Escher Gemeinderat„Hier wurde noch immer frei gesprochen“: Das Schwimmbad sorgt für hitzige Wortgefechte 

Escher Gemeinderat / „Hier wurde noch immer frei gesprochen“: Das Schwimmbad sorgt für hitzige Wortgefechte 
Ruhe vor dem Sturm: Im schick renovierten Sitzungssaal drehte die Gemeinderatssitzung nach harmonischem Start ziemlich auf. Foto: Editpress/Alain Rischard

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In Anbetracht der Tagesordnung war am Freitag eine eher ruhige Escher Gemeinderatssitzung erwartet worden. Doch beim Comeback im Versammlungssaal des Rathauses krachte es zum Schluss ganz gewaltig. Grund waren die von „déi Lénk“ vergangene Woche aufgeworfenen Themen Schwimmbad und Albert-Schweitzer-Haus. 

Viel Routine stand am Freitag auf dem Programm des Escher Gemeinderats. Der fand nach über einjährigem Exil in Belval erstmals wieder im komplett renovierten Versammlungsaal statt. Im neuen, edlen Rahmen für den Gemeinderat wurden die Tagesordnungspunkte zunächst schnell abgehakt, ehe es gegen Ende hoch herging. „déi Lénk“ hatte zwei zusätzliche Punkte mit Zustimmung der Räte auf die Tagesordnung setzen lassen. Und so war es mit der Harmonie vorbei, als es um das Schwimmbad ging, genauer um dessen kostenlosen Nutzung durch das Gemeindepersonal. Line Wies hatte im Namen ihrer Partei drei ein und für sich einfache Fragen an den Schöffenrat gestellt: Ob die Information des kostenlosen Eintritts für das Gemeindepersonal der Wahrheit entspricht, und falls ja, wie lange das schon gilt. Frage drei zielte auf die Motivation einer derartigen Maßnahme ab.

Das brachte ihr am Freitag eine Menge Schulmeisterei ein, nachdem der Schöffenrat bereits öffentlich via Pressemitteilung Position bezogen hatte. Vor allem Schöffe Pim Knaff blies im Namen der DP zum Frontalangriff auf Wies. Knaff warf ihr vor, sich nicht anständig informiert zu haben und via Presse eine Polemik losgetreten zu haben. Schon zuvor hatte Georges Mischo (CSV) damit gedroht, Wies das Wort zu entziehen, wenn sie weiter über die neue Tarifstruktur des Schwimmbads rede. Das wäre nicht das Thema, sondern vielmehr der Betriebssport der Gemeinde, so der Bürgermeister. Das wiederum brachte Rat Jean Tonnar (LSAP) auf die Palme. „Frau Wies ist hier nicht das Thema“, sagte Tonnar. „Wenn es um Kostenlosigkeit geht, dann ist nicht zu vermeiden, dass auch über die Tarife geredet wird. In diesem Saal wurde noch immer frei gesprochen, das werden wir uns auch in Zukunft herausnehmen.“

Line Wies im Visier

Bereits die schriftliche Antwort des Schöffenrats auf Line Wies’ Fragen war von Vorwürfen gespickt. Wies hätte falsche Informationen via Presse verbreitet, steht dort u.a. zu lesen. Die ließ den Vorwurf nicht auf sich sitzen und las dem Gremium ihre drei Fragen laut vor. Polemisch sei nichts daran. Dass sie der Presse eine Kopie der Fragen hatte zukommen lassen, hätte zudem einen einfachen Grund. Denn der Schöffenrat hielte sich nicht an die internen Gemeindereglemente. In Artikel 4 heißt es, dass sämtliche Fragen an resp. die Antworten des Schöffenrats den Räten und der Presse zugestellt werden und außerdem im „bulletin officiel“ und der Homepage der Gemeinde publiziert werden müssen. Was in den letzten Jahren ganz offensichtlich nicht der Fall war.              

Um die Sache ging es dann aber auch. Die Linken stören sich daran, dass auf der einen Seite die Tarife in Krisenzeiten verdoppelt würden und auf der anderen Seite nichts bezahlt werden müsste. Das sei eine soziale Ungerechtigkeit, so Wies, die auch betonte, dass es hier nicht darum gehe, gegen den Betriebssport oder das Gemeindepersonal vorzugehen. Man stelle die neue Tarifstruktur infrage. Sie sehe da nur einen Ausweg: den Eintritt ins Schwimmbad für alle Escher gratis machen, dann würde man auch niemanden etwas wegnehmen. Eine dementsprechende Motion der Linken wurde später abgelehnt. Auch die LSAP stimmte gegen die Motion, weil sie laut Jean Tonnar „nicht realistisch“ sei. Vielmehr könne man sich ein Gutscheinsystem zugunsten der Escher Bürger vorstellen. Georges Mischo bemühte derweil Zahlen. 2018 seien 14.027 Menschen im Schwimmbad gewesen, 40 Angestellte der Gemeinde profitierten von der Kostenlosigkeit. 2021 waren es 13.137 Eintritte, davon 222 gratis. Der Prozentsatz sei also sehr niedrig, weshalb sich ein freier Eintritt für alle Escher nicht rechtfertige (siehe auch Editorial, S. 2).   

Kein gutes Licht auf die Gemeindeverantwortlichen warf auch die Protestveranstaltung am vergangenen Wochenende vor dem Albert-Schweitzer-Haus, in dem seit über einem Jahr der Aufzug defekt ist. Die Einwohner fühlen sich von der Gemeinde alleingelassen (das Tageblatt berichtete). Laurent Biltgen („déi Lénk“) kritisierte die untragbare Situation für die Bewohner und den Fakt, dass sie sich von der Gemeinde im Stich gelassen fühlen. Jedenfalls hätten sie versichert, dass niemand mit ihnen gesprochen habe. Warum keine Übergangslösung gesucht wurde, fragte Biltgen den Schöffenrat, und vor allem, warum es ihm an Respekt und Empathie für die Einwohner fehle. Dem widersprach der zuständige Schöffe Martin Kox („déi gréng“). Man habe so viel wie möglich für die Menschen dort gemacht, sagte Kox, außerdem entspreche es nicht der Wahrheit, dass die Einwohner von der Gemeinde keine Antworten bekommen hätten. Pleiten, Pech und Pannen, so könnte man die Geschichte des Aufzugs nennen, die Kox anschließend nachzeichnete. Angefangen damit, dass man sich für den niedrigen Kostenvoranschlag entschied und offensichtlich auf eine wenig seriöse Firma gestoßen ist. Jedenfalls ist die Installierung des im Juli 2021 im Gemeinderat gestimmten neuen Aufzugs imminent. Noch im Mai soll er da sein.

Pop-up-Radweg auf dem Boulevard G.-D. Charlotte

In Anbetracht dieser Diskussionen trat der Rest des Gemeinderats etwas in den Hintergrund. Das, obwohl sich das Gremium endlich einmal dem Thema Fahrradpolitik annahm. Hintergrund war eine Motion der CSV, einen Pop-up-Radweg auf dem Boulevard Grande-Duchesse Charlotte einzurichten. Pop-up-Radwege sind temporäre Radwege, die in großen ausländischen Städten wie Brüssel oder Paris während der Pandemie eingerichtet wurden und sich großer Beliebtheit erfreuten bzw. noch erfreuen, da viele unter ihnen in dauerhafte Infrastruktur zugunsten des Rads umgewandelt wurden.

Vom 23. Mai bis zum 31. Oktober soll der Radweg auf dem Boulevard verlaufen, was von sämtlichen Parteien im Gemeinderat begrüßt wurde. Luc Theisen (CSV), Präsident der Verkehrskommission, wünscht sich im Allgemeinen mehr vom restlichen Verkehr getrennte Radwege in Esch. Es seien in letzter Zeit viele kleinere Dinge umgesetzt worden, demnach würde sehr wohl etwas für das Fahrrad gemacht. Allerdings müssten auch noch viele Ungereimtheiten, wie Hindernisse auf den Radwegen, beseitigt werden, meinte Theisen. Joëlle Pizzaferri (LSAP), Laurent Biltgen und Luc Majerus (Fokus) wiesen unterdessen auf ein fehlendes Fahrrad-Gesamtkonzept für Esch hin. Jean Tonnar begrüßte die Initiative, bemerkte aber, dass der Boulevard G.-D. Charlotte „quasi eine Autobahn“ sei und es keinerlei Verbindungen zu anderen Radwegen an Start und Ziel des geplanten Pop-up-Radwegs gebe. 

Außerdem wurde am Freitag eine Kapitalerhöhung für Sudcal beschlossen, genau wie ein größeres finanzielles Engagement der Gemeinde an „Transition Minett“. Unter den verschiedenen Projekten ist die kostenlose Bereitstellung von Cargo-Fahrrädern für die Escher Geschäftswelt vorgesehen. Der Staat gibt die „Place de l’Académie“ in Belval für einen Euro an die Stadt Esch ab. Eine Konvention über 4.000 Euro wurde derweil mit dem christlichen Radiosender RCF („Radio chrétienne francophone“) Metz verabschiedet. Es geht um eine wöchentliche Sendung, die Esch jeden Dienstag um 19.15 Uhr ins rechte Licht rücken soll.