüter voraussichtlich bis Ende September die Ära der Minuszinsen beenden werden.
Andere große Notenbanken wie die Fed in den USA haben angesichts des starken Preisauftriebs bereits ihre Zinsen erhöht. Experten gingen zuletzt davon aus, dass die EZB auf ihrer Zinssitzung am 9. Juni zunächst das Ende ihrer Staatsanleihenkäufe beschließen wird und dann im Juli erstmals die Zinsen erhöht. Es wäre die erste Zinsanhebung seit 2011.
Aus Sicht des slowakischen Notenbankchefs Peter Kazimir zwingt die Rekordinflation die EZB, die Zinsen im Juli anzuheben. „Wir werden diesen Schritt im Juli gehen. Die Zeit des Wartens und Zögerns ist vorbei“, sagte das EZB-Ratsmitglied im Gespräch mit Reuters im tschechischen Mikulov. Er erwarte eine Anhebung um einen Viertelprozentpunkt im Juli, eine Erhöhung um einen halben Prozentpunkt könne dann im September erfolgen. Der niederländische Zentralbankchef Klaas Knot hat die Möglichkeit einer Anhebung um einen halben Prozentpunkt bereits im Juli ins Spiel gebracht.                                    (Reuters)